(Aufbau-Verlag 2011, 220 Seiten)
Das wird wahrscheinlich die kürzeste Buchbesprechung seit langem … Warum? Nun, es gibt Bücher, über die man in einer Rezension zu viel verraten kann, und demjenigen, der sich dann entschließt, das Buch zu lesen, wird damit der unvoreingenommene Lesegenuss genommen. „Bye Bye, Crazy Chick!“ von Joe Schreiber ist so ein Buch. Anfangs plätschert es etwas dahin, doch dann geht es richtig zur Sache. Den Überraschungsmoment, als das Buch packend wird, sollte man einfach niemandem nehmen. Also folgt hier eine Kurzrezension im besten Sinne des Wortes; und ich erzähle auch nur etwas über den Beginn des Romans.
Perry wird bald aufs College gehen, wo er wie sein höchst erfolgreicher Vater Jura studieren will. Seit einiger Zeit wohnt bei Perrys Familie eine litauische Austauschschülerin, die wegen ihres komplizierten Namens von allen nur Gobi genannt wird. Wie wohl alle Jungen hatte sich Perry ein attraktives Mädchen, das ihm zu Füßen liegt, als Gast erhofft. Doch Gobi ist alles andere als das: schweigsam, zurückhaltend, nicht gerade modisch gekleidet und sich immer hinter einer dicken Hornbrille versteckend.
Ausgerechnet an einem für ihn wichtigen Abend – Perrys Band hat einen Auftritt in New York, bei dem auch Talentscouts anwesend sein sollen – muss Perry Gobi zum Abschlussball ausführen. Seine Eltern bestehen darauf, da das Mädchen in einer Woche wieder in seine Heimat zurückkehren wird. Weil er sich nicht gegen seine Eltern durchsetzen kann, plant Perry, bis 9 Uhr mit Gobi zum Ball zu gehen und anschließend schnell zum Auftritt zu fahren. Perry ist froh, als Gobi von sich aus schon bald den Ball verlassen will. Doch anstatt nach Hause zu wollen, nötigt sie Perry, ihm New York zu zeigen – obwohl er mit dem teuren Jaguar seines Vaters dort eigentlich nicht hinfahren darf. Doch dann läuft an dem Abend alles ganz anders …
Mein Glück war, dass ich Buchumschläge vorher meist nicht lese … Bei „Bye Bye, Crazy Chick!“ (Übersetzung: Anke Caroline Burger) kann ich das nur weiterempfehlen, denn auf dem Buchrücken wird schon viel zu viel verraten. Joe Schreibers Buch macht am meisten Spaß, wenn man unvoreingenommen daran herangeht und sich überraschen lässt.
Sind Perry und Gobi erst einmal in New York, so liest sich das Buch quasi von selbst. Denn dann wartet eine abgedrehte Geschichte und vor allem viel Spannung auf den Leser. Ja, „Bye Bye, Crazy Chick!“ ist ein Jugendthriller bester Machart: packend und sympathisch zugleich. Zimperlich darf man als Leser dabei nicht sein (dafür ist die Geschichte zu heftig) – aber irgendwie schafft es Joe Schreiber trotzdem, allem immer auch eine gewissen Portion Distanz mitzugeben.
So weit, so gut! Doch es gibt einen großen Schönheitsfehler an dem Buch: Die Idee für den Roman ist schlichtweg geklaut – und zwar von einem Film. Michael Manns genialer Thriller „Collateral“ mit Tom Cruise (wer sich die Überraschung im Plot nicht nehmen lassen will, sollte dem Link zum Wikipediartikel nicht folgen!) ist dem Buch von der Anlage des Story so ähnlich, dass man „Bye Bye, Crazy Chick!“ eigentlich des Plagiats bezichtigen muss. Was Joe Schreiber da gemacht hat, ist, dass er einen Film in ein Jugendbuch umgewandelt und nur die Figuren sowie die Rahmenhandlung ausgetauscht hat. Ansonsten erinnert wirklich alles ziemlich stark an das Filmvorbild.
Fazit:
4 von 5 Punkten. Wie soll man dieses Buch bewerten? Nimmt man es für sich alleine, so ist es große Klasse. „Bye Bye, Crazy Chick!“ ist ein packender Jugendthriller, gut geschrieben, gekonnt ausgeführt. Kennt man wie ich jedoch den Film „Collateral“, so liest man Joe Schreibers Buch noch immer mit Begeisterung und kann sich der Geschichte nicht entziehen, doch zugleich kommt man nicht darum herum, es dreist zu finden, wie sich ein Autor bei einer anderen Vorlage bedient hat. Der eine Punkt Abzug hierfür ist gnädig, lässt sich aber damit begründen, dass mir „Bye Bye, Crazy Chick!“ einfach trotzdem beim Lesen viel Spaß bereitet hat.
Für Thriller-Fans, die die Filmvorlage nicht kennen, kann man nur sagen: Lest dieses Buch. Schaut euch hinterher den Film mit Tom Cruise an (FSK 16!) und genießt dabei vor allem die herausragenden Filmbilder von „Collateral“, in denen Los Angeles bei Nacht so faszinierend wie in kaum einem anderen Film festgehalten wird.
Jetzt ist die Rezension doch etwas länger geworden – aber immerhin habe ich Wort gehalten und nicht zu viel über den Plot des Romans verraten. Wer den Buchumschlag oder den Wikipedia-Artikel über „Collateral“ liest, ist selbst Schuld.
(Ulf Cronenberg, 12.10.2011)
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Ordentliche Rezension, aber „Collateral“ spielt in L.A.
Oh ja, das stimmt. Ich habe es ausgebessert! Danke!