(Hanser-Verlag 2015, 361 Seiten)
„Dieser großartige Roman erinnert mich nicht nur daran, wie es ist jung und verliebt in ein Mädchen zu sein, sondern auch daran, wie es ist, jung und verliebt in ein Buch zu sein.“ Mit diesen Worten hat John Green den Jugendroman „Eleanor & Park“ von Rainbow Rowell geadelt, und diese Aussage hängt die Messlatte für diese Buch ganz schön hoch. Mit ihrem Debütroman gewann Rainbow Rowell 2013 auch gleich den Boston Globe Horn Book Award und den Printz Award, zwei amerikanische Jugendbuchauszeichnungen. Ja, nach diese Vorschusslorbeeren aus Amerika war ich auf das Buch gespannt.
Inhalt:
Amerika im Jahr 1986: Park ist ein Junge mit koreanischer Mutter und amerikanischem Vater, der jeden Morgen mit dem Bus zur Schule fährt. Von den anderen Jugendlichen hält er sich, auch wenn er einige Freunde hat, eher fern. Als eines Morgens ein ihm unbekanntes Mädchen mit roten wuscheligen Haaren in den Bus steigt, ahnt er Schlimmes. Und so kommt es: Das Mädchen setzt sich auf den leeren Platz neben ihm. Das geschieht von da an jeden Morgen. Die beiden wechseln jedoch kein Wort miteinander.
Nach einiger Zeit bemerkt Park, dass das Mädchen während der Busfahrt verstohlen seine Comics mitliest, und irgendwann wechseln die beiden doch die ersten Worte. Park lässt Eleanor, wie das Mädchen heißt, von da an immer mit in seine Comics reinschauen. Nach den ersten, eher spärlichen Gesprächen lernen die beiden sich etwas besser kennen. Irgendwann beginnt Park die Hand von Eleanor zu streicheln, und eine anfangs sehr vorsichtige Beziehung beginnt zwischen den ihnen.
Eleanor ist ein seltsames Mädchen: nicht unbedingt schlank, mit einer großen roten Mähne. Außerdem kleidet sie sich ziemlich ungewöhnlich. Oft steckt sie in Männerklamotten, trägt in den Haaren und an den Händen Krawatten oder bizarre Tücher. Was Park lange nicht weiß, ist, dass Eleanor in sehr schwierigen Familienverhältnissen aufwächst: Mit ihren Geschwistern und ihrer Mutter wohnt sie bei Richie, ihrem Stiefvater, der sie nicht nur nicht ausstehen kann, sondern immer wieder schikaniert.
Über ihre Familie will Eleanor deswegen gar nicht sprechen, und dass sie zuhause Besuch empfängt, ist ausgeschlossen. Eleanor erfindet schließlich eine Freundin, zu der sie angeblich immer geht – eine Ausrede, um sich mit Park außerhalb der Schulzeit verabreden zu können. Außerdem wird Eleanor von ihren Mitschülerinnen gemobbt …
Bewertung:
„Eleanor & Park“ (Übersetzung: Brigitte Jakobeit) ist ein Buch, das sehr still beginnt. Wie die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren erst nach und nach an Tiefe gewinnt, so kommt auch das Buch anfangs sehr still daher, und erst langsam wird man als Leser in die Geschichte hineingezogen. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Buch mag die zögerliche Annäherung zwischen Park und Eleanor gut darstellen, aber als Leser hätte ich mir am Anfang ein bisschen mehr Dynamik und Tempo gewünscht. Damit ist aber letzendlich auch schon der einzige Kritikpunkt an dem Buch benannt.
So richtig gepackt hat mich Rainbow Rowells Jugendroman dann ab ca. der Hälfte des Buchs, als Eleanor und Park ein richtiges Paar sind, allerdings mit so einigem zu kämpfen haben. Es ist vor allem Eleanors nicht gerade ausgeprägtes Selbstvertrauen, das in ihre Beziehung hineinfunkt. Als Eleanor z. B. das erste Mal zu Park mit nach Hause kommt, fühlt das Mädchen sich ziemlich schlecht. Eleanor ist allerdings auch eine Person, die Ecken und Kanten hat, mit der man (das geht Park ja nicht anders) nicht schnell warm wird. Parks Mutter findet Eleanor dementsprechend auch lange nicht gerade sympathisch.
Zu den Stärken des Buchs zählen die Dialoge zwischen Park und Eleanor. Beide bemühen sich um Ehrlichkeit, aber zugleich ist es vor allem für Eleanor sehr schwierig, Park in ihr tragisches Leben zu lassen. Rainbow Rowell gelingt es jedenfalls sehr gut, das alles darzustellen: die widerstrebenden Gefühle, die auch Park – vor allem anfangs – Eleanor gegenüber hat, Eleanors Minderwertigkeitsgefühle, ihre Selbstzweifel, aber auch ihr Bemühen, den Kopf trotzdem über Wasser zu halten.
Schon auf der ersten Seite des Romans wird man als Leser dahin gelotst, dass das Buch tragisch enden wird, und wie Rainbow Rowell Stück für Stück das Netz, das für Eleanor immer enger wird, zuzieht, ist beeindruckend gemacht. Man spürt diese Enge als Leser, man leidet mit Eleanor, aber auch mit Park, der so viel mittragen muss. Kalt lässt einen das Buch jedenfalls nicht.
Erzählt wird der Jugendroman übrigens immer abwechselnd personal aus der Sicht der beiden Hauptfiguren, und die Schnitte finden oft mitten in der Handlung statt. Da beginnt eine Begebenheit aus der Sicht von Eleanor, wird dann aus der Perspektive von Park weitergeschrieben, um später wieder zu Eleanor zu wechseln. Das ist raffiniert gemacht, weil so immer beider Sichtweisen auf das Erlebte dargestellt wird.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. Ich würde nicht wie John Green sagen, dass ich in dieses Buch bedingungslos verliebt bin – dafür war mir der Einstieg ein klein wenig zu langatmig –, aber ein tolles Buch, das psychologisch dicht und sehr einfühlsam geschrieben ist, ist „Eleanor & Park“ in jedem Fall. Das Beste an dem Buch sind – das habe ich schon erwähnt – die Dialoge zwischen Eleanor und Park. Viel Ungesagtes hängt zwischen beiden – vor allem Eleanor will nicht viel von sich preisgeben.
Alles in allem ist „Eleanor & Park“ ein starker Debütroman, der Lust auf mehr von der Autorin macht. In dem Roman, das ist meine Vermutung, steckt so einiges Autobiografisches von Rainbow Rowell – das wird in der Danksagung angedeutet. „Eleanor & Park“ ist ein Buch für Leser, die ein wenig Geduld mitbringen, die es aushalten, dass der Roman nicht von Anfang an ein großes Tempo an den Tag legt … Wer sich über diese kleine Schwäche des Romans hinwegzusetzen weiß, wird dann später aber belohnt: mit einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte und einem tragischen Familiendrama.
(Ulf Cronenberg, 22.02.2015)
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