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Buchbesprechung: Sonwabiso Ngcowa „Nanas Liebe“

ngcowa_liebeLesealter 14+(Peter-Hammer-Verlag 2014, 174 Seiten)

Seit einem Symposium in Oldenburg über afrikanische Kinder- und Jugendliteratur vor zwei Jahren liegen mir Jugendbücher von afrikanischen Schriftstellern am Herzen. Der Peter-Hammer-Verlag ist einer der wenigen Verlage, die regelmäßig afrikanische Jugendromane veröffentlichen, und im Fall von Sonwabiso Ngcowas Buch (fragt mich nicht, wie man den Namen des Autors ausspricht) hat sich der Verlag aus Wuppertal engagiert, um den Debütroman des Südafrikaners herauszugeben. Eine große Rolle hat dabei der Übersetzer Lutz van Dijk, der selbst einige Jugendromane geschrieben hat, gespielt: Er hat Sonwabiso Ngcowa ermutigt, diesen Roman zu schreiben und zu veröffentlichen.

Inhalt:

Nana wächst bei ihrer Großmutter Makhulu auf, weil ihre Eltern mit Nanas älteren Schwester Asanda vor ein paar Jahren nach Kapstadt gegangen sind, um dort besser leben zu können. Doch die Zeit bei Makhulu geht zu Ende, weil diese nicht mehr genug Geld hat, um weiterhin für das 14-jährige Mädchen sorgen zu können. Nanas Eltern haben jedoch versprochen, dass ihre jüngere Tochter zu ihnen nach Kapstadt kommen und dort leben kann. Und so bricht Nana mit dem Bus auf, um zu ihren Eltern zu ziehen.

Kapstadt ist für Nana ein großer Kulturschock. Auch wenn sie einerseits merkt, dass ihr Vater, der früher häufig betrunken und dann unberechenbar war, zu einem besseren Menschen geworden ist, so ist Nana andererseits geschockt, als sie sieht, dass ihre Familie im Armenviertel Masi unter einfachsten Bedingungen wohnt. Da ihr Vater als Tagelöhner meist keinen Job findet, ist die Familie zudem arm. In der Schule tut sich Nana außerdem anfangs schwer, Kontakte zu knüpfen.

Eines Tages lernt Nana Agnes, ein etwas älteres Mädchen, das im Nachbarhaus wohnt, kennen. Nana fühlt sich zu Agnes hingezogen, und Agnes ihrerseits verspricht Nana, sich um diese zu kümmern. Doch ansonsten läuft vieles in Kapstadt schief. Agnes‘ Bruder – beide kommen aus Simbabwe – wird von der Polizei als unberechtigter Flüchtling mitgenommen, da Agnes jedoch gültige Papiere für ihren Bruder besitzt, kommt er bald wieder frei. Auch sonst herrscht in Masi eine recht gewalttägige Atmosphäre, die Nana zu schaffen macht.

Die Feindseligkeit bekommt Nana zunehmend zu spüren, als sie bemerkt, dass sie in Agnes verliebt ist und die beiden eine Beziehung beginnen. Viele Menschen reagieren entsetzt, dass die beiden lesbisch sind – darunter auch Nanas Schwester Asanda und Agnes’ Bruder Chino.

Bewertung:

Ein für Südafrika heißes Eisen hat Sonwabiso Ngcowa in seinem Buch „Nanas Liebe“ (Übersetzung: Lutz van Dijk) angefasst. Auch wenn in der Verfassung Südafrikas steht, dass aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung kein Mensch direkt oder indirekt benachteiligt werden darf, so ist die Realität in dem Land eine andere: Menschen werden von anderen geächtet, bedroht, überfallen oder sogar vergewaltigt, weil sie schwul oder lesbisch sind; und von diesen täglichen Schikanen erzählt „Nanas Liebe“ unter anderem. Eingebettet ist die Geschichte, die Nana erzählt, in eine Rahmenhandlung: Sie trifft in einem Bus ein Mädchen namens Phelokazi, von dem Nana auch vermutet, dass es lesbisch ist. Und so beschließt Nana, ihre eigene Geschichte für Phelokazi, die nichts davon weiß, aufzuschreiben.

Das Buch beginnt damit, dass Nanas Eltern nach Kapstadt gegangen sind und das Mädchen bei seiner Großmutter Makhulu aufwächst. Das im Großen und Ganzen beschauliche, aber einfache Dorfleben in Südafrika bekommt man also auch beschrieben; und später erfährt man dann, wie ein Mädchen vom Dorf in der Großstadt Kapstadt mit einer ganz anderen Welt konfrontiert wird: Polizeiübergriffe gegen Flüchtlinge sind an der Tagesordnung, Menschen, die nicht in vorgegebene Schemata passen, werden von anderen geschlagen und überfallen; die Armut hat die meisten Menschen fest im Griff und sie kämpfen ums Überleben.

Diese immer wieder bedrohliche Lebensituation in einem Armenviertel Kapstadts stellt Sonwabiso Ngcowa recht eindrücklich dar, ohne dem jedoch allen Platz im Buch einzuräumen; denn gleichzeitig haucht der Autor dem Buch immer wieder Hoffnung ein: Nana lässt sich trotz der Feindseligkeit, die ihr immer wieder begegnet, nicht unterkriegen, sie selbst kann nicht nur akzeptieren, dass sie lesbisch ist, sondern wird von der Liebe zu Agnes durch schwere Zeiten getragen. Neben einigen Figuren, die Nanas und Agnes’ Liebe ablehnend gegenüberstehen, kommen in dem Buch auch mehrere Figuren vor, die ihr Herz auf dem richtigen Fleck haben. Und so bleibt am Ende doch die Hoffnung, dass Menschen und Umstände sich ändern können, wie das am Beispiel von Nanas Vater gezeigt wird. Trotz aller schlimmen Sachen, die das Buch erzählt, überwiegen die hoffnungsvollen Momente.

Literarisch wirkt „Nanas Liebe“ ab und zu ein wenig naiv – das gilt insbesondere für die gelegentlichen Einschübe, in denen Nana Phelokazi als Adressatin ihres Buches anspricht und die fast etwas unbeholfen wirken. Doch diese Naivität zeigt, wenn man sie nicht überbewertet, zugleich auch die Stärke des Buchs: Es wirkt ursprünglich und authentisch, als hätte wirklich ein 16-jähriges Mädchen seine Geschichte aufgeschrieben. Hinzu kommt, dass es Sonwabiso Ngcowa immer wieder schafft, beeindruckend intensiv bestimmte Szenen aus Nanas Leben zu erzählen: schlaglichtartig und bildreich.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Nanas Liebe“ ist ein besonderes Buch – nicht nur, weil es den Leser in einen anderen Kontinent und eine ganz andere, nicht gerade einfache Lebenswelt entführt, sondern auch, weil es ein Mutmachbuch gegen Unterdrückung ist. Auch bei uns werden Schwule und Lesben, aber auch andere Minderheiten abgelehnt, auch wenn die Diskriminierung alles in allem deutlich weniger heftig als in einem Land wie Südafrika ist. Dennoch: Auch in Europa erfordert es immer wieder Mut, zu sich selbst zu stehen, wenn man anders ist als andere. Wie Nana als Mädchen trotz wiederkehrender Verzweiflung ihren Weg geht, ist beeindruckend. Davon kann man sich eine Scheibe abschneiden.

Sonwabiso Ngcowas Buch ist außerdem ein Jugendroman, der erfrischend anders ist als die Problembücher, die man aus Europa und Amerika kennt: Es sind keine Wohlstandzipperlein, die da geschildert werden, sondern es geht ums Überleben und Sich-durchkämpfen. Das macht das Buch sympathisch; und Sonwabiso Ngcowa gelingt es außerdem, nicht nur Nana eine authentische Stimme, sondern seinem ganzen Buch einen glaubwürdigen Anstrich zu geben. Nana ist eine Figur, die man als Leser bewundern kann – und die man nicht so schnell vergisst.

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(Ulf Cronenberg, 20.11.2014)

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Kommentare (3)

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