(Peter-Hammer-Verlag 2015, 263 Seiten)
Von Mittelamerika (Dirk Reinhardts „Train Kids“) nach Südafrika – das geht in der Regel nur mit Büchern. Sifiso Mzobe, der südafrikanische farbige Autor von „Young Blood“, ist 1978 geboren und stellt mit dem Buch seinen Debütroman vor. Darin geht es – das kann man gleich vorab sagen – ordentlich zur Sache. Townships in Südafrika, Wohnviertel für die farbige Bevölkerung, sind ein heißes Pflaster, und genau davon handelt „Young Blood“.
Inhalt:
Sipho ist knapp 17 Jahre alt, lebt in Umlazi, einem Township in Durban, und hat von der Schule die Schnauze voll, weil er dort nichts Sinnvolles lernt. Seine Eltern wie die restliche Verwandtschaft sind natürlich dagegen, dass er die Schule verlässt, aber sie lassen den Jungen letztendlich gewähren, auch wenn Sipho nicht so recht weiß, was er stattdessen tun will. Siphos Eltern sind jedenfalls rechtschaffene Leute, beide gehen einer geregelten Arbeit nach – sein Vater als selbständiger Automechaniker. Mit Autos kennt sich Sipho auch gut aus, nicht nur als Fahrer, sondern auch wenn es darum geht, sie zu reparieren. Das ist auch ein Grund, warum Sipho bei seinen Kumpels und Freunden angesagt ist.
Als Sipho nicht mehr in die Schule geht, öffnet sich ihm ein ganz neuer Kosmos: Die Angebote von mehr oder weniger losen Freunden, bei kriminellen Machenschaften mitzumachen, häufen sich, und Sipho zögert hier und da, ist letztendlich aber dabei, wenn es darum geht, Autos zu stehlen. Die Geldsummen, die er so in kurzer Zeit verdient, genießt er: Er kann sich ein eigenes Auto leisten und ist nie knapp bei Kasse.
Nach und nach wird Sipho jedoch auch in größere Sachen hineingezogen: Er wird Zeuge, wie einer seiner Bekannten jemand anderen tötet, er bekommt immer gewagtere Angebote, darunter auch, Drogen zu verkaufen. Lange Zeit geht alles gut, bis einer seiner engsten Freunde selbst erschossen wird …
Bewertung:
Es gibt Romane, die finde ich aus meiner insgesamt doch recht behüteten Weltsicht heraus, ziemlich anstrengend. „Young Blood“ (Übersetzung: Stephanie von Harrach) ist so ein Buch. Wie Sipho Stück für Stück auf die schiefe Bahn gerät, mit Freunden Autos klaut, mit Höchstgeschwindigkeit in seinem BMW über die Straßen brettert, meist mit einigem Alkohol im Blut, oft auch bekifft, überhaupt wie er Drogen konsumiert, als würde es sich um Mineralwasser handeln, war über gut 250 Seiten hinweg für mich fast so etwas wie eine Zumutung. Ich habe mich lange gefragt, ob ich das Buch überhaupt weiterlesen soll – aber zugleich wollte ich doch wissen, wie Siphos Lebensweg weitergeht.
Das alles ist schon ziemlich heftig, und mit Frauen wird in diesem Buch auch nicht gerade zimperlich umgegangen. Sipho hat zwar eine Freundin, die aus besserem Hause kommt, Abitur macht und der gegenüber er davon spricht, dass sie seine große Liebe sei; das hindert ihn aber nicht daran, immer wieder anderen Frauen hinterher zu steigen. Auch bei seinen Freunden ist es gang und gäbe, ein Mädchen nach dem anderen abzuschleppen. Frauen sind nur Sexobjekte …
Wie authentisch Sifiso Mzobe das Leben eines Jugendlichen, der gefährdet ist, kriminell zu werden, darstellt, kann ich nicht so recht einschätzen. Geschönt wirkt da jedenfalls nichts. Allerdings muss man zugleich auch sagen, dass Sifiso Mzobe immer mit einer gewissen Distanz auf all das blickt. Sipho als Erzähler berichtet von den schlimmen Dingen, die passieren, immer eher kurz und knapp, nie detailliert oder sensationslüstern. Man bekommt dadurch als Leser indirekt doch vermittelt, dass Sipho Skrupel in sich trägt, sie allerdings lange totschweigt.
Dass der Junge sich öffnet, sich eingesteht, dass er überfordert ist, dazu braucht es mehrere schlimme Erlebnisse, und letztendlich war ich dem Buch dankbar, dass es das Ende findet, das es hat. Hier wird dann doch das ein oder andere, was vorher an den Leser-Nerven zerrt, relativiert. Ich hatte irgendwie gar nicht damit gerechnet, eher mit einer Schluss-Katastrophe … So dankbar ich für dieses Romanende war, mir kam der Umschwung Siphos am Ende etwas zu unvermittelt und schnell daher. Allerdings ging es mir zugleich so, dass ich manches in dem Buch im Nachhinein anders bewertet habe, als direkt während des Lesens.
Fazit:
4 von 5 Punkten. „Young Blood“ ist ganz bestimmt kein Wohlfühlbuch, sondern eine Achterbahnfahrt für den behüteten Leser. Es ist auch kein typisches Jugendbuch, eher ein Roman für junge Erwachsene, die in die brutale Welt südafrikanischer Townships hineinschauen möchten, dabei aber auch einiges aushalten. Wer das Ende des Buchs kennt, weiß, dass Sifiso Mzobe mit seiner Hauptfigur Sipho nicht nur das rasante Leben eines Gefährdeten in der Kriminalität beschreiben will – auch wenn es in dem Buch lange danach aussieht. Der Roman demontiert eher den Traum vom schnellen Geld und einem Leben in Saus und Braus. Und das ist auch gut so.
Sifiso Mzobes Debütroman war trotzdem ein Buch, das ich nicht gerade leicht verdaulich fand, auch wenn es packend, dramatisch und intensiv den Lebensweg eines farbigen 17-Jährigen beschreibt, der in einer rauen und gnadenlosen Umgebung aufwächst. Sympathisch ist Sipho nicht, seine kriminellen Freunde sind es noch weniger. Aber am Ende versteht man vielleicht doch einen Tick besser, was hier abläuft. Und wer kann – auch eine Erkenntnis nach dem Lesen des Buchs – schon selbst die Hand dafür ins Feuer legen, dass er/sie sich anders verhalten würde, wäre man wie Sipho in dessen Township-Welt hineingeboren worden?
(Ulf Cronenberg, 01.05.2015)
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