(rororo rotfuchs 2011, 251 Seiten)
Was man da auf dem Buchcover sieht, ist nicht die dampfende Erde eines Vulkans, sondern sind Müllberge, auf denen zwei Jungen nach verwertbaren Gegenständen suchen. Viele Kinder und Jugendliche in den Entwicklungsländern leben davon, Mülldeponien zu durchwühlen und gefundene Dinge zu verkaufen.
Andy Mulligans Jugendroman „Trash“ handelt von drei Jungen, die unter solch schlimmen Umständen über die Runden zu kommen versuchen, und die Drei werden in ein gefährliches Abenteuer hineingezogen.
Inhalt:
Raphael und Gardo leben davon, Müll auf einer Deponie im Slum Behala zu sammeln. Eines Tages findet Raphael etwas höchst Ungewöhnliches: eine schicke Handtasche, die 1100 Pesos, einen Brief sowie einen Schlüssel enthält. Für die beiden Jungen ist das ein Glücksfund, auch wenn sie zunächst mit dem Schlüssel und dem Brief nichts anzufangen wissen.
Doch dann taucht noch am selben Tag eine große Mannschaft von Polizisten in Behala auf. Sie wollen die Bewohner Behalas zwei Tage dafür bezahlen, in den Müllbergen nach der Handtasche zu suchen, und versprechen dem Finder viel Geld. Doch Raphael misstraut den Versprechungen und verschweigt seinen Fund. Allerdings verplaudert sich seine Tante den Polizisten gegenüber, ohne die Handtasche zu erwähnen, so dass Raphael von diesen ins Polizeirevier geschleppt wird.
Trotz der massiven Drohungen und trotz körperlicher Gewalt beharrt Raphael darauf, keine Handtasche gefunden zu haben und wird schließlich zitternd und mitgenommen wieder freigelassen. Das Verhalten der Polizei verdeutlicht ihm, dass die Tasche etwas Wertvolles enthalten muss. Ein Freund namens Ratte, dem sich Gardo und Raphael anvertrauen, macht ihnen klar, dass der Schlüssel zu einem Schließfach am Bahnhof gehören muss, und dorthin brechen sie zu dritt dann auch auf.
Im Schließfach finden sie eine Geheimbotschaft aus lauter Zahlen. Und langsam dämmert ihnen, dass sie einer großen Spur folgen, denn in allen Zeitungen wird bekannt gegeben, dass dem korrupten Vizepräsidenten des Landes sechs Millionen Dollar gestohlen wurden …
Bewertung:
Laut Buchcover ist Andy Mulligans „Trash“ (Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn) im englischsprachigen Raum begeistert aufgenommen worden. „Herausragend“, meinte The Times, „Unglaublich gut geschrieben“, wird John Boyne, der Autor von „Der Junge im gestreiften Pyjama“ und „Der Schiffsjunge“ zitiert. Das ist ganz schön viel Vorablob für ein Buch.
„Trash“ wird von verschiedenen Personen rückblickend erzählt – im Wesentlichen von den drei Jungen Raphael, Gardo und Ratte, aber auch von weiteren Figuren, die am Rande etwas mit dem Geschehen zu tun hatten. Zu Beginn jeden Kapitels wird immer erwähnt, wer nun der Erzähler ist. Die Geschichte der Jagd nach den sechs Millionen Dollar wird auf diese Art und Weise lebendig erzählt, auch wenn manches etwas hölzern wirkt. Aber letztendlich ist es vielleicht gerade das, was die Geschichte dreier Slum-Jungen authentisch wirken lässt.
Die Stadt, in der sich die Geschichte zuträgt, wird nicht genannt – wahrscheinlich ist sie ein fiktiver Ort, der jedoch in Indien oder in Südostasien liegen könnte. Den Hintergrund für die Geschichte bildet jedenfalls ein Land, in dem sich Politiker unrechtmäßig bereichern, während andere wie Raphael, Gardo und Ratte unter dem Existenzminimum in Slums leben. Eine Art Kriminalgeschichte hier spielen zu lassen, ist eine sympathische Idee. Als Leser wird man in eine ganz andere Welt entführt und lernt ganz nebenbei auch einiges über die Zustände in Entwicklungsländern.
Spannend ist „Trash“ in jedem Fall. Raphael, Gardo und Ratte spielen Detektive und schweben dabei in höchster Gefahr, denn die Polizei ist ihnen auf der Spur. Wie die Drei dabei immer wieder ihren Kopf aus der Schlinge ziehen, Mut beweisen und nicht aufgeben, obwohl sie große Angst haben, ist nicht nur beeindruckend, sondern auch unterhaltsam zu lesen.
Am besten hat mir der Schluss des Buches gefallen. Das ist nicht nur ein Happy End, sondern drei Slum-Jungen gelingt es, die politischen Zustände eines Entwicklungslandes ein wenig auf den Kopf zu stellen. Das ist zwar zu schön, um wahr zu sein, aber trotzdem äußerst sympathisch.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. Vielleicht hat John Boyne doch etwas übertrieben, wenn er „Trash“ als „unglaublich gut geschrieben“ bezeichnet, denn ich würde die Geschichte zwar als gelungen bezeichnen, finde den Schreibstil aber nicht unbedingt etwas Besonderes. Doch festhalten muss man, dass Andy Mulligans Buch Leser ab 11 Jahren begeistern dürfte. „Trash“ ist eine Dektiv-, Kriminal- und Abenteuergeschichte, die stimmig und packend ist. Den Reiz macht dabei insbesondere aus, dass der Roman in einem Dritte-Welt-Land spielt.
Was man Andy Mulligan außerdem zugutehalten muss, ist, dass er die Art, wie Gewalt dargestellt wird, stets an jugendlichen Lesern ausgerichtet hat. Schlaflose Nächte, obwohl Raphael, Gardo und Ratte Schlimmes widerfährt, bekommt man davon nicht – und das obwohl den Dreien übel mitgespielt wird.
(Ulf Cronenberg, 29.09.2011)
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Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass der Roman in Südamerika spielt?
Immerhin ist der Peso nur in Argentinien, Kolumbien, Chile, Kuba, Mexiko, Uruguay, den Philippinen und der Dominikanischen Republik Zahlungsmittel und in Indien eher Rupien/Paise. Außerdem ist Raphael ursprünglich ein spanischer Name und das Leben und Arbeiten von Kindern auf Mülldeponien kommt auch in Südamerika vor.
Da hast du vielleicht wirklich recht. Das kann gut sein.
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Ich kenne dieses Buch nicht, aber ich habe es soeben meiner Mutter für meinen 11jährigen Bruder empfohlen! Kennt ihr vielleicht noch Bücher, die für diese Altersgruppe passen? Mein Bruder hat überhaupt keine Lust zu lesen. Ich bräuchte ein Actionbuch, das leicht zu verstehen ist, aber trotzdem Spannung verspricht. Auf eure Antworten für ihn würde ich mich freuen. Danke!
Nur ein paar Tipps:
– Mal Peet “Keeper”
– Victor Caspak & Yves Lanois “Die Kurzhosengang”
– die Artemis-Fowl-Bücher von Eoin Colfer
– Watt Key “Alabama Moon”
– Eoin Colfer “Fletcher Moon – Privatdetektiv”
– die „Bartimäus“-Bücher von Jonathan Stroud
Zu allen findest du hier auch Besprechungen (schau einfach über das Suchfeld).
Gruß, Ulf
Es spielt auf den Philippinen!
Kann gut sein, aber ich glaube nicht, dass es im Buch steht … Woher weißt du das?
Um die Frage zu beantworten: Der Autor lebt in Manila. Und die Müllberge dort dienten ihm als Inspiration. Aber sonst gibt es kein Indiz auf die Philippinen. Ich habe das Buch in meinen Gedanken auch in Südamerika angesiedelt. Ich dachte immer an Dom Erwin Kräutler.
Ich finde das Buch sehr gelungen konstruiert und erzählt. Dieser dokumentarische Stil macht es sehr plastisch. Ein Politkrimi über Korruption, Machtmissbrauch und Aufbegehren. Wenn am Cover „ein riesiges Abenteuer“ steht, dann stimmt das wohl, aber es klingt so reißerisch und lustig. Nein, lustig ist das Buch überhaupt nicht. Es ist spannend und todernst. Mit Botschaft.
Dadurch, dass das Buch wie ein „Dokumentarfilm“ geschrieben ist, ist es ziemlich ernüchternd, in der Danksagung des Autors zu lesen „Die Figuren und die Handlung sind natürlich erfunden“.
Ich gebe den Buch 5 Punkte. Mich hat es gefesselt und das Thema hat mich fasziniert.
Es spielt in der Nähe von Manila, das steht im Buch. Ich hab mir alles Wichtige rausgeschrieben (u. a. das), was ich für mein Buchreferat brauche … 🙂
Es spielt auf jeden Fall in Rio, Brasilien, weil z. B. schon auf dem Cover des Buches diese berühmte Statue aus Rio (Christo Redentor) abgebildet ist! Im Trailer des Films sprechen die jungen Schauspieler auch portugiesisch … Das sagt eigentlich schon alles.
Im Film spielt es in Rio, im Buch in Manila (ich lese es gerade) …