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Buchbesprechung: Tamara Bach „Was vom Sommer übrig ist“

Cover Tamara BachLesealter 14+(Carlsen-Verlag 2012, 137 Seiten)

Fast fünf Jahre ist es her, dass Tamara Bach ihr letztes Buch veröffentlicht hat. „Jetzt ist hier“ war ein beeindruckender Jugendroman, mit dem Vorgängerbuch „Marsmädchen“, ihrem Debütroman, hatte Tamara Bach sogar gleich den Deutschen Jugendliteraturpreis 2004 eingeheimst. Keine schlechte Bilanz … Von daher war es etwas seltsam, dass es so lange so still um die in Limburg geborene, inzwischen in Berlin lebende Autorin war. Aber nun ist Tamara Bach zurück und mit „Was vom Sommer übrig ist“ zum Carlsen-Verlag gewechselt.

Inhalt:

Zwei unterschiedliche Mädchen während eines heißen Sommers: Jana ist gerade 13 Jahre alt geworden, Louise geht in die 11. Klasse, ist 17 und macht kurz vor ihrem 18. Geburtstag Führerschein. Die Sommerferien beginnen – für beide aus unterschiedlichen Gründen nicht nur eine schöne Zeit.

Janas Bruder Tom hat einen Selbstmordversuch unternommmen, ist von der Brücke gesprungen und liegt seitdem im Koma im Krankenhaus. Janas Eltern vernachlässigen infolgedessen ihre Tochter, bekommen nicht mal mit, dass sie Geburtstag hat. Und so stromert das Mädchen tags und nachts durch die Stadt und quatscht dabei auch Louise an.

Louise, die von ihren arbeitenden und um sich selbst kreisenden Eltern auch nicht gerade viel zu sehen bekommt, hat sich mit Ferienjobs etwas übernommen. Für einen Freund, der weggefahren ist, trägt sie am frühen Morgen Zeitungen aus, danach arbeitet sie als Verkäuferin in einer Bäckerei. Dass ihre Oma ihr auch noch aufgedrückt hat, sich um deren Hund zu kümmern, damit sie selbst in den Urlaub fahren kann, passt da alles andere als gut.

Von Jana ist Louise anfangs etwas irritiert. Sie findet das junge Mädchen aufdringlich und lästig, sie will mit ihr nichts zu tun haben. Doch Jana ist hartnäckig, und irgendwie freunden sich die beiden dann doch an.

Bewertung:

Eine ganz einfache Lektüre, die alle Leser von Anfang an in ihren Bann zieht, ist Tamara Bachs „Was vom Sommer übrig ist“ ganz sicher nicht – und das hat unterschiedliche Gründe. Das Buch, das eher harmlos, fast etwas dröge beginnt, wird – zumindest ging das mir so – erst mit zunehmender Dauer besser. Als Jana und Louise sich anfreunden und gemeinsam unterwegs sind, bekommt die Story das Tempo, das ich vorher etwas vermisst habe. Voher ist vieles eher Seelen- und Zustandsbeschreibung, Fäden werden lose ausgelegt und erst später zusammengefügt.

Wer sich von „Was vom Sommer übrig ist“ von Anfang an infizieren lässt, der muss Tamara Bachs Sprache mögen, und die Autorin hat auf jeden Fall einen ganz eigenen Stil. Er ist durchaus immer wieder sperrig, zugleich aber auch wortgewandt. Erzählt wird das Buch aus zwei Perspektiven, die in jedem Kapitel wechseln. Anfangs ist es vor allem Louise, der man als Leser folgt, später wird auch Jana zunehmend in den Blick genommen.

Assoziativ kann man Tamara Bachs Schreibstil nennen; man findet auf fast jeder Seite Gedankensprünge, Sätze sind unvollständig, es fehlen Artikel etc. Letztendlich geht das in Richtung Bewusstseinstrom. Relativ ungefiltert werden die Stimmungen, Gefühle und Gedanken von Louise und Jana wiedergegeben, und das, was im Buch passiert, muss man sich ab und zu indirekt erschließen. Nur die Gespräche – hauptsächlich zwischen Jana und Louise – durchbrechen immer wieder die assoziative Schreibweise.

„Da vorn nächstes gelbes Schild, Vorort, gehört zur Stadt, ist aber schon nicht mehr Stadtstadt. Ist Provinz. Will man nicht wohnen.“ (S. 48)

So beschreibt Louise z. B. eine ihrer Fahrstunden. Nicht jeder wird diesen Schreibstil mögen; doch er hat durchaus seinen Reiz – und eine persönliche Note. Tamara Bach traut sich, anders als die meisten Jugendbuchautoren zu schreiben. Sie pfeift dabei manchmal auf Rechtschreib- und Satzbaukonventionen – aber genau das macht auch das Besondere des Buches aus.

Je näher man dem Ende kommt, desto packender wird „Was vom Sommer übrig ist“. Louise, der ihr anvertraute Hund und Jana machen sich mit dem Auto der Oma auf, um ziellos aus der Stadt zu fahren. Und dann endlich kann auch die Freundschaft zwischen beiden beginnen, weil sie ehrlich miteinander zu reden beginnen: Louise erfährt vom Selbstmordversuch Janas Bruders, nimmt das jüngere Mädchen ernst und lässt sich auf es ein.

Am Ende, als beide nach Hause zurückgekommen sind, hilft Louise Jana über eine schwierige Zeit. Hier fährt Tamara Bach noch einmal ihr gesamtes stilistisches Können auf, als die beiden sich kurze Nachrichten schreiben. Wo vorher Argwohn war, ist Besorgnis und Zuneigung an dessen Stelle getreten und hat eine ungewöhnliche Freundschaft begonnen. Ein Happy End? Nein, so einfach ist es nicht …

Fazit:

5 von 5 Punkten. Länger habe ich überlegt, ob ich dem Buch wegen des etwas lahmen Einstiegs nicht die volle Punktzahl geben soll, aber beim Schreiben der Buchbesprechung habe ich noch einmal gemerkt, dass mich „Was vom Sommer übrig ist“ ziemlich beeindruckt hat – auch wenn ich anfangs etwas Mühe hatte, in die Geschichte hineinzufinden. Das Großartige an diesem Buch ist neben der Sprache die Art und Weise, wie die Krisenzeit eines Mädchens nach dem Selbstmordversuch ihres Bruders dargestellt wird. Jana findet in Louise so etwas wie eine große Schwester, die ihr am Ende über die Zeit hilft und beisteht.

An Tamara Bachs Buch gefällt mir außerdem, dass es sprachlich ausgetrampelte Pfade verlässt. Das mag manchen jugendlichen Leser irritieren, auch dazu verleiten, das Buch nach 20 Seiten in die Ecke zu pfeffern – aber wer Sprache als Ausdrucksform zu schätzen weiß, der wird „Was vom Sommer übrig ist“ mögen. Tendenziell werden sich wohl eher Mädchen als Jungen sich mit diesem Buch anfreunden können – so ist es leider.

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(Ulf Cronenberg, 15.04.2012)

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Kommentare (4)

  1. Bedia Möller

    Den Bericht finde ich sehr gelungen. Ich habe das Buch auch schon gelesen, und kann dir überall nur zustimmen! Weiter so!

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  2. Birgit

    Wow, sehr schönes Buch für die Ferien / für den Urlaub. Mir gefällt der Schreibstil von Tamara Bach sehr gut, er ist so locker und leicht – auch wenn die Geschichte nicht immer „leicht“ ist …

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