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Buchbesprechung: Tobias Elsäßer „Wie ich einmal fast berühmt wurde“

elsaesser_beruehmtLesealter 14+(Sauerländer-Verlag 2013, 231 Seiten)

Remakes kennt man eigentlich eher von Filmen – Tobias Elsäßer hat jedoch eines seiner Bücher noch einmal neu geschrieben … „Die Boygroup“ hieß der 2004 im Arena-Verlag erschienene Jugendroman, den der Autor nicht nur überarbeitet, sondern komplett neu verfasst hat, anstatt sein „schlechtestes Buch“ (wie Tobias Elsäßer bei einer Lesung in Würzburg selbst sagte) wieder auflegen zu lassen. „Wie ich einmal fast berühmt wurde“ heißt das Buch nun und ist auch in einem anderen Verlag erschienen: bei Sauerländer (übrigens vor ein paar Wochen frisch vom Fischer-Verlag aufgekauft).

Inhalt:

Erik kommt aus Echterdingen, einem kleinen schwäbischen Städtchen bei Stuttgart, und absolviert in den 1990er Jahren eine Lehre bei einem Versicherungsunternehmen, ist damit aber überhaupt nicht glücklich. Mit seinem Bruder spielt er in einer Rockband, deren Lead-Sänger er ist. Doch auch damit fühlt er sich nicht so richtig wohl – bei den regelmäßigen Auftritten in einem Jugendzentrum gibt es auch kaum Zuhörer. Singen kann Erik jedoch.

Über ein Mädchen, das eine CD der Band kauft, bekommt er Kontakt zu einem professionellen Studio. Dort wird gerade ein Sänger für eine Boygroup gesucht – allerdings eher für die Aufnahme als für die Öffentlichkeit. Durch den Erfolg von Take That angeheizt, schießen Teenie-Bands gerade nur so aus dem Boden … Erik singt einen Song im Studio ein und bekommt danach überraschenderweise das Angebot, als Hauptsänger bei der Boygroup names Call Us einzusteigen. Diese besteht aus drei weiteren jungen Männern, die zwar attraktiv sind, aber nicht singen können. Doch im Studio lässt sich da einiges drehen …

So landet Erik im Showbusiness. Die Single wird veröffentlicht und verkauft sich nach einigem Zögern ganz gut. Als Band fahren Call Us mit ihrem Manager in den nächsten Wochen quer durch Deutschland, um bekannter zu werden. Sie treten in Hallen auf, kommen ins Fernsehen und schießen schließlich in die Charts. Doch der schnelle Erfolg ist wackelig, Erik hat außerdem manchmal das Gefühl, im falschen Film zu sitzen …

Bewertung:

Ja, der Traum davon, Rock- oder Popstar zu werden. Wer, der ein entsprechendes Instrument gespielt hat oder singen konnte, hatte ihn nicht? Mir mit meiner E-Gitarre war seine Erfüllung jedenfalls nicht vergönnt … 😉 Tobias Elsäßer dagegen schaffte es wirklich in den 1990er Jahren mit einer Boygroup namens „Yell 4 You“ kurzfristig im Rampenlicht zu stehen. Doch lange währte der Erfolg nicht.

„Wie ich einmal fast berühmt wurde“ ist autobiografisch angehaucht, wie Tobias Elsäßer im Nachwort anmerkt, jedoch ist die Geschichte um Erik in vielem auch fiktiv. Aber dass Tobias Elsäßer weiß, wovon er schreibt, wenn er Erik in die Krallen des Musikbusiness geraten lässt, merkt man eben doch. Erik ist ein gänzlich naiver und unbedarfter junger Mann, der gar nicht weiß, was er im Leben will. Und seiner guten Stimme wegen bekommt er auf einmal eine einmalige Chance. Was daraus wird, davon handelt das Buch.

Schnell stellt sich bei Erik Ernüchterung ein. Zwar genießt er es, Applaus zu bekommen, vielleicht einen Ausweg aus der verhassten Versicherungslehre gefunden zu haben. Doch die Kehrseiten sind bald unübersehbar, auch wenn Erik sie anfangs zu verdrängen versucht. Das Herumreisen wird ihm zunehmend lästig, was Manager und Plattenfirma von den Jungs verlangen, ist immer wieder abstrus und absurd, und bei Erik bleibt letztendlich nur eine innere Leere zurück. Wahrscheinlich sind genau das die Erfahrungen, die auch Tobias Elsäßer damals gemacht hat. Hinzu kommt eine Liebesgeschichte, die es eigentlich nicht geben darf (mehr sei nicht verraten).

„Wie ich einmal fast berühmt wurde“ erinnert manchmal an einen Schelmenroman: Der naive Held kommt in die weite Welt, versteht sie nur begrenzt, versucht sich durchzuschlagen und dabei selbst zu finden. Es gibt manche Moment in dem Buch, wo Erik als Ich-Erzähler mit grandioser Naivität durchs Leben stolpert, und das sind die Stellen des Romans, die am besten gelungen sind. Ansonsten wird hier kein literarisches Feuerwerk abgebrannt. Das Buch ist chronologisch ohne Perspektivenwechsel erzählt und bleibt damit über weite Strecken ein durch fiktive Elemente angereicherter authentischer Erfahrungsbericht. Und das ist letztendlich so auch in Ordnung.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. „Wie ich einmal fast berühmt wurde“ ist ein Buch über den Traum von Jugendlichen, berühmt werden zu wollen. Und es erzählt davon, dass der Traum eine Mär ist. Erik, das Alter Ego von Tobias Elsäßer, merkt jedenfalls, je länger er in den Klauen der Popbranche gefangen ist, wie hohl und menschenverachtend hier alles abläuft. Alles in allem ist „Wie ich einmal fast berühmt wurde“ damit auch ein Entwicklungsroman, ein Roman, der sehr authentisch, wenn auch in manchem fiktiv, den Entwicklungsschritt nacherzählt, den Tobias Elsäßer wohl selbst gemacht hat.

Am besten hat mir das Buch immer gefallen, wenn dessen Ton ironische und schelmenhafte Elemente hatte – da hätte Tobias Elsäßer für meinen Geschmack ruhig noch etwas drauflegen können. Die dann gezeigte Distanz tut dem Buch besonders gut. Doch auch wenn „Wie ich einmal fast berühmt wurde“ nicht immer so daher kommt: Es ist dennoch ein besonderes Buch. Es hat ein Thema, das man so behandelt nicht allzu häufig findet – nämlich mit einer interessanten Mischung: einerseits der Unbedarfheit in der Erzählweise des Protagonisten, andererseits mit der wohltuenden Distanz des Jahre später erzählenden Autors. Und damit ist Tobias Elsäßers neuer Jugendroman durchaus eine Empfehlung wert!

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(Ulf Cronenberg, 11.04.2013)

P. S.: Schönes Cover! Doch leider passt es nicht so ganz zu dem Buch – denn eine E-Gitarre umgehängt hat in der Boygroup niemand …

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