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Buchbesprechung: Gina Mayer „In guten wie in toten Tagen“

mayer_tagenLesealter 15+(script5-Verlag 2013, 355 Seiten)

„In guten wie in toten Tagen“ – als ich diesen Titel gelesen habe, habe ich mich ersthaft gefragt, ob man einen Thriller mit einem noch schrecklicheren Titel versehen kann. Gut, das ist im Stil von Elizabeth George, einer erfolgreichen Krimiautorin für Erwachsene, deren Bücher mit so furchtbaren Titeln wie „Doch die Sünde ist scharlachrot“ oder „Denn bitter ist der Tod“ auf Deutsch veröffentlicht wurden. Aber dennoch: „In guten wie in toten Tagen“ ist einfach abgeschmackt. Dass das Cover eher mädchenlastig ist (auch nur bedingt mein Fall), passt zur Geschichte und ist somit zumindest stimmig.

Inhalt:

Caras große Schwester Helena wird bald heiraten, und da Helena sich gerne als perfekt ausgibt, soll es auch eine ganz besondere Hochzeit sein. Dass Helena ihren ehemaligen Deutschlehrer Tom Schenker, der von so gut wie allen Mädchen an der Schule verehrt wird und einige Jahre älter ist, heiratet, scheint niemanden groß zu stören. Die beiden gelten trotzdem als das Traumpaar schlechthin.

Eine Woche vor dem Hochzeitstermin soll der Jungesellinnen-Abschied steigen, und Helena hat ihre jüngere Schwester beauftragt, ihn zu organisieren. Cara hat sich etwas Besonderes ausgedacht: Helena, ihre besten sechs Freundinnen sowie Cara selbst, feiern erst zu Hause ein Hen-Fest (ein amerikanischer Brauch), dann wollen sie durch die Stadt ziehen. Doch der Junggesellinnen-Abschied läuft aus verschiedenen Gründen schief. Die Stimmung ist irgendwann ziemlich mies, auch weil klar wird, dass es zwischen den sogenannten besten Freundinnen einige Spannungen gibt – gerade wegen Tom. So endet der Abend eher im Desaster – da helfen selbst die Pillen nicht, die alle noch einwerfen. Die Freundinnen gehen irgendwann nach Hause, Helena will noch einmal zu Tom.

Am nächsten Morgen wird Cara von der Polizei geweckt: Tom Schenker wurde in der Nacht ermordet. In seinem Auge befand sich eine Haarnadel. Helena ist natürlich die Hauptverdächtige und wird bald von der Polizei festgenommen. Cara kann das nicht glauben, und weil die Polizei nicht in die Gänge zu kommen scheint, stellt sie selbst Nachforschungen an. Sie will auf eigene Faust beweisen, dass die von ihr vergötterte Schwester unschuldig ist.

Bewertung:

Ganz einfach hatte ich es mit dem Buch am Anfang nicht. Das Getue um den Junggesellinnen-Abschied war nichts für mich und hat mich zunehmend genervt. Mädchen mögen das unterhaltsam und amüsant finden (Klischee-Alarm, sorry!), aber für Jungen oder einen nicht mehr ganz so jungen Mann, stellt der Einstieg ins Buch eine fast unüberwindbare Hürde dar. Fast hätte ich das Buch nach gut 50 Seiten deswegen aus der Hand gelegt. Doch dann wurde – verzeiht mir den Satz – endlich Tom ermordet. Und damit ändert sich das Buch.

Endlich wird „In guten wie in toten Tagen“ so etwas wie ein Psychothriller, und da hat das Buch doch einiges zu bieten. Cara als junge Detektivin deckt so einiges auf – da will ich nicht viel verraten, nur, dass die besten Freundinnen so ihre Geheimnisse hatten, und der ermordete Tom ebenfalls. Psychologisch ist das jedenfalls raffiniert gemacht. Die Fassaden der Leute bröckeln, es werden gekonnt Psychogramme der Figuren gezeichnet.

Cara ist jedenfalls eine interessante Figur: selbst etwas sperrig, mit ziemlich verkrachtem Verhältnis zum ausgezogenen Vater, der als Rechtsanwalt Helena helfen will. Dass eine zarte Liebesgeschichte nicht fehlen darf, gehört eher wieder ein wenig in den Bereich „was zu erwarten war“. Aber sie bleibt dezent und unaufdringlich.

Ihren Reiz bekommen Thriller (ich würde das Buch ja eher als Psychothriller oder Krimi bezeichnen, denn ordentliche Schaudermomente fehlen) meist dadurch, dass man sich als Leser fragt, wer denn nun der Täter ist. Ich hatte sehr lange eine gewagte Vermutung, die ich weniger auf Anspielungen im Buch als auf meine ach so tolle Leseerfahrung zu gründen können meinte. Doch damit war es leider nicht weit her. Gina Mayer hat mir ein Schnippchen geschlagen, und zwar gründlich. Dass es letztendlich wohl den meisten Lesern so gehen dürfte, ist jedenfalls etwas, was man „In guten wie in toten Tagen“ auf jedem Fall zugutehalten muss.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Das Positive überwiegt auf den Waagschalen: „In guten wie in toten Tagen“ hatte einen für mich nervigen Einstieg, wurde dann aber immer besser. Die Pluspunkte wurden schon benannt: die psychologischen Finessen, das unerwartete Ende und die gekonnt Demaskierung fast aller vordergründig netter Figuren. Damit ist Gina Mayers neuester Thriller für mich alles in allem doch ein im Großen und Ganzen gelungenes Buch. Dass dennoch ein bisschen Unbehagen zurückbleibt, liegt nicht nur am Einstieg des Romans, sondern daran, dass mir das Thriller-Genre in letzter Zeit zu durchsichtig auf Verkauf angelegt ist. „In guten wie in toten Tagen“ ist da keine Ausnahme, auch wenn das Buch in vielem zu gefallen weiß. Lieber lese ich doch Bücher, die weniger auf reine Unterhaltung abzielen und mehr Tiefgang haben. Und da gab es von Gina Mayer eben auch „Die verlorenen Schuhe„. Ich trauer dem ein bisschen nach, dass Gina Mayer nicht wieder mal so ein Jugendbuch schreibt …

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(Ulf Cronenberg, 19.09.2013)

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