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Buchbesprechung: Andrea Rings „Parkour – Nur die Wahrheit ist unbezwingbar“

rings_parkourLesealter 13+(Chicken House 2014, 391 Seiten)

Der Goldene Pick ist ein Manuskript-Wettbewerb von FAZ und Chicken House, einem Ableger des Carlsen-Verlags. Seit dem Jahr 2010 wird der Preis verliehen und mit ihm sollen – das ist das Ziel – neue Autorentalente im Bereich der Jugendliteratur gefunden und unterstützt werden. Das von der Jury jedes Jahr ausgewählte Manuskript wird dann bei Chicken House verlegt. 2013 hat den Preis Andrea Rings erhalten, und ihr Manuskript ist nun unter dem Titel „Parkour“ als Buch erschienen. Was den Titel angeht, konnte ich mir wenig darunter vorstellen, aber ich habe einfach mal reingelesen und bin hängen geblieben, obwohl „Parkour“ nicht unbedingt zu meiner bevorzugten Art von Jugendbüchern gehört. Dazu später mehr …

Inhalt:

Leo ist ein großer Parkour-Fan und klettert auf und über allerlei Gegenstände, was seinem Vater, der Polizist ist, nicht gerade recht ist. Als er Leo eines Tages von einem Baukran herunterholt und mit dem Polizeiauto nach Hause fährt, wird Leos Vater von einer Wespe gestochen. Ihm wird schlecht und schwindlig, er wird ganz bleich im Gesicht und befindet sich kurz darauf im Krankenhaus, wo sich sein Zustand so stark verschlechtert, dass er ins Koma fällt.

Weil Leos Mutter, als er noch ein Kind war, spurlos verschwunden ist, soll Leo, um nicht auf sich allein gestellt zu sein, entweder in ein Jugendcamp gebracht werden oder über das Jugendamt an ein Heim oder eine Pflegefamilie vermittelt werden. Doch Leo will beides nicht. So ist er auf der Flucht und hat nur ein Ziel vor Augen: Er will etwas über seine Mutter und ihr rätselhaftes Verschwinden herausfinden. Dazu kommt er von Gotenheim nach Isernach, wo seine Mutter früher gelebt hat. Durch einige Zufälle schließt sich ihm ein anderer Junge mit seinem dreibeinigen Hund an: Anton, dessen Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen sind und der bei Onkel und Tante wohnt.

In Isernach trifft er schließlich in der Nähe einer geheimnisvollen Burg Sunna wieder, ein Mädchen, dem er erst vor kurzem begegnet ist und von dem er sich magisch angezogen fühlt. Sunna faselt manchmal seltsame Dinge und glaubt an Magie, was Leo ziemlich fremd ist. Die Suche nach seiner Mutter führt jedoch dazu, dass er sich zu fragen beginnt, ob seine Mutter nicht auch besondere Kräfte hatte. Ihr Verschwinden passierte nach dem Tag, an dem er von einer schweren Krankheit völlig unerwartet genesen ist; ein Überwachungsvideo der Klinik zeigte, dass seine Mutter an dem Tag vorher in der Klinik war und irgendwas unter ihrem Mantel in die Klinik gebracht hat …

Bewertung:

Dass mich der Titel des Buchs eher etwas ratlos zurückgelassen hat, habe ich schon weiter oben erwähnt, und nachdem ich mit dem Buch fertig war, habe ich mich noch mehr gewundert. Mit Parkour (die Wikipedia beschreibt das so: Parkour […] bezeichnet eine Fortbewegungsart, deren Ziel es ist, nur mit den Fähigkeiten des eigenen Körpers möglichst effizient von Punkt A zu Punkt B zu gelangen.“) hat das Buch eher wenig zu tun, außer dass es Leos Hobby ist und vielleicht auch seine Art beschreibt, wie er an Dinge herangeht: zielstrebig, ohne auf Hindernisse zu achten. Ansonsten merkt man bald, dass Andrea Rings’ Buch einige Fantasy-Anleihen hat und vor allem eine Mischung aus Abenteuer- und Fantasy-Roman bietet.

In die Geschichte wird man ziemlich schnell hineingezogen, und das liegt zum einen daran, dass gleich zu Beginn Leos Vater ernsthaft krank wird und Leo beschließt, das Geheimnis um seine verschwundene Mutter zu lüften. Jugendamt und Polizei sind ihm auf den Fersen – allein das sorgt schon für Spannung. Zum anderen ist es die Erzählweise des Jugendromans, die von Beginn an für Tempo sorgt. „Parkour“ wird personal aus der Sicht von vier Figuren erzählt: Leo, Anton und Sunna, die bereits erwähnt wurden, darüber hinaus Natalie, ein Mädchen, das Leo schon lange kennt und das über ein Journalistenpraktikum in die Geschehnisse – Natalie wittert eine große Reportage – hineingezogen wird. Alle ein bis fünf Seiten wechselt die Erzählperspektive; die anfangs noch getrennt laufenden Erzählstränge der vier Figuren werden erst nach und nach zusammengeführt. Andrea Rings hält dieses Figurenwechselspiel das ganze Buch durch – und was vielleicht anstrengend klingt, ist gut umgesetzt.

Die Geschichte spielt in einer seltsamen Stadt namens Gotenheim – auch das klingt nach Fantasy –, und mich hat sie ein wenig Arkham City aus den Batman-Comics und -Filmen erinnert: ein Stadt mit Machenschaften, immer ein wenig düster und geheimnisvoll. Isernach mit seiner Burg dagegen passt eher ein wenig ins Fantasy-Klischee: ein Dorf mit einer Burg, in der es Geheimgänge gibt, ein Baron, der Geheminisse hat, ein Wald, in den niemand gehen darf …

Was mich an „Parkour“ ein wenig gestört hat, sind die Figuren, die etwas übertrieben plakativ sind und dadurch leicht schablonenhaft und für meinen Geschmack nicht lebendig genug wirken: Leo als Halbwaise mit geheimnisvoller Mutter, Anton als Vollwaise mit Onkel und Tante in einem Wohnwagen lebend, Natalie als Tochter des Oberbürgermeisters und Sunna als naturverbundenes Mädchen mit einem siebten Sinn. Das alles passt natürlich zum Fantasy-Szenario, aber ist mir ein bisschen zu viel des Guten. (Wo wir gerade bei den Figuren sind: Seltsam auch, dass Anton zu Beginn des Buchs wegen einer Brandverletzung nicht gut laufen kann, das später im Buch aber keine Rolle mehr spielt …)

Fazit:

4 von 5 Punkten. Meine Bedenken „Parkour“ gegenüber mögen etwas mäkelig rüberkommen – insgesamt habe ich das Buch gern gelesen und nach anfänglichem Zögern auch verschlungen. Die ständigen Perspektivenwechsel, durch die das Buch in kleine Häppchen zerlegt wird, führen dazu, dass man die nächsten zwei, dann die nächsten vier und dann noch einmal die nächsten drei Seiten lesen will und so nicht aufhören kann. Das abgegriffene Wort „Page-Turner“, das ich eigentlich nicht mag und das man so häufig in Verlagsprospekten findet, beschreibt das ganz gut.

„Parkour“ bietet eine eigenwillige, aber durchaus interessante Mischung: ein bisschen Fantasy, ein bisschen Mystik, ein wenig Detektivgeschichte und ansonsten vier Hauptfiguren, die man mag, auch wenn sie einem nicht wirklich nahe gehen. Ich kann mir vorstellen, dass Jugendlichen im Alter von 13 und 14 Jahren das Buch verschlingen werden – mir ist zugleich aber bewusst geworden, dass ich Bücher mit Fantasy-Elementen nicht mehr so gerne wie früher lese, weil sie nicht viel mehr als Unterhaltung bieten. Das war vor acht bis zehn Jahren noch anders …

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(Ulf Cronenberg, 15.10.2014)

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