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Buchbesprechung: Craig Silvey „Wer hat Angst vor Jasper Jones?“

Cover Craig SilveyLesealter 14+(Rowohlt-Verlag 2012, 406 Seiten)

Der Jugendroman „Wer hat Angst vor Jasper Jones?“ des Australiers Craig Silvey liegt schon längere Zeit auf meinem Lesestapel, auch wenn das Buch offiziell erst vor einem guten Monat veröffentlicht wurde. Beim Rowohlt-Verlag ist er in diesem Herbst einer der Schwerpunkttitel, weswegen er schon früher verschickt wurde … Ich bekomme ja eher selten Mails von Leuten, die mir Bücher empfehlen (am ehesten von unbekannten Autoren, die für ihr Buch werben); über Craig Silveys Jugendroman habe ich jedoch von mehreren Leuten vorab Gutes gehört. Und nun bin ich endlich dazu gekommen, ihn zu lesen.

Inhalt:

Ein Kleinstädtchen in Australien während der 60-er Jahre zur Zeit des Vietnam-Krieges. Charlie führt ein eher beschauliches Leben, auch wenn er von anderen immer wieder schikaniert wird. Doch plötzlich wird Charlie in eine unerwartete Sache, die ihn überfordert, mit hineingezogen: Eines Abends klopft es an seinem Fenster, und Jasper Jones, ein Junge, der von allen gemieden wird, bittet ihn, ihm zu helfen. Charlie ist überrascht, will die Bitte aber nicht ausschlagen und schlüpft aus dem Fenster. Jasper führt Charlie an einen geheimen Ort in der Nähe eines Tümpels, und dort sieht Charlie etwas Schockierendes.

An einem Baumast aufgeknüpft hängt ein totes Mädchen, das er sogleich identifiziert: Es handelt sich um Laura Wishart. Jasper verlangt von Charlie etwas Undenkbares: Charlie soll ihm helfen, das Mädchen vom Baum abzumachen und dann im Tümpel zu versenken. Zunächst denkt Charlie, Jasper könnte Laura umgebracht haben, doch dieser versichert glaubhaft, dass er es nicht gewesen sei. Allerdings befürchtet Jasper, dass ihm der Mord angehängt werden könnte, denn es ist sein geheimer Platz, an dem sich die Leiche befindet; und für die Menschen von Corrigan ist Jasper Jones eine zwielichtige Gestalt, der sie nur zu gerne einen Mord anhängen würden. Aus diesem Grund kann Jasper Laura auch nicht an dem Baum hängen, sondern muss die Leiche verschwinden lassen.

Charlie beschließt, Jasper zu helfen, auch wenn ihm das eigentlich unmöglich erscheint. Sie versenken die Leiche schließlich mit einem Stein beschwert im Tümpel, und Charlie weiß die nächsten Tage nicht, wie er damit umgehen soll. Die Polizei schickt, als sie bemerkt, dass Laura Wishart vermisst wird, Suchtrupps los, und Charlie befürchtet, dass er mit Jasper für die Tat verantwortlich gemacht werden könnte, sollten sie die Leiche finden. Charlie lebt in ständiger Angst, die für ihn immer bedrohlicher wird, zumal er in Lauras Schwester Eliza verliebt ist und sich mit ihr anfreundet. Der Ausweg für ihn und Jasper ist, dass sie selbst nach dem Mörder suchen, und eine heiße Spur haben sie auch schon …

Bewertung:

Die Inhaltszusammenfassung klingt, als wäre „Wer hat Angst vor Jasper Jones?“ (Übersetzung: Bettina Münch) ein Jugendkrimi – doch damit wird man dem Buch keinesfalls gerecht. Craig Silveys Jugendroman ist viel mehr als das: das Sittenbild einer unruhigen und aufgepeitschten Zeit, in der die Gesellschaft Australiens aus den Fugen geraten ist. Das wird z. B. deutlich, als Jugendliche den Vater von Charlies bestem Freund Jeffrey, einem Vietnamesen, vor dessen Haus angreifen, ihn diffamieren und bloßzustellen versuchen. Immerhin wird Jeffreys Vater geholfen: von Charlies sonst eher ruhigem Vater wie von anderen Nachbarn.

Die explosive Stimmung, die in der Gesellschaft herrscht, wird nicht nur an dieser Stelle des Buches deutlich – auch sonst ist einiges im Argen. So wird z. B. Jeffrey selbst immer wieder von Mitschülern schikaniert. Und sie macht auch nicht vor Charlies Familie halt. Seine Mutter ist eine unzufriedene Frau, die ihrem Sohn gegenüber wie ein Diktator auftritt und an ihm recht heftig ihren Frust ablässt, als Charlie nachts wieder einmal aus dem Fenster gestiegen ist, um Jasper zu treffen.

Von dem schaurigen Anfang des Buches, als Charlie und Jasper Lauraus Leiche versenken, abgesehen, plätschert das Buch allerdings erst mal ein wenig dahin – und das hat mich ab und zu etwas gestört. Wohlwollend gemeint könnte man das so interpretieren, dass Charlie die gefährliche Lage, in der er durch das Versenken der Leiche steckt, erst einmal zu verdrängen versucht. In dem Buch geht es auf diesen ersten 150 Seiten jedenfalls vor allem um Charlies Freundschaft zu Jeffrey und die beginnende Beziehung mit Eliza. Auch dieser Teil des Buches hat immer wieder seinen Reiz, denn die Dialoge zwischen Jeffrey und Charlie, die beide kein Blatt vor den Mund nehmen und bei denen jeder den anderen blöd anredet, sind durchaus amüsant. Dennoch, dieser Abschnitt des Buches ist ein wenig zu lang geraten, finde ich.

Es hat ein bisschen gedauert, bis mich „Wer hat Angst vor Jasper Jones?“ so richtig gepackt hat. Nach gut der Hälfte des Buches rückt endlich der Tod von Laura Wishart wieder ins Zentrum, und dann kann man sich von dem Buch auch nicht mehr losreißen. Am Ende weiß man natürlich, was es mit dem Tod um Laura Wishart auf sich hat, und letztendlich kommt alles anders als gedacht. Dass Craig Silveys Buch vorhersehbar ist, kann man ihm nicht vorwerfen. Und das ist letztendlich gut so.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. „Wer hat Angst vor Jasper Jones?“ ist ein vielschichtiges Buch, das viele Themen hat: vordergründig den Plot um den Tod von Laura Wishart, aber darüber hinaus einiges mehr. Es erzählt davon, wie ein Junge von einer Krisensituation gebeutelt dazu gezwungen wird, vieles im Leben anders zu sehen. Charlie lernt im Laufe des Buches die Brüchigkeit der Gesellschaft, die Halt- und Hilflosigkeit Erwachsener kennen und reift daran. Craig Silveys Buch ist also auch ein Roman, der das Erwachsenwerden thematisiert, ein Buch, das davon erzählt, wie ein Junge seine Naivität und Unbekümmertheit verliert.

Das alles ist für den Leser durchaus spannend, und es sind nur ein paar Kleinigkeiten, die meine Begeisterung für das Buch ein wenig gedämpft haben. Deutschen Lesern bleiben die immer wieder vorhandenen Ausführungen über Cricket (da hilft auch das Fachwort-Glossar am Ende des Buches nicht wirklich) sicherlich etwas fremd, und nach dem verstörenden Einstieg kommt eine etwas zu lange Durststrecke, in der sich das Buch ein wenig verliert. Doch davon abgesehen ist Craig Silvey wirklich ein großes Buch gelungen, ein Entwicklungsroman, der es in sich hat.

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(Ulf Cronenberg, 20.10.2012)

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