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Buchbesprechung: Charles Benoit „Du bist dran!“

Cover Charles BenoitLesealter 14+(cbt 2011, 215 Seiten)

Ein reißerisches Cover, ein reißerischer Titel: „Du bist dran!“. Das Buch des Amerikaners Charles Benoit fällt zumindest auf. Und wenn man dem Klappentext glauben darf, hat das Buch in den USA für Furore gesorgt. Zitiert werden auf dem Buchumschlag Lauren Oliver und Patricia McCormick, zwei nicht gerade unbekannte Jugendbuchautorinnen, Letztere mit dem Satz: „Eines der besten Jugendbücher, die ich je gelesen habe.“ Grundsätzlich misstraue ich solchen Aussagen ja erst einmal – dafür habe ich Ähnliches schon zu oft gelesen und war selbst dann von dem gewürdigten Buch hinterher enttäuscht …

Inhalt:

Kyle ist ein Schüler der Mittelstufe an einer nicht gerade renommierten Highschool, an der das übliche Chaos herrscht. Die Lehrer zeigen sich nicht unbedingt motiviert, und unter den Schüler kommt es immer wieder zu Handgreiflichkeiten. Für die Schule tut Kyle so gut wie nichts, und dementsprechend schlecht sind seine Noten. Schlimmer ist jedoch, dass Kyle immer wieder von anderen übel mitgespielt wird. Gerade von älteren Schülern wird er schikaniert.

Auch zu Hause läuft es nicht gut. Kyles Eltern halten ihren Sohn für einen Versager, der aus seinem Leben nichts macht. Immer wieder haben sie nur Vorwürfe für ihn übrig, nie bekommt er wirklich Unterstützung.

Dann kommt eines Tages ein neuer Schüler an die Schule: Zack ist von einer besseren Schule geflogen. Seltsamerweise geht er immer wieder auf Kyle, der es selbst nicht ganz glauben kann, zu. Ein ziemlich schräger Vogel ist Zack: Er trägt schrille Anziehsachen, scheut sich nicht vor Konflikten mit Lehrern und lässt sich auch sonst von niemandem etwas gefallen. Kyle weiß nicht, was er von Zack halten soll.

Doch weil Zack ihn mehrfach verteidigt und ihm hilft, sich gegen die Angriffe anderer zu wehren, freunden Kyle und Zack sich an. Sogar zu einer Party von Zack wird Kyle eingeladen und ist überrascht, dass dort sogar Mädchen, die sonst nie etwas mit ihm zu tun haben wollen, auf ihn zugehen. Eines der Mädchen warnt ihn jedoch vor Zack …

Bewertung:

Manchmal gibt es Bücher, die ich aus der Hand lege und bei denen ich nicht so recht weiß, wie ich sie bewerten soll. „Du bist dran!“ ist so ein Buch. Zunächst einmal muss man jedoch festhalten, dass Charles Benoits Jugendroman zumindest einen eigenen Stil hat. Der Leser wird nämlich das ganze Buch über direkt angesprochen. Das liest sich dann so:

Das klingt alles ganz toll, aber du weißt, dass es Schwachsinn ist. Du weißt, wohin du willst, und es gibt keine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. (Seite 19)

Nicht, dass diese Du-Anrede etwas ganz Neues ist, aber man findet sie eher selten. Die Wirkung ist klar: Man wird durch die Anrede quasi in die Geschichte hineingezogen und dazu aufgefordert, sich mit Kyle zu identifizieren. Auf den ersten Seiten klingt das etwas aufgesetzt, verliert sich jedoch schnell und zeigt seine Wirkung. Diese direkte Ansprache des Lesers hat durchaus ihren Reiz.

Was mich an „Du bist dran!“ (Übersetzung: Mareike Weber) eher irritiert hat, waren andere Dinge: Auf den ersten Blick bleiben die Figuren blass. Am ehesten kann man sich noch Kyle vorstellen, doch die weiteren Figuren des Romans werden kaum beschrieben. Je mehr ich jedoch darüber nachgedacht habe, umso weniger störend finde ich das, ja, empfinde das sogar als Kunstgriff. Die Leerstellen kann jeder Leser selbst füllen und die Figuren so vor dem eigenen geistigen Auge entstehen lassen.

Ähnlich ging es mir mit dem Schluss des Buches. „Das war es nun?“, war mein erster Gedanke, als ich die letzte Seite gelesen hatte. Das Ende als offen zu bezeichnen, ist eine Untertreibung, es hat bei mir erst einmal eine gewisse Leere hinterlassen … Auf den letzten Buchstaben folgen fünf graue Seiten ohne Text – sicher kein Zufall, und sie standen treffenderweise als Symbol für genau das, was ich in dem Moment gefühlt habe. Trotzdem: Der Schluss des Buches ist zwar raffiniert, bleibt zugleich aber etwas unbefriedigend.

Und dann ist da schließlich noch der Aufbau des Buches. Die Handlung wird immer wieder von Dialogen, Listen und Kurzbegebenheiten unterbrochen. Auch das ist zunächst einmal etwas verstörend, bei genauerem Hinsehen jedoch wieder ein gelungener Kunstgriff, der zeigt, dass „Du bist dran!“ durchaus gekonnt komponiert ist.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Wie bereits gesagt: Ich wusste gestern Abend, als ich „Du bist dran!“ beendet hatte, nicht, was ich von dem Buch halten soll. Doch heute im Laufe des Vormittags und jetzt auch noch mal beim Schreiben der Buchbesprechung ist mir klar geworden, dass Charles Benoit doch einen Jugendroman vorgelegt hat, den ich gut finde. Das Buch ist zunächst einmal sperrig: weil es seine Geschichte nicht linear und auch nicht so wie andere Bücher erzählt, weil es ein seltsames Ende und so viele Leerstellen, die den Leser unbefriedigt zurücklassen, hat. Doch im Nachhall scheint mir Charles Benoit ein besonderes Buch geschrieben zu haben, das sich dem Thema Mobbing auf eine ganz eigene Art und Weise nähert.

„Ein Psychothriller, der den Atem stocken lässt.“ So bewirbt cbt auf der Rückseite das Buch. Das trifft es leider gar nicht, sondern ist Werbe-Blabla von jemandem, der das Buch nicht verstanden hat … „Du bist dran!“ erzählt die Geschichte eines Mobbingopfers eben nicht so, dass einem der Atem wegbleibt, sondern subtil und mit einer seltsamen Distanz, die im Widerspruch zur Du-Ansprache des Lesers steht. Damit lässt das Buch jedoch viel Spielraum zum Nachdenken und zum Diskutieren – und das hat mich letztendlich doch von dem Buch überzeugt.

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(Ulf Cronenberg, 06.09.2011)

Lektüretipp für Lehrer!

In letzter Zeit habe ich den Lektüretipp-Hinweis eher selten verwendet, aber bei „Du bist dran!“ kam mir diese Empfehlung sofort in den Sinn. Das hat unterschiedliche Gründe. Das Thema Mobbing ist zum einen ein für Schüler immer brisantes Thema, das im Unterricht aufgegriffen werden sollte. Charles Benoits Buch setzt sich positiv von manch anderem Buch über Mobbing ab, weil es sich in Bezug auf die Opferrolle Kyles einer allzu großen Bewertung enthält. Zum anderen werden in dem Buch auch andere Themen gestreift (das Verhältnis zu den Eltern, Verliebtsein), die man besprechen und diskutieren kann. Schließlich glaube ich, dass Jugendlichen den Schreibstil mit der Du-Ansprache gefallen wird.

Am ehesten kann man „Du bist dran!“ wohl in einer 9. Klasse als Lektüre verwenden, vielleicht aber auch schon am Ende der 8. Klasse. Deutlich früher aber sicher nicht.

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