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Buchbesprechung: Timothée de Fombelle „Vango – Zwischen Himmel und Erde“

Cover Timothée de FombelleLesealter 12+(Gerstenberg-Verlag 2011, 390 Seiten)

Das Buchcover von Timothée de Fombelles neuestem Buch sieht so richtig nach Abenteuer aus: Vulkane, der Eiffelturm, ein Zeppelin und ein Junge an einem Kletterseil sind zu sehen. Ja, und ein Abenteuerbuch ist „Vango – Zwischen Himmel und Erde“ zweifelsohne auch – aber dazu später mehr.

In Frankreich erscheint Anfang Oktober diesen Jahres bereits Band 2 von „Vango“ – in Deutschland müssen wir wohl noch ein Jahr länger darauf warten. Ob man sich auf die Fortsetzung der Geschichte freuen darf, erfahrt ihr weiter unten …

Inhalt:

Vango ist ein Junge, der bezüglich seiner Herkunft völlig im Dunklen tappt. Mit seiner Kinderfrau zusammen wurde er einige Jahre zuvor völlig erschöpft auf der liparischen Insel Salina angespült, an seine Eltern und sein früheres Leben kann er sich nicht mehr erinnern. Die Kinderfrau kümmert sich um den Jungen, aber über seine Herkunft lässt auch sie nichts verlauten. Vangos Bemühungen, etwas darüber herauszufinden, sind bisher erfolglos geblieben.

Nach einigen Jahren des Herumreisens auf der ganzen Welt will sich Vango schließlich zum Priester weihen lassen. Doch während der Zeremonie auf dem Vorplatz der Kathedrale Notre-Dame in Paris tauchen mehrere Polizisten auf und unterbrechen die Priesterweihe. Sie wollen Vango sprechen, der keine Ahnung davon hat, was die Polizisten von ihm wollen. Doch er bekommt Angst und versucht zu fliehen. Als geübter Kletterer kann er über die Fassade der Kathedrale entkommen.

Damit beginnt die lang dauernde Flucht des Jungen, der schon bald merkt, dass nicht nur die Polizei hinter ihm her ist. Die Polizei wirft ihm vor, dass er einen Priester ermordet hat – doch damit hat er nichts zu tun –, warum ihm jedoch noch weitere Verfolger auf den Fersen sind, bleibt Vango lange ein Rätsel. Er vermutet, dass es etwas mit seiner Herkunft zu tun haben könnte.

An ganz verschiedene Orte in Europa begibt er sich: nach Deutschland, um mit einem Zeppelin, mit dem er schon früher unterwegs war, zu fliehen, nach Schottland oder zurück auf seine Heimatinsel im Mittelmeer. Die Flucht nutzt Vango außerdem dazu, mehr über seine Herkunft und Eltern herauszufinden – doch auch das ist alles andere als einfach …

Bewertung:

Es ist gar nicht so leicht, „Vango – Zwischen Himmel und Erde“ (Übersetzung: Tobias Scheffel und Sabine Grebing) zusammenzufassen, denn der Jugendroman schlägt viele Haken. Zahlreiche Erzählstränge aus der Gegenwart der Erzählung, aber auch aus der Zeit davor werden in dem Buch verfolgt, und dementsprechend dauert es einige Zeit, bis man sich in dem Buch zurechtfindet. Ein kleines Puzzlespiel ist das vor allem anfangs, und als Leser ist man da ganz schön gefordert.

Die kunstvolle Konstruktion des Buches als Zumutung zu bezeichnen, geht allerdings eindeutig am Ziel vorbei. Denn hat man die Erzählfäden ein wenig entwirrt, so entpuppt sich die Geschichte als bravourös erzählter Abenteuerroman, der in der Mitte der 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts spielt. Immer wieder wird etwas Zeitgeschichte eingeflochten, wenn z. B. Stalin oder Hitler als Randfiguren auftauchen. Hugo Eckener, ein Freund von Vango, der in dem Buch als Kommandant des Zeppelins eine wichtige Rolle spielt, hat ebenfalls gelebt. Ob die Schilderungen hier geschichtlich haltbar sind, ist eine Frage, die ich nicht richtig beantworten kann – mir scheint Timothée de Fombelle jedoch eher frei mit der geschichtlichen Wirklichkeit umgegangen zu sein. Ein bisschen fragwürdig – das kann ich mir vorstellen – wird manchem diese Vermengung aus Abenteuerbuch und geschichtlichem Hintergrund erscheinen.

Für jugendliche Leser dürfte das jedoch nebensächlich sein. Denn die von Timothée de Fombelle erzählte Geschichte bietet Spannung, ist gekonnt aufgebaut und hat sympathische Figuren. Nicht nur Vango, sondern ebenso Ethel, die kühne Schottin, in den Vango verliebt ist, versprühen großen Charme und nehmen einen sogleich für sich ein. Beide sind junge Helden, die gekonnt konstruiert sind – und Gleiches gilt für einige andere Figuren aus dem Buch (z. B. den Kommissar aus Paris oder Vangos Kinderfrau).

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Man mag an Band 1 von „Vango“ einiges kritisieren: den geschichtlichen Hintergrund, den man als fragwürdige Kulisse für Vangos großes Abenteuer ansehen kann, oder die vielen Erzählstränge, die insbesondere anfangs verwirrend sein mögen. Doch mir hat das Lesen von Timothée de Fombelles neuem Buch nach kurzen Einstiegsschwierigkeiten beim Lesen zunehmend Spaß bereitet – ja, man könnte sagen, dass ich dem erzählerischen Charme des französischen Autors (und seiner Übersetzer) irgendwann erlegen bin.

Timothée de Fombelle weiß sehr genau, wie man sympathische, aber zugleich geheimnisvolle Figuren erschaft, und er weiß, wie man eine Geschichte nicht linear heruntererzählt, sondern geschickt mit Zeitsprüngen und Ortswechseln einen Spannungsbogen aufbaut. Da steckt – da bin ich mir sicher – einiges an Arbeit drin, aber auch an Können.

Um meine Einleitungsworte wieder aufzunehmen: Ich freue mich auf Band 2 von „Vango“, finde es jedoch schade, dass man hierauf so lange warten muss. Dass die Geschichte nicht abgeschlossen ist, ist eindeutig das, was mich an dem Buch am meisten gestört hat. Aber das ist nun wirklich kein Kritikpunkt, der zählen soll …

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(Ulf Cronenberg, 17.09.2011)

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Kommentare (8)

  1. Klara

    Sehr geehrter Herr Cronenberg,
    erstmal großes Lob, ich bin professionelle Leserin und stöbere immer wieder mit Begeisterung in Ihren Rezensionen. Wurde jetzt von einer befreundeten Lehrerin gebeten, Bücher in ihrer Klasse (Gesamtschule, ich denke 6. Klasse) vorzustellen. Letztes Thema war 3. Reich, jetzt sollen „starke Kinder/Helden/der Einzelne gegen die herrschende Meinung“ die Hauptrolle spielen. Mir schwebt so etwas wie Alabama Moon vor, natürlich auch „Rico“ – „Vango“ fand ich auch großartig, passt aber sicher nicht zur Lesefähigkeit der meisten Kinder. Witz, Abenteuer und Charakter – es fallen mir momentan nur Bücher für Ältere ein … und ich bin nicht sicher, ob ich z. B. mit Büchern aus der Beltz-Biographien-Reihe Leselust wecken kann.
    Würde mich über eine Antwort sehr freuen. Mit herzlichen Grüßen, Klara

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Hallo Klara,
      ein paar Tipps:
      – John Boyne „Der Schiffsjunge“
      – Jan de Leeuw „Roter Schnee auf Thorsteinhalla“ (vor allem auch für Mädchen, aber nicht nur)
      – Ursula Poznanski “Erebos” (gerade für Jungen)
      – Sherman Alexie “Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers”
      – Mikael Engström “Ihr kriegt mich nicht!”
      – Christian Grenier “Dreiundachtzig Gigabyte” (war in meiner 6. Klasse sehr beliebt)
      – Jordan Sonnenblick “Wie ich zum besten Schlagzeuger der Welt wurde – und warum”
      – Terence Blacker “Boy2Girl”
      Das sind zumindest mal die Bücher für 12-Jährige, die mir so einfallen … Sind sicher nicht immer ganz zu dem oben genannten Thema passend. Aber du kannst dir ja mal in den Buchbesprechungen dazu ein Bild machen. Die Biographien sind meist für Sechstklässler nicht leselustweckend, oft einfach eher für ältere Jugendliche geschrieben.
      Viele Grüße, Ulf

      Antworten
  2. Pingback: Jugendbuchtipps.de» Blogarchiv » Buchbesprechung: Timothée de Fombelle „Vango – Prinz ohne Königreich“

  3. Christoph Enzinger

    Da ich viele Theaterstücke lese und auch schon einige Drehbücher gelesen habe, stößt mir der Stil, in dem dieses Buch geschrieben ist, sauer auf: Kurze Hauptsätze, kaum Gliedsätze, wie Regie-Anweisungen, die Settings und Figuren wie in einem James-Bond-Film. Das Buch mag spannend sein, aber „gut“ ist es sicher nicht.

    Antworten
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  5. Pingback: VANGO Zwischen Himmel und Erde | Hesch gwüsst?

  6. Alwin

    Hallo, ich hätte mal eine Bitte: Könnten Sie vielleicht eine Liste der Charaktere und ihre Bedeutung (wer sie sind?) von „Vango – zwischen Himmel und Erde“ schicken? Das wäre sehr nett …
    Liebe Grüße
    Alwin

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg (Beitrag Autor)

      Haha, Alwin, das ist hier doch kein kostenloser Referatsdienst … Der Sinn von Referaten besteht auch darin, dass man sich selbständig mal mit einem Buch auseinandersetzt.

      Antworten

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