(Boje-Verlag 2013, 140 Seiten)
Worum es in dem dünnen Bändchen des Norwegers Bjørn Ingvaldsen geht, ahnt man nach dem Lesen des Buchtitels nicht. Er klingt ja eher witzig und ist auch so gestaltet, doch letztendlich behandelt „Wie Balder es schaffte, einen Blitz zu fotografieren, und es fast nicht überlebte“ ein sehr ernstes Thema: Es geht um einen Jungen, der in der Schule Außenseiter ist und gemobbt wird. Bücher zu dem Thema gibt es viele – weitere taugliche Bücher, die man in der Schule besprechen kann, sind aber jederzeit willkommen. Ob Ingvaldsens Buch dazu gezählt werden kann, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.
Inhalt:
Balder ist ein klassischer Außenseiter: In der Schule spricht er so gut wie gar nicht – nur manchmal mit dem Lehrer –, in bestimmten Situation bekommt er Nasenbluten, und Balders Mitschüler nennen ihn nur „Ballaballa“. Mit Hänseleien sind sie außerdem, wann immer es geht, nicht gerade zurückhaltend.
Seinen Eltern gegenüber verheimlicht Balder, dass er von seinen Klassenkameraden geärgert wird: Er tut so, als würde er sich auf die Schule freuen und hätte dort Freunde. Ab und zu sind seine Eltern etwas skeptisch, ob das, was Balder erzählt, stimmt, aber letztendlich schauen sie dann doch zu flüchtig hin, um zu wissen, was los ist.
Als Balder ein Referat über das Projektthema Wetter erstellen soll, kommt ihm die Idee, Blitze zu fotografieren. Doch das ist nicht unbedingt einfach zu bewerkstelligen. Bei einem heftigen Gewitter schleicht er sich nachts mit dem Fotoapparat nach draußen und wird dort glatt von einem Blitz getroffen. Erst später, als er im Krankenhaus wieder wach wird, bekommt er mit, dass er kurz vorher noch ein Foto davon gemacht hat, wie ein Blitz einen Baum spaltet.
Eigentlich sollte Balder damit besonders gut für sein Referat gerüstet sein. Doch Balder hält das Referat nie, auch wenn er seinen Eltern berichtet, dass es gut gelaufen sei. Zu groß ist seine Angst, dass er vor der Klasse verlacht wird. Doch irgendwann bekommen seine Eltern mit, dass Balder sie angelogen hat …
Bewertung:
Um es gleich vorwegzunehmen: Mich hat Bjørn Ingvaldsens Buch mit dem langen Titel eher gelangweilt als begeistert. „Wie Balder es schaffte, einen Blitz zu fotografieren, und es fast nicht überlebte“ (Übersetzung: Christel Hildebrandt) ist ein typisches Kinderproblembuch, das mir einfach zu wenig über die betuliche Geschichte hinaus bietet.
Eigentlich macht Bjørn Ingvaldsen ja erst mal alles richtig: Man merkt, dass er sich mit dem Thema Mobbing beschäftigt hat. Balder hat ein Vermeidungsverhalten aufgebaut, um Situationen, in denen er gehänselt wird, aus dem Weg zu gehen; er spricht lieber mit Erwachsenen als mit Gleichaltrigen; er verheimlicht, dass er Angst und keine Freunde hat; und er schämt sich letztendlich dafür, dass er Mobbingopfer ist. Ja, psychologisch ist da alles richtig dargestellt.
Und auch die Geschichte an sich ist über weite Teile nett erzählt: Sie kennt besondere, zum Teil schrullige Figuren wie die Busfahrerin Nancy oder Geir, einen Studenten, der in der Fahrplanauskunft jobbt und dem Balder sich immer wieder als einzigem Erwachsenen anvertraut. Die Figuren sind liebevoll und einfühlsam beschrieben. Doch all das reicht nicht aus.
Einen wirklich Leseanreiz bietet Bjørn Ingvaldsens „Wie Balder es schaffte, einen Blitz zu fotografieren, und es fast nicht überlebte“ meiner Meinung nach nicht. Was dem Buch fehlt, ist ein ausgeklügelter Spannungsbogen, eine gekonnte Dramaturgie – das Buch plätschert aber eher so dahin. Über die Problemgeschichte hinaus fehlt dem Buch etwas, das einen als Leser packt: sei es Sprachwitz wie in Ann Dee Ellis „Es.Tut.Mir.So.Leid.“ oder überhaupt etwas zu lachen wie in Michael Gerard Bauer „Nennt mich nicht Ismael!“ – um zwei weitere Bücher zum Thema Mobbing anzuführen.
Wahrscheinlich erzählt Bjørn Ingvaldsen die wahrere Geschichte als die beiden genannten Bücher (wobei die Auflösung am Ende etwas zu wohlgefällig ist), aber es ist eben auch eine Geschichte, die mit ihrer political and psychological correctness und ihrer Problemorientierung nicht wirklich Lesespaß aufkommen lässt – und den sollte ein gutes Buch, wenn es nicht gänzlich andere Ziele verfolgt, eben auch bieten.
Fazit:
2 von 5 Punkten. Es gibt viele Kinder- und Jugendbücher zum Thema Mobbing – darunter sind jedoch packendere und unterhaltsamere Titel als Bjørn Ingvaldsens „Wie Balder es schaffte, einen Blitz zu fotografieren, und es fast nicht überlebte“. Auf psychologischer und fachlicher Ebene ist dem Buch nicht viel vorzuwerfen – da macht der norwegische Autor vieles richtig. Die Figuren sind auch liebevoll gezeichnet. Aber was Spannung und Humor angeht, fehlt doch etwas. Begeistern wird man mit diesem Buch meiner Meinung nach nicht viele Kinder (ab 10 oder 11 Jahren) – dafür ist der Kinderroman zu spröde und zu betulich. Dass es auch anders geht, zeigen die beiden oben genannten Kinderbücher.
Mich stört außerdem das angedeutete Happy End, weil es nicht wirklich aufzeigt, dass und wie Balder seine Situation verbessern konnte. Was man als Auflösung präsentiert bekommt, ist letztendlich nicht wirklich eine große Änderung – Balder hat Freunde gefunden, aber das Problem mit den Klassenkameraden und seine Ängste bleiben wohl. Und so sollte das am Schluss auch im Buch stehen, anstatt dem Leser ein glückliches Ende vorzugaukeln.
(Ulf Cronenberg, 18.07.2013)
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