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Buchbesprechung: Finn-Ole Heinrich & Rán Flygenring „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Ende des Universums”

heinrich_maulina3Lesealter 10+(Hanser-Verlag 2014, 179 Seiten)

Ich kenne einige Leute, die sich davor scheuen, Band 3 von „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt“ zu lesen. Warum? Weil eigentlich klar ist, was darin passieren wird: Maulinas Mutter wird sterben. Und wer die quasselige Heldin liebgewonnen hat, möchte am liebsten nicht damit konfrontiert werden … Dessen ungeachtet habe ich mir diesmal nicht so viel Zeit gelassen wie bei Band 2, bis ich das Buch zur Hand genommen habe. Bei mir hat dann doch die Neugierde überwogen, wie Finn-Ole Heinrich und Rán Flygenring diesen sicher schwierigsten Teil der Trilogie meistern werden.

Inhalt:

Maulinas Mutter hat Multiple Sklerose (davon gehen wir jetzt einfach mal aus, auch wenn das im Buch gar nicht genau benannt wird) und ihre Krankheit schreitet fort. Inzwischen kann sie gar nicht mehr laufen, sondern liegt größtenteils im Bett. Für Maulina wächst dadurch nicht nur die Verantwortung (sie trägt einen Piepser mit sich herum), sondern es wachsen auch die Sorgen um ihre Mutter. Gleichzeitig versucht Maulina die Zeit mit ihrer Mutter zu genießen und sammelt alles, was sie an sie erinnert, um später Andenken an sie zu haben.

Unterstützt wird Maulina dabei nicht nur durch Paul, ihren Freund, der Maulina am besten zu trösten weiß, sondern letztendlich von allen Menschen, die sie umgeben. Mit ihrem Vater, der mit seiner neuen Freundin inzwischen Zwillinge hat, hat Maulina sich im Großen und Ganzen versöhnt, auch wenn das Verhältnis zu dessen neuer Lebensgefährtin nach wie vor angespannt ist.

Alles Hoffen und Bangen hilft jedoch nichts: Maulinas Mutter bekommt einen neuen Krankheitsschub und muss ins Krankenhaus, wo sie tagelang nur schläft und kaum wache Minuten hat. Für ein bisschen Ablenkung sorgt, dass Maulina Pauls Geburtstagsfest plant: ein Fest, wie er es noch nie erlebt haben soll …

Bewertung:

„Ende des Universums“ schließt – ich falle gleich mit der Tür ins Haus – die Trilogie um Maulina und ihre todkranke Mutter mehr als gebührend ab, und das ist sicher nicht selbstverständlich. Denn den Tod der Mutter eines Mädchens für junge Leser angemessen zu verpacken, ist keine leichte Aufgabe …

Dass sich in Band 3 alles zuspitzt, merkt man schon beim Durchblättern des Buchs. Waren Band 1 und 2 neben dem Schwarz als Druckfarbe in Hellblau bzw. Grün gehalten, so zeigt die Farbgestaltung im Abschlussband, dass Dramatischeres passieren wird: Das Schwarzblau des Einbandes findet sich im Buch nicht mehr wieder, stattdessen sind die Illustrationen neben dem Schwarz mit recht knalligem Orange gezeichnet – wobei Schwarz diesmal nicht nur Strich-, sondern auch Füllfarbe ist und dominiert, wenn es um Tod und Krankheit geht.

Vieles, was das Finale der „Maulina“-Bücher bietet, kennt man natürlich: Maulina ist ein aufgeweckt-neugieriges, zugleich manchmal nervendes, insgesamt aber eben auch fürsorgliches und gefühlsintensiv lebendes Mädchen, das angesichts der Krankheit seiner Mutter tapfer den Kopf über Wasser zu halten versucht. Berührend sind dabei die Stützsysteme, die Maulina hat: Der Vater – in Band 1 von Maulina als der Böse, der die Familie verlassen hat, angesehen – mausert sich am Ende zum fürsorglichen Vater, der seine Tochter aufzufangen versucht. Der General für Käse (Maulinas Opa) bleibt diesmal eher im Hintergrund – etwas schade. Und Paul hat sich vom nicht gerade selbstbewussten Kind zu einer wichtigen Stütze für Maulina entwickelt. Diese Entwicklungen der Figuren, die sich über die drei Bände ziehen, sind durchdacht und wirken konsequent – die anfänglichen Übertreibungen in der Figurenzeichnung, die mich im Auftaktband etwas gestört haben, sind verschwunden.

Und das tragische Finale? Finn-Ole Heinrich und Rán Flygenring meistern auch das mit Bravour … Maulinas Mutter (Vorsicht, Spoiler!) stirbt natürlich – etwas anderes hätte auch gar keinen Sinn gemacht –, aber vorher darf Maulina in Gedanken (im Buch in Orange) erst noch mal eine Wunderheilung durchleben – ein geträumtes Happy End –, bevor eine schwarze Doppelseite mit wenig Text folgt, die für das Sterben der Mutter steht. Geschickt abgefedert ist das dramatische Ende: Das Sterben von Maulinas Mutter wird nicht direkt beschrieben, auch nicht das, was folgt und wie es weitergeht, sondern am Ende steht ein handschriftlicher Abschiedsbrief von Maulinas Mutter an ihre Tochter, der wohl den meisten Lesern mehr als nur feuchte Augen bescheren dürfte. Als Leser hat man immerhin auf den bis dahin gelesenen 500 Seiten das hoffnungsvolle Vertrauen gewonnen, dass Maulina den Tod der Mutter verkraften wird, weil das Mädchen sich, so gut es geht, gewappnet hat, außerdem viele „gute Engel“ um sich hat.

Was „Ende des Universums” so wertvoll macht, ist, dass das Buch zeigt, wie ein Kind mit dem bevorstehenden Tod seiner Mutter zurechtzukommen versucht: Maulinas Träume, auch wenn sie nicht in Erfüllung gehen, werden nicht nur zugelassen, sondern sind für sie ein wichtiger Schritt zur Verarbeitung. Maulina will möglichst viele Erinnerungen an ihre Mutter festhalten, was es ihr leichter machen wird, die Mutter gehen zu lassen. Aber auch erwachsenen Lesern wird aufgezeigt, wie man ein Kind durch eine solche schwere Zeit tragen kann: mit viel liebevoller Zuwendung, mit durchdachter Ablenkung, aber zugleich auch dosierter Konfrontation. Ganz schön viel Lebensweisheit steckt in diesem Buch – und das noch dazu völlig unaufdringlich …

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt“ hat mit „Ende des Universums” seinen kongenialen Abschluss gefunden, und ich kann nur sagen, dass diese drei Bände für mich wirklich ein Höhepunkt im Kinderbuchbereich der letzten Jahre sind. „Mein kaputtes Königreich” (Band 1) ist die manchmal etwas überdrehte Einführung in die Trilogie, „Warten auf Wunder“ (Band 2) ist ein sprühendes sprachliches Wunderwerk, und „Ende des Universums“ ist das berührend-tragische Ende, das wehtut, aber dadurch auch seine große Tiefe bezieht.

Man hört, dass der Hanser-Verlag ein wenig enttäuscht von den bisherigen Verkaufszahlen der ersten zwei Bände ist (dass Gerüchte nicht unbedingt stimmen müssen, wissen wir ja). Wenn es so wäre: Vielleicht ist das ja auch gut so. Manch geniales Werk braucht Zeit, um entdeckt zu werden, und ich kann mir vorstellen, dass man die drei „Maulina“-Bände noch lange, weil sie auch buchmacherische Kleinode darstellen, verschenken kann und wird. Ich wäre eher ein bisschen erleichtert, wenn die „Maulina“-Bücher auf dem kurzlebigen Büchermarkt nicht alles Pulver sogleich verschießen. (Wenn ich da übrigens einen Wunsch äußern dürfte: Liebe Leute vom Hanser-Verlag, lasst die Bücher, wie sie sind, macht keinen Gesamtband, keine Taschenbuchausgaben daraus.)

Das Duo von Finn-Ole Heinrich und Rán Flygenring hat mit „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt – Ende des Universums” nach „Frerk, du Zwerg!“ sein zweites geniales Projekt abgeschlossen. Ich bin sehr gespannt, was folgen wird, und ich hoffe, dass die beiden zusammen weitermachen!

Und zum Schluss noch mal der verdiente donnernde Applaus für die drei „Maulina“-Bände! Sie sind einzigartig, ungewöhnlich, spektakulär, grenzenlos mirakulös – wie ihre Heldin.

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(Ulf Cronenberg, 10.09.2014)

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Kommentar (1)

  1. Pingback: „ich habe schon das gefühl, dass das erzählen von geschichten mir dabei hilft, mich in der welt zurechtzufinden.“ Interview mit Finn-Ole Heinrich | Jugendbuchtipps.de

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