(Schwarzkopf & Schwarzkopf-Verlag 2012, 212 Seiten)
Heike Eva Schmidt ist ein neuer Name im Jugendbuchmetier. Seltsamerweise sind in den letzten fünf Monaten gleich drei Bücher der Autorin erschienen – noch dazu bei drei unterschiedlichen Verlagen: „Purpurmond“, „Schlehenherz“ und „Amerika liegt im Osten“, dessen Inhaltszusammenfassung für mich am reizvollsten klang und das ich mir von daher anschauen wollte. Die Geschichte eines Mädchens, das statt in Amerika mit den Urgroßeltern in Tschechien strandet, klang interessant.
Inhalt:
Motte ist 17 Jahre und unsterblich in Lukas, den alle nur Laser nennen, verliebt. Doch damit ist sie nicht allein. Laser ist der Schwarm so gut wie aller Mädchen an der Schule, und auch die Lehrer halten viel von ihm. Etwas Geheimnisvolles umgibt ihn, weil sein Vater Stuntman in Hollywood ist.
Auf einer Schulparty wird Motte jedoch Zeuge, wie Laser ihren Klassenkameraden Pavel, der aus Tschechien stammt und der immer wieder von anderen verspottet wird, grundlos zusammenschlägt. Motte meint, dass sie den Grund für Lasers Wutausbruch vielleicht nicht mitbekommen hat. Als Lehrer dazwischen gehen, ist es jedenfalls Pavel, der mit Sanktionen rechnen muss und eventuell von der Schule fliegen soll. Zu Hause stellt Motte fest, dass sie aus Versehen die Szene mit dem Handy gefilmt hat, und darauf sieht es nicht so aus, als wäre der Streit von Pavel ausgegangen.
Seltsamerweise interessiert sich Laser in den nächsten Tagen für Motte und verabredet sich mit ihr. Die leisen Zweifel, dass das an dem Video liegt, schiebt das Mädchen beiseite. Als Motte nach einem aufregenden Date mit Laser mitbekommt, dass dieser in den bevorstehenden Ferien nach Kalifornien reisen wird, setzt Motte sich in den Kopf, auch dorthin zu fahren. Das Geld dafür verspricht ihr schließlich ihr Urgroßvater, wenn sie ihn und seine Frau auf einem Kurztrip nach Tschechien begleitet. Dort hofft der Urgroßvater, indem er an den Herkunfsort seiner Frau fährt, deren beginnende Demenz stoppen zu können. Doch auf der Reise nach Tschechien gibt es einige Komplikationen, und Mottes Flug in die USA scheint gefährdet.
Bewertung:
Mal ganz ehrlich: Die ersten 80 Seiten habe ich gedacht, im falschen Buch gelandet zu sein. Dass Schwarzkopf & Schwarzkopf das Buch in seinem Label „Herzklopfen und so“ veröffentlicht hat, hätte mich doch etwas stutzig machen sollen. Die naive Schwärmerei Mottes für Laser war wirklich unerträglich, zumal es genug Anzeichen dafür gibt, dass dieser eigentlich ein eingebildeter Idiot ist. Jugendbücher dürfen natürlich solche Schwärmereien darstellen – aber sollten gute Jugendromane nicht etwas mehr kritische Distanz dazu wahren? Bei „Amerika liegt im Osten“ jedenfalls fühlte ich mich viel zu lange in einen Kitschroman versetzt, und ich war kurz davor, das Buch in die Ecke zu legen und mir die restlichen Seiten zu ersparen.
Dann habe ich doch noch ein bisschen weiter gelesen, und Heike Eva Schmidts Geschichte hat sich gerade noch rechtzeitig gewandelt. Als der schrullige Uropa von Motte, den das Mädchen Ice H. nennt, möchte, dass es ihn und seine demente Frau nach Tschechien begleitet, ändert sich einiges. Laser wird nur noch zur Randfigur, von dem Motte manchmal träumt. Stattdessen geht es darum, dass Motte und ihre Urgroßeltern in Tschechien mit einer Reihe unterwarteter Entdeckungen konfrontiert werden.
„Amerika liegt im Osten“ ist ab dem Moment ganz Roadmovie: Die Uroma wird filmreif aus dem Altersheim gekapert, Motte darf mit ihren 17 Jahren eigentlich nur in Begleitung ihrer Mutter Auto fahren, was irgendwann natürlich schiefgehen muss. Und Ice H., der schrullige Uropa, den Motte wegen seiner Knöchernheit bis dahin nicht ausstehen konnte, zeigt auf der Reise durchaus sympathische Züge.
Die Fahrt nach Tschechien endet natürlich anders, als alle sich das vorgestellt haben. Motte und ihre Urgroßeltern erreichen zwar den Ort, in dem die Uroma aufgewachsen ist, erfahren dort jedoch, dass ihr in ihrer Jugend Schlimmes passiert ist – und davon wusste niemand etwas.
Und am Ende? Ist Motte natürlich geläutert, erkennt, dass Laser ein Aufschneider ist, schafft es außerdem, dass Pavel nicht von der Schule fliegt. Ist das etwas durchsichtig? Ja, in Bezug auf den Ausgang des Buchs schon – doch in den Details gottseidank nicht.
Fazit:
2-einhalb von 5 Punkten. Die Herzklopf-Episode des Buchs ist schier unerträglich. Da trieft es vor Kitsch und rosaroten Verliebtheitsgedanken, wie sie in einem guten Jugendroman nicht vorkommen sollten. Ist das dem Label, in dem das Buch erschienen ist, geschuldet? So nach dem Motto: „Wir müssen dem Buch noch etwas Liebesgeschichte spendieren, damit wir es vermarkten können“? Als Motte schließlich mit den Urgroßeltern aufbricht, ist „Amerika liegt im Osten“ jedenfalls ein ganz anderes Buch und erfüllt endlich, was ich mir davon versprochen habe: ein ungewöhnliches Roadmovie-Buch, das in die Tschechei führt.
Auch in der Tschechei, wo Motte und ihre Urgroßeltern der Vergangenheit der Uroma begegnen, sind in dem Buch kleine Trivialelemente zu finden – aber zugleich wagt sich Heike Eva Schmidt hier an ein heikles Thema heran und schafft es, dieses für Jugendliche gut verpackt zu behandeln: die Gräueltaten der russischen Armee während des Zweiten Weltkriegs. Dennoch: Angesichts der ersten 80 Seiten kann man „Amerika liegt im Osten“ nur bedingt empfehlen.
(Ulf Cronenberg, 25.04.2012)
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