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Buchbesprechung: Meg Rosoff „Was ich weiß von dir“

rosoff_weissLesealter 14+(Fischer-Verlag 2014, 271 Seiten)

Von Meg Rosoff habe ich, glaube ich, alle bisher auf Deutsch erschienenen Bücher gelesen – manche mit großer Begeisterung, andere mit etwas Befremden. Ihren neuen Jugendroman „Was ich weiß von dir“, den ich auf der Buchmesse ganz druckfrisch in den Händen gehalten habe und der am Tag darauf bei mir eingetrudelt ist, wollte ich mir jedenfalls auch nicht entgehen lassen. Das Buch führt einen diesmal in die USA, ein Land, das die dort geborene, aber inzwischen in London lebende Autorin gut kennt.

Inhalt:

Mila ist 12 Jahre alt und lebt mit ihren Eltern – der Vater ist Übersetzer, die Mutter Musikerin – in London. Mit ihrem Vater soll Mila in die USA zu Matthew, dem früher besten Freud ihres Vaters, und dessen Familie reisen. Doch kurz vor dem Abflug ist Matthew spurlos verschwunden. Lange überlegen Milas Eltern, ob das Mädchen dennoch mit ihrem Vater die Reise antreten soll – letztendlich fliegen die beiden in die USA, auch weil ihr Vater, der immer etwas zerstreut ist, in Mila eine gute Reisebegleiterin hat.

Als Mila und ihr Vater im Haus von Matthew, dessen Ehefrau Suzanne und deren kleinem Sohn Gabriel ankommen, ist Matthew nach wie vor nicht aufgetaucht. Niemand weiß, wo er sich aufhält – das ist seltam, denn Matthew wusste von dem Besuch des alten Freundes. Allerdings stellt sich bald heraus, dass es nicht das erste Mal ist, dass Matthew alles hinter sich gelassen hat.

Zwei Tage später brechen Mila und ihr Vater mit Suzannes Auto auf, um Matthew zu suchen. Suzanne vermutet, dass er in einer Hütte nahe der kanadischen Grenze sein könnte, die ihm gehört. Als Mila und ihr Vater die Hütte erreichen, treffen sie nicht auf Matthew, sondern werden auf andere Weise überrascht …

Bewertung:

„Was ich weiß von dir“ (Übersetzung: Brigitte Jakobeit) ist ein ganz eigenes Buch – was mich allerdings nicht verwundert hat. Meg Rosoff schreibt schon immer anders als andere Jugendbuchautoren, und das gilt auch für ihr neuestes Werk.

Mila als 12-jährige Hauptfigur, die auch die Ich-Erzäherin ist, ist ein ganz besonderes Mädchen: Sie beobachtet alles sehr genau, bekommt mit ihrem detektivischen Gespür Stimmungen und Winkelzüge der Menschen, die sie umgeben, mit – ja, man könnte fast sagen, dass sie so etwas wie einen siebten Sinn hat. Wie Mila gedanklich alles, was um sie herum passiert, wahrnimmt und analysiert, ist beeindruckend. Letztendlich ist Mila auch eher für ihren Vater verantwortlich als umgekehrt. Doch man spürt als Leser auch, dass Mila schwer an beidem trägt: der Verantwortung für ihren Vater und an dem, was sie alles sieht. Verwunderlich ist das nicht, schließlich ist sie ja noch ein Kind.

Wie Meg Rosoff Mila eingefangen, wie sie einer 12-Jährigen eine Stimme gegeben hat, ist bewundernswert, ja schon fast unheimlich. Das Buch bekommt durch seine Hauptfigur mehr Leben eingehaucht als durch die äußeren Geschehnisse, die etwas Krimihaftes haben: Ein Mädchen und ihr Vater suchen einen spurlos Verschwundenen.

Das Besondere an „Was ich weiß von dir“ ist, dass der Roman vordergründig eine Vermisstengeschichte erzählt, eigentlich aber von etwas ganz anderem handelt: nämlich von einem Mädchen, das mit seiner Kindessicht in die Abgründe der Erwachsenenwelt guckt, sie zu verstehen versucht, oft aber auch dadurch verstört ist. Milas Kindheit neigt sich dem Ende zu, und sie wird damit konfrontiert, dass Erwachsene sich unreif und gar nicht erwachsen verhalten – und dabei geht es nicht nur um die Matthew und seine Flucht, sondern auch um die anderen Figuren im Buch, die in den Blick genommen werden.

Für Kinder oder Jugendliche, die so alt sind wie Mila, ist „Was ich weiß von dir“ deswegen meiner Meinung nach kein Buch, da muss man schon etwas älter und reifer sein, und immer wieder hat mich das Gefühl beschlichen, dass Meg Rosoffs neuer Roman wie schon manch anderes ihrer Bücher eher ein Buch für Erwachsene als für Jugendliche ist. Aber mag sein, dass ich mich da auch täusche …

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Meg Rosoffs neuer Roman hat mir gut gefallen, mich von den ersten Seiten an fasziniert, lediglich in der Mitte verliert das Buch einmal kurz etwas seiner Anziehungskraft und plätschert ein wenig dahin. Auch wenn die Story, die hinter dem Buch steht, anderes vermuten lässt: Das Packende an „Was ich weiß von dir“ sind nicht dessen Krimielemente, sondern sind die psychologischen Momente, deren Hauptbestandteil darin besteht, wie eine 12-Jährige die Erwachsenenwelt erlebt: nämlich als immer wieder unverständliches Chaos, in das ein Mädchen hineingezogen wird.

Meg Rosoffs Roman dürfte jugendliche Leser herausfordern. Die Geschichte an sich ist nicht kompliziert, doch unter der Oberfläche steckt einiges, was den aufmerksamen Leser ab und zu fast ein bisschen verstören dürfte. Dadurch, dass Mila, ein 12-jähriges Mädchen, die Erzählerin ist, wird eine recht schonungslose Sicht der Erwachsenenwelt gezeichnet, einer Welt, die oft grausam und unverständlich ist, in der Menschen sich gegenseitig wehtun und aneinander scheitern, in der Kinder und Jugendliche oft die Leidtragenden sind. Immerhin hat Mila mit den eigenen Eltern Glück – das ist das Fünkchen Hoffnung, das dieser Roman enthält und das ihm guttut, weil das Buch dadurch ein wenig an unterschwelliger Bedrohlichkeit verliert.

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(Ulf Cronenberg, 27.10.2014)

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