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Buchbesprechung: Daniel Handler „43 Gründe, warum es aus ist“

handler_gruendeLesealter 14+(Hanser-Verlag 2013, 362 Seiten)

Über schön gestaltete Jugendbücher kann man sich immer freuen: „43 Gründe, warum es aus ist“ wurde von Maira Kalman illustriert. Nicht nur das Cover ziert ein naiv gehaltenes Bild der in Israel geborenen, aber in die USA ausgewanderten Künstlerin, sondern auch jedes Kapitel wird mit einer Illustration verziert.

übrigens handelt es sich bei Daniel Handlers erstem Jugendroman – der Autor ist Amerikaner mit deutschen Wurzeln, sein Vater flüchtete im Dritten Reich in die USA – nicht um dessen erstes Buch. Unter dem Pseudonym Lemony Snicket hat er bereits eine mehrbändige Kinderbuchreihe veröffentlicht.

Inhalt:

Min – eigentlich heißt sie Minerva – ist ein großer Filmfan und möchte später mal Regisseurin werden. In der Schule ist sie als Sonderling bekannt, sie hat aber durchaus Freunde. Vor allem mit Laura und Al, der sich ebenso gut wie Min bei Filmen auskennt, verbringt sie ihre Zeit.

Auf einer Party bei Al lernt Min Ed kennen, der sich nach einem verlorenen Spiel seiner Basketballmannschaft ohne Einladung auf die Party gestohlen hat – ein Ritual der Mannschaft nach verlorenen Spielen. Die beiden kommen miteinander ins Gespräch, und Min versteht selbst nicht so ganz, warum sie sich zu Ed hingezogen fühlt. Eigentlich ist er nicht ihr Typ: Ed hatte schon viele Freundinnen, gibt sich eher als Macho und lässt immer wieder blöde Sprüche vom Stapel. Und trotzdem ist Min von Ed fasziniert.

Bald sind die beiden ein Paar, und immerhin scheint Ed unter seiner rauen Oberfläche auch einen etwas sensibleren Kern zu besitzen, den Min jedoch erst nach und nach freilegen muss. So ganz einfach ist ihre Beziehung jedoch nicht, und nach mehreren Wochen geht sie in die Brüche.

Im Transporter von Als Vater bringt Min eine Sammelkiste mit Erinnerungsgegenständen an Ed zu dessen Haus. Sie will die Sachen loswerden, schaut sie auf der Fahrt jedoch durch und erinnert sich beim Anschauen an die verschiedenen Stationen der Beziehung mit Ed.

Bewertung:

Nicht nur der Titel „43 Gründe, warum es aus ist“ (Übersetzung: Birgitt Kollmann) hat seinen Charme und Reiz, die Geschichte ist außerdem nicht nach dem 0815-Schema erzählt. Gleich zu Beginn wird man in das Ende der Geschichte eingeweiht: Die Beziehung zwischen Ed und Min ist aus, Min will Ed den Karton mit den Erinnerungsgegenständen (es sind 43) vor die Tür legen, um endgültig mit der Beziehung abzuschließen. Und auf der Fahrt in Als Lieferwagen zu Eds Haus (mit einem Zwischenstopp in Mins Lieblingscafé) erzählt Min zu jedem Gegenstand manchmal in nur wenigen Sätzen, meist aber 10 bis 15 Seiten lang von den Stationen ihrer Beziehung.

Mit dem Ende vor Augen wird man also als Leser zu einer Rückschau mitgenommen. Man erfährt, wie die Beziehung zwischen Min und Ed beginnt, wie beide sich immer wieder aneinander reiben, aber auch gemeinsam trotz der unterschiedlichen Interessen zueinander finden. Dass man von Anfang an von der gescheiterten Beziehung weiß (die übrigens nicht länger als zwei Monate gedauert hat), macht den Reiz des Buches aus. Denn so hat man als Leser einen kritischen Blick auf das, was zwischen Ed und Min passiert – als Leser ist man Min sozusagen einen Schritt voraus: Denn sie erzählt frisch enttäuscht und gekränkt Episoden aus der Beziehung, während man als Leser mit etwas mehr Distanz auf die Dissonanzen der Beziehung gucken kann – und die gab es von Beginn an.

Was einen neben der Konstruktion der Geschichte besonders für Daniel Handlers Buch einnimmt, ist dessen Hauptfigur. Min ist ein Mädchen, deren Wachheit, deren Gefühlsintensität und deren Beobachtungsgabe sympathisch wirken. Ein Durchschnittsmädchen ist Min keinesfalls, sondern vielmehr ein Mädchen, das einen eigenen Willen hat, mit ihrem Filmfaible intellektuell erscheint und sich im Großen und Ganzen nicht daran stört, anders als andere zu sein. Dass Min sich dabei wirklich schwer tut, die gescheiterte Beziehung zu verkraften, spürt man immer wieder. Sie denkt mit Sehnsucht an die schönen Stunden mit Ed, stellt sich dessen muskulösen Körper vor, macht ihm aber immer wieder auch Vorhaltungen und kommt am Ende der meisten Episoden zu dem Schluss: „… und deswegen ist es aus.“ Das wirkt mitunter manchmal etwas aufgesetzt und gekünstelt.

Dass das Buch auf einen größeren Knall in der Beziehung hinsteuert, kann man sich fast denken – alles andere wäre dramaturgisch ungeschickt. Und so kommt es auch. Als Min davon erzählt, wird sie auf einmal zur unsicheren Figur, die auf mehreren Seiten sich selbst runtermacht: dass sie nicht hübsch sei, schon gar nicht intellektuell etc. Das sind einerseits fast etwas pathetisch vorgetragene, andererseits aber wohl die ehrlichsten Seiten des Romans.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Daniel Handlers Jugendroman ist – man muss ab und zu höchstens über etwas weitschweifige Ausführungen hinwegsehen – ein großartiges Buch, das gekonnt aus der Sicht eines Mädchens ausführt, wie eine mit großem Tamtam begonnene Beziehung endet. Min dekonstruiert sich und ihre Sehnsüchte selbst. Sie weiß am Ende, dass sie über Dinge, die sie bei Ed hätte sehen sollen, hinweggeschaut hat – was macht man nicht alles, um seine Träume erfüllt zu bekommen … Indem Min das alles durchgeht, versucht sie das Beziehungsende wegzustecken, und man kann sich sicher sein, dass sie es schaffen wird. Daniel Handler hat mit Min eine glaubwürdige und großartige Figur geschaffen, und so ganz selbstverständlich ist es nicht, dass sich ein Mann hier so gekonnt in die Rolle eines Mädchens hineinversetzen kann.

„43 Gründe, warum es aus ist“ ist ein intensives Buch, ein Buch, das man auch ein zweites Mal lesen kann, und es ist ein Buch, das von Maira Kalman zudem ansprechend illustriert ist. Die naiven Zeichnungen der 43 Gegenstände, die den Kapiteln jeweils vorangestellt sind, bereichern die Geschichte und machen das Buch zu einem Kunstwerk. Kurz gesagt: In diesem Buch ist (fast) alles richtig gemacht.

Auf den ersten Blick ist Daniel Handlers Buch wohl eher ein Buch für Mädchen – aber sollten es nicht vielleicht auch Jungen lesen? Ja, das wäre gut. Aber zu befürchten ist, dass Mins Abrechnung mit Ed eher nicht die Leseinteressen von Jungen erfüllt. Leider.

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(Ulf Cronenberg, 02.08.2013)

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