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Buchbesprechung: Arne Svingen & Christoffer Grav „Mit eigenen Augen“

svingen_augenLesealter 13+(Sauerländer-Verlag 2013, 176 Seiten)

Täusche ich mich oder waren Graphic Novels im Jugendbuchbereich vor ein paar Jahren wirklich öfter zu finden als im Moment? Zumindest haben sie vor einiger Zeit wohl mehr Beachtung gefunden … „Mit eigenen Augen“ heißt eine im Sauerländer-Verlag veröffentlichte Graphic Novel, die ursprünglich aus Norwegen kommt, nun aber ins Deutsche übersetzt wurde. Dass es ums Thema Identität geht, könnte man sich angesichts von Titel und Cover fast schon denken.

Inhalt:

Jim ist ein Rockstar, der kurz vor dem großen Durchbruch steht und bereits durch die großen Hallen tourt. Innerlich fühlt er sich trotz seiner noch nicht allzu lange dauernden Karriere oft ausgebrannt und leer. Doch auf den Konzerten muss er sein Bestes geben, und die Fans jubeln ihm zu.

Nach einem Konzert nimmt er ein Mädchen, das am Hinterausgang des Konzertsaals auf ihn gewartet hat, mit auf sein Hotelzimmer. Dort schnupft diese Kokain und erleidet einen Zusammenbruch. Die Aufregung ist groß, und vor allem Jim verkraftet das nicht so ganz. Sein Manager rät ihm deswegen, dass er zu einer einsamen Hütte am Meer fahren soll, um sich vor den nächsten Konzerten etwas auszuruhen. Und so macht es Jim schließlich auch.

Als er am Strand sitzt, kommt ihm eine junge Frau entgegen – er befürchtet schon, dass sie ihn erkennen und belästigen könnte. Doch die junge Frau geht einfach vorüber. Jim wundert sich darüber, zugleich lässt es ihn jedoch nicht los. Und deswegen geht er der jungen Frau hinterher, um sie anzusprechen. Er erfährt schließlich, dass die Frau blind ist und Lise heißt. Ohne genau zu wissen, warum, ist er von Lise fasziniert, obwohl sie ihm gegenüber – anders als seine Fans – keine Bewunderung entgegenbringt.

"Mit eigenen Augen" - Ausschnitt aus dem Buch Nr. 1

Abb 1.: „Mit eigenen Augen“ – Doppelseiten-Ausschnitt aus dem Buch

(Die Ausschnitte können durch eine Klick darauf leicht vergrößert werden.)

Bewertung:

„Mit eigenen Augen“ (Übersetzung: Maike Dörries) ist ein eigenwilliges Buch, und so gradlinig, wie die sich abzeichnende Liebesgeschichte nach der oben stehenden Inhaltszusammenfassung klingen mag, ist sie dann doch nicht. Arne Svingen erzählt die Geschichte eines Rockstars, der sich leer und einsam fühlt, obwohl oder weil er ständig im Mittelpunkt steht. Durch Lise, das blinde Mädchen, das ihn zunächst nicht beachtet, wird er in eine andere Welt geführt, in der es um anderes als Berühmtsein und Showbusiness geht. Dennoch, ein bisschen durchsichtig und stereotyp kommt die Geschichte daher: Man ahnt recht bald, auf was sie hinauslaufen wird.

Abb 2.: "Mit eigenen Augen" - Doppelseiten-Ausschnitt aus dem Buch

Abb 2.: „Mit eigenen Augen“ – Doppelseiten-Ausschnitt aus dem Buch

Lesen lässt sich das Buch jedenfalls recht schnell: Mehr als eine Stunde benötigt man für den Text nicht. Vertieft man sich jedoch genauer in die Bilder, so kann man länger verweilen, und es sind vor allem die Illustrationen von Christoffer Grav, die das Besondere dieses Buchs ausmachen.

Die Bilder sind auf vielen Doppelsieten überwiegend in Schwarweiß gehalten, lediglich die Haare von Lise sind dort, wo das Mädchen auftaucht, rot. Darüber hinaus gibt es aber auch – vor allem an späteren Stellen – Seiten, die farbig sind – bewusst gesetzte Kontrapunkte zur Öde des Musikerlebens. Es sind vor allem die Momente in der Geschichte, in denen es um Vorstellungen und Träume geht oder wo das Liebesglück von Lise und Jim angedeutet wird.

Die Illustrationen sind jedenfalls ein Augenschmaus, sie transportieren die Stimmung besser als der Text, der eher lakonisch daherkommt, und geben dem Text eine Interpretation und Atmosphäre, die dieser nicht erreicht. Das macht den Reiz von Graphic Novels aus, und alles in allem ist „Mit eigenen Augen“ als Gesamtkunstwerk durchaus gelungen.

Abb 3.: "Mit eigenen Augen" - Doppelseiten-Ausschnitt aus dem Buch

Abb 3.: „Mit eigenen Augen“ – Doppelseiten-Ausschnitt aus dem Buch

Fazit:

4 von 5 Punkten. „Mit eigenen Augen“ gehört zu den besonderen Büchern dieses ersten Lesehalbjahrs: Die Gesamtkomposition aus Geschichte und Illustrationen stimmt und gibt gut das Innenleben von Jim und die Widersprüchlichkeit seines Lebens wieder. Was mich dennoch zögern lässt, dem Buch die volle Punktzahl zu geben, ist die etwas holzschnittartige Geschichte, die auf der einen Seite das Musikerleben etwas klischeehaft, die Welt der blinden Lise auf der anderen Seite zu blass zeichnet. Lise wird in dem Buch nicht wirklich lebendig, sondern ist eher eine Projektionsfigur, der man als Leser nicht richtig nahekommt. Sehr wenig erfährt man über das Mädchen, und letztendlich wird man auch in Bezug auf Jim als Leser auf Distanz gehalten.

Man könnte argumentieren, dass diese Oberflächlichkeit bewusst gesetzte Leerstellen sind, die dem Leser Interpretationsmöglichkeiten lassen – aber ein wenig mehr Tiefe in der Auseinandersetzung der so unterschiedlichen Lebenswelten von Lise und Jim hätte ich mir trotzdem gewünscht.

Dennoch: Wer ein besonderes Buch sucht, das ein wenig aus dem Massenmarkt heraussticht und als Kunstwerk durchgehen kann, dem sei „Mit eigenen Augen“ empfohlen. Man kann sich in dem Buch mit seiner eigenen schwarzweißen Ästhetik, die größtenteils comicartig gehalten ist, durchaus verlieren und vergisst darüber sogar die ein oder andere Fragwürdigkeit und Klischeehaftigkeit der Geschichte.

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(Ulf Cronenberg, 22.06.2013)

(Vielen Dank an Frau Franke vom Sauerländer-Verlag für das Zurverfügungstellen der Buchausschnitte!)

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