(Arena-Verlag 2013, 261 Seiten)
Gut drei Wochen ist es her, dass ich Band 1 der als Trilogie angelegten „Spiegel”-Reihe von Alina Bronsky mit Juli als Hauptfigur gelesen habe – und ich war im Großen und Ganzen von dem Buch recht angetan. Die Buchbesprechung zu Band 2, schon vor zwei Wochen aufgesetzt, habe ich jetzt erst mal etwas liegen lassen, weil ich zwischendrin noch andere Bücher vorstellen wollte … Doch zurück zur „Spiegel”-Reihe: Auf „Spiegelkind“ folgt „Spiegelriss“, und wie Band 3 heißen wird, werden wir dann sehen … Ein abgeschlossenes Buch darf man bei „Spiegelriss“ jedenfalls nicht erwarten – das Ende hängt etwas in der Luft, und Band 3 ist leider noch nicht mal angekündigt.
Inhalt:
Juli wurde von ihrer Familie getrennt, lebt inzwischen am Rande der Gesellschaft und wurde unerwarteterweise von einem Rudel aufgenommen: einer Gruppe von jugendlichen Freaks, die immer davon bedroht sind, von der Polizei der Normalen aufgegriffen und verhaftet zu werden. Kein angenehmes Leben ist das: Juli ist verdreckt, ist ständig hungrig und friert unentwegt. Doch eine Alternative hat Juli, nachdem sie aus dem Wald ihrer Mutter geworfen wurde, nicht.
Eines Nachts wird das Rudel von Juli, die dort immer nur Babyfuß genannt wird, von einer Polizeischaft gejagt. Nur mit Hilfe von Kojote, wie der seltsame Rudelführer genannt wird, gelingt es Juli zu entkommen. Juli versteht nicht, warum Kojote ihr hilft – ohne sie wäre er leichter davon gekommen. Doch glücklicherweise gelingt ihnen auch zu zweit die Flucht.
Lange weiß Juli nicht, was sie machen soll – doch dann hat sie eine nicht gerade tolle Idee (etwas anderes fällt ihr jedoch nicht ein): Sie könnte nach Ksü und Ivan in deren Haus suchen. Kojote will ihr sogar dabei helfen, Julis frühere Freunde zu finden, obwohl es nicht gerade ungefährlich ist, durch die Stadt zu ziehen. Trotz einiger Komplikationen kommen sie schließlich bei Ksü und Ivan an – doch diese öffnen die Tür nur mit Misstrauen. Juli ist außerdem entsetzt vom Zustand Ksüs, der es alles andere als gut zu gehen scheint.
Bewertung:
Wer „Spiegelkind“ und „Spiegelriss“ wie ich direkt nacheinander liest, dem wird sofort auffallen, dass Band 2 ein deutlich düstereres Buch als der Einstiegsband ist. Das geht schon mit dem ersten Kapitel, in dem Julis Leben im Rudel beschrieben wird, los, steigert sich im Laufe des Buchs aber noch. Nicht nur, dass Juli immer wieder von Albträumen, die beschrieben werden, heimgesucht wird, später widerfährt dem Mädchen noch so einiges Schreckliche.
Der Sprachstil der Geschichte hat sich auch verändert: Wie alles beschrieben wird, wirkt – passend zur Notlage Julis – wehmütiger und gehetzter. Juli sehnt sich nach ihrem früheren, vergleichsweise ruhigen Leben zurück, kommt mit den neuen Widrigkeiten schlecht zurecht und hadert mit sich selbst, weil sie Fehler gemacht hat. Dieser andere Ton im Buch hat mir am Anfang sehr gut gefallen und mich sofort in die Geschichte hineingezogen.
Doch im Laufe des Buches verändert sich so einiges – ich würde es so beschreiben: In der anfangs dystopisch anmutenden Geschichte gewinnen nach und nach die Fantasy-Elemente die Oberhand. Auch wenn ich jetzt vielleicht ein bisschen viel von der Geschichte verrate (anders lässt sich das aber nicht ausführen, was ich sagen will): Juli wird verraten und landet schließlich im Dementio (den Wortstamm kennt man von den Dementoren aus „Harry Potter“ oder vom Wort „Demenz“), einer Einrichtung, in der Pheen resozialisiert werden sollen. Hier wird die Geschichte wirklich klaustrophobisch, aber auch etwas zu undurchsichtig. Eine wirkliche Vorstellung von dem, was hier passiert, habe ich nicht bekommen – dieser Mittelteil des Buches ist mir etwas fremd geblieben.
Manchmal könnte man meinen, man hätte, wenn man „Spiegelriss“ mit dem Vorgängerbuch vergleicht, ein ganz anderes Werk vor sich; und selbst innerhalb von „Spiegelriss“ wandelt sich die Geschichte für meinen Geschmack zu sehr: von der bedrängenden Dystopie zur albtraumhaften Fantasy-Geschichte. Seltsam. Manchmal habe ich mich gefragt, ob vielleicht Alina Bronsky selbst nicht so genau wusste, welches Buch sie schreiben will. Eigenartig ist auch, dass man „Spiegelkind“ meiner Meinung nach 12-Jährigen empfehlen kann, dass „Spiegelriss“ seiner Düsterheit wegen dagegen eher ein Buch für Leser ab 14 Jahren ist.
Fazit:
3-einhalb von 5 Punkten. „Spiegelriss“, der dunkle Nachfolgeband zu „Spiegelkind”, hat mich etwas befremdet. Der bedrängende und gelungene Einstieg auf den ersten 100 Seiten hat mich wirklich gepackt, doch mein Interesse hat im weiteren Verlauf etwas nachgelassen. Alina Bronskys zweiter Band der „Spiegel“-Reihe gefiel mir eindeutig immer dann am besten, wenn die Geschichte spannend war und realer wirkte, schwächelte jedoch, wo die Story zu fantasy- und mystery-lastig wurde. Es sind die dystopischen (man könnte fast sagen: gesellschaftskritischen) Elemente, die mich fasziniert haben; die mystischen Fantasy-Elemente dagegen, die im Laufe des Buches an Bedeutung gewinnen, haben mir eher missfallen, weil hier vieles unvorstellbar wurde und überzogen wirkte.
Was dennoch bleibt: Auch „Spiegelriss“ ist ein gekonnt geschriebenes Buch – man darf zum Beispiel über die ersten Seiten staunen, wo anfangs nicht so ganz klar ist: Wird hier ein Tierrudel oder eine Menschengruppe beschrieben? Der Roman entfaltet schnell eine große Spannung und zieht den Leser in die Geschichte hinein.
Auch den nächsten Band werde ich mit Sicherheit lesen – nicht nur, weil ich wissen will, wie es mit Juli weitergeht, sondern weil die Geschichte eben doch ihre Faszination hat. Ich hoffe mal, Alina Bronsky lässt uns nicht zu lange warten …
(Ulf Cronenberg, 17.06.2013)
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