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Buchbesprechung: Meme McDonald & Boori Monty Pryor „Njunjul“

pryor_njunjulLesealter 14+(Baobab Books 2014, 157 Seiten)

Von Südafrika nach Australien – das geht nur in Büchern. Handelte das letzte besprochene Buch (Sonwabiso Ngcowa: „Nanas Liebe“) davon, wie ein lesbisches Mädchen in Kapstadt seinen Weg findet, so thematisiert Meme McDonalds und Boori Monty Pryors Jugendroman „Njunjul“ das Leben als jugendlicher Aborigine in Australien. Auch in dem australischen Buch geht es darum, zu sich selbst zu finden angesichts schwieriger Grundbedingungen – das ist die Gemeinsamkeit beider Bücher. Meme McDonald ist übrigens eine weiße Australierin, die sich jedoch schon lange für die Rechte der Ureinwohner einsetzt, während Boori Monty Pryor von australischen Ureinwohner abstammt.

Inhalt:

Njunjul lebt als australischer Ureinwohner bei seiner Tante Milly im Happy Valley, einem Tal im Norden von Queensland. Doch was der Name Happy Valley verspricht, hält er nicht im Geringsten. Die Aborigines leben dort unter ärmlichen Verhältnissen und werden immer wieder von weißen Polizisten bedrängt oder gar schikaniert. Und was die Zukunftsaussichten angeht, so sind sie alles andere als rosig.

Für Njunjul heißt das, dass er diesem Tal, dem er eher den Namen „Himmeltraurigtal“ geben würde, baldmögichst entfliehen möchte, und so bricht er nach Sydney auf, um dort bei seinem Onkel Garth und seiner Tante Em unterzukommen. Von beiden wird Njunjul herzlich aufgenommen, doch nach der ersten Anfangseuphorie merkt Njunjul, dass für ihn am neuen Ort nicht alles auf einmal leichter ist.

Unter Njunjuls Onkel und Tante wohnt Rhonda, eine weiße junge Frau, die studiert und jobt. Anfangs begegnet Njunjul ihr sehr zurückhaltend – doch schon bald freundet er sich mit ihr an, bis er sich schließlich mehr bei Rhonda als bei seiner Tante und seinem Onkel aufhält. Rhonda tut Njunjul einerseits gut, weil sie ihm ein gewisses Heimatgefühl gibt, andererseits kommt er manchmal mit ihrer vereinnahmenden Art, durch die er sich nicht richtig verstanden fühlt, nicht so richtig gut zurecht.

Bewertung:

Das schmucke Cover von „Njunjul“ (Übersetzung: Barbara Brennwald) gibt eigentlich sehr schön wieder, worum es in dem Jugendroman geht: Da kommt ein 17-jähriger haltloser Jugendlicher als schwarzer Ureinwohner nach Sydney – in der Hoffnung, dort ein neues Leben zu finden. Für Njunjul ist das alles auch aufregend, aber zugleich fühlt er sich bedrängt von den vielen Dingen, die auf ihn einstürmen, die wie schwarze Hände nach ihm greifen, ohne ihm aber wirklich eine neue Orientierung geben zu können. Lange geht es in „Njunjul“ darum, dass die Hauptfigur so gar nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, erst am Ende zeichnet sich für Njunjul (was übrigens so viel wie „Sonne“ heißt) ein Weg ab.

Die Orientierungslosigkeit Njunjuls wird in dem Buch sehr genau dargestellt – anfangs noch im Happy Valley, dann auf der Reise nach Sydney, wo er im Bus eine bizarre Nonne kennenlernt, schließlich in Sydney. Njunjul traut sich nichts zu, weiß nur, dass er nicht wieder in die Schule gehen will, und Tante Em und Onkel Garth in Sydney geben ihm anfangs ein gutes Gefühl, ohne dass sie Njunjuls Stimmung dauerhaft aufhellen können.

Was „Njunjul“ neben der gut gezeichneten Hauptfigur, die Ich-Erzähler ist, so authentisch macht, ist, dass immer wieder Begriffe der Ureinwohner in den Text Einzug finden. „Gooli-up“ zum Beispiel ist eines der meist verwendeten Wörter, und im Glossar am Ende des Buchs erfährt man, dass es „wütend“ bedeutet. Ja, Njunjul ist häufig wütend, ohne oft den genauen Grund dafür zu kennen. Auch Rhonda, die schon bald die wichtigste Anlaufstation für Njunjul ist, macht ihn zunehmend wütend: weil sie ihre eigene Einsamkeit auf den Jungen projiziert und er sich dadurch nicht verstanden fühlt.

Ja, die Figuren. Sie sind eines der Highlights des Romans. Das geht schon zu Beginn mit Njunjuls Tante Milly im Happy Valley los, die immer einen weisen Spruch auf den Lippen hat. Aber auch Tante Em und Onkel Garth in Sydney sind eine Marke für sich: Sie zoffen sich mitunter – vor allem, weil Em ihrem Mann vorwirft, dass er Njunjul nicht genug unterstützt und auf die Sprünge hilft. Njunjuls Onkel weiß vor allem durch seine skurrilen witzigen Geschichten, die er ständig unter die Leute bringt, zu gefallen. Das amüsiert einen auch als Leser. „Njunjul“ hat ein ernstes Thema, ist aber kein tristes Buch.

Noch einmal zurück zur Sprache: Neben den vielen Begriffen der Ureinwohner gefällt mir, dass Meme McDonald und Boori Monty Pryor ihrer Hauptfigur Njunjul virtuos eine Stimme verleihen:

Ich komme mir vor wie ein Yoyo in No-no-Land. Yo muss so ein Allzweckwort sein, das irgendwas zwischen ja und oh, nein! heißt. (S. 45)

Die einzige Schwäche, die das Buch meiner Meinung nach kennt, ist, dass Njunjuls Zu-sich-finden am Ende des Romans zu schnell und unvermittelt geschieht. War vorher alles, was Njunjul erlebt, angemessen ausführlich dargestellt, so lässt sich das Buch am Ende recht wenig Zeit. Das ist schade, denn eigentlich ist das ja das Hauptthema des Romans: wie Njunjul aus seinem Loch, seiner inneren Leere herausklettern lernt, indem er sich seiner Traditionen als Ureinwohner Australiens annähert. Doch hier bleibt die Darstellung der Veränderung in Njunjul für meinen Begriff zu oberflächlich.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Dass man über Romane Einblicke in fremde Kulturen und Lebenswelten bekommt, ist ein wichtiges Motiv, zu Büchern zu greifen. Mit „Njunjul“ hält man einen Jugendroman in Händen, der Lesern ab 14 Jahren auf sehr sympathische und unverfälschte Weise nach Australien befördert und miterleben und mitfiebern lässt, wie ein jugendlicher Aborigine seinen Weg zu finden versucht.

„Njunjul“ ist ein tolles Buch, bei dem fast alles stimmt: Es zeigt auf, mit welchen Schwierigkeiten die Ureinwohner Australiens noch heute zu kämpfen haben; es ist virtuos und glaubwürdig geschrieben (was wohl auch daran liegt, dass einiges in „Njunjul“ autobiografisch auf Boori Monty Pryor zurückgeht); es hat sympathische Figuren, die einem ans Herz wachsen; und es behandelt ein schwieriges Thema nicht ohne eine gehörige Prise Humor. Dass das Ende etwas länger hätte ausfallen dürfen, sei dem Buch verziehen, weil es sonst keinen Makel hat.

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(Ulf Cronenberg, 25.11.2014)

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