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Buchbesprechung: Gayle Forman „Lovesong“

Cover Gayle FormanLesealter 14+(Blanvalet-Verlag 2011, 272 Seiten)

Gayle Formans „Wenn ich bleibe“ war für mich im letzten Jahr eines der überraschendsten Bücher. Das Familiendrama um Mia, deren Familie bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und die selbst mit dem Leben rang, war nicht nur faszinierend geschrieben, sondern hat zugleich eine ungewöhnliche Familie beschrieben. Nun ist der zweite Band der Geschichte über Mia und Adam erschienen, und ich war eher skeptisch, was die Fortsetzung angeht. Aber anschauen musste ich sie mir natürlich trotzdem …

Inhalt:

Adam hat seit fast drei Jahren nichts mehr von Mia gehört, nachdem diese nach New York an eine angesehene Musikhochschule gegangen ist. Er selbst ist inzwischen mit seiner Band Shooting Star groß rausgekommen und spielt in großen Hallen vor tausenden Menschen. Als Kopf der Band laufen ihm die Fans und die Presse ständig hinterher. Doch auch wenn damit ein Wunschtraum von Adam in Erfüllung gegangen ist, er fühlt sich einsam, hat mit Panikattacken zu kämpfen und ist ausgebrannt.

Das Fass kommt zum Überlaufen, als Adam einen Tag vor dem Abflug nach London (wo die Welttournee von Shooting Star startet) von einer Interviewerin nach privaten Details befragt wird. Er rastet aus, sein Manager kann die Wogen jedoch glätten. Damit Adam wieder ein bisschen herunterkommt, soll er sich noch einen freien Tag in New York machen – der Manager von Shooting Star sagt alle Termine Adams ab.

Als Adam durch die Stadt schlendert, sieht er auf einem Plakat Mia, die zufällig am gleichen Abend in der berühmten Carnegie Hall ein Cello-Konzert gibt. Er kann noch eine der wenigen restlichen Karten ergattern, sitzt kurz darauf im Konzertsaal und hört Mia spielen. Adams Verwunderung wächst, als er nach dem Konzert in die Garderobe gerufen wird, wo Mia auf ihn wartet. Woher weiß sie, dass er im Konzert war?

Drei Jahren haben sich Mia und er nicht mehr gesehen, und Adam trägt eine große Wut auf Mia in sich, weil diese sich nach dem Wegzug nach New York irgendwann einfach nicht mehr bei ihm gemeldet hat. Doch das Gespräch mit Mia plätschert eher dahin und geht um Nebensächlichkeiten, als dass seine große Enttäuschung angesprochen wird …

Bewertung:

Auch wenn einen die Geschichte anfangs vielleicht erst mal auf eine andere Fährte setzt und es nicht so aussieht: Gayle Formans Fortsetzungsband entpuppt sich als Liebesroman – einer, der erst in der zweiten Hälfte sein wahres Gesicht zeigt. Liebesromane gehören im Großen und Ganzen, um das ehrlicherweise vorab zu sagen, nicht unbedingt zu meinem bevorzugten Genre. Aber Gayle Forman hat es mal wieder geschafft, mich trotzdem mit ihrem Buch zu fesseln. Man mag es kaum glauben: Ich habe „Lovesong“ (Übersetzung: Bettina Spangler) innerhalb eines Tages ausgelesen, weil ich einfach nicht damit aufhören konnte.

Dass ich nicht der typische Liebesroman-Leser bin, merkt man auch daran, welcher Teil des Buches mir am besten gefallen hat: Das ist nämlich eindeutig die erste Hälfte des Romans, denn hier spielt Gayle Forman, wie ich finde, ihre Stärken besonders gut aus: Im Mittelpunkt stehen Adam und seine irgendwie vermurkste Karriere als Rockmusiker. Dass das, wovon so viele Jugendliche träumen, ein hartes, ja gnadenloses Geschäft ist, wird genau beschrieben. Adam leidet an der Berühmtheit, daran, dass alle ihm etwas abringen wollen, und Gayle Forman vermag das mit ihrem untrüglichen psychologischen Gespür eindrücklich zu beschreiben.

Überhaupt mag ich an Gayle Formans Büchern, dass in ihnen Stimmungen und Gefühle und damit auch Personen so lebendig und nie abgeschmackt dargestellt werden. Dass es ab und zu ein kleines bisschen schmalzig wird, wenn romantische Dinge ins Zentrum rücken, sei dem Buch verziehen. Bei „Lovesong“ ist es von daher die zweite Hälfte des Buches, in der die Liebesgeschichte von Adam und Mia im Vordergrund steht, die mich weniger als die erste Hälfte beeindruckt hat. Doch Gayle Forman übertreibt es mit der Liebesgeschichte glücklicherweise nicht und bleibt hier vergleichsweise dezent.

Das literarische Konstrukt, das Gayle Forman verwendet, ist nicht gerade neu, aber es funktioniert und passt zur Geschichte. „Lovesong“ ist fast durchgängig nach einem bestimmten Muster aufgebaut: Es wechseln sich Kapitel, die von der Gegenwart handeln, mit Kapiteln, in denen Adam sich an frühere Ereignisse erinnert, ab. So erfährt man immer wieder etwas über die Hintergründe der früheren Beziehung zwischen Adam und Mia sowie über beider Familien – vor allem aber auch über die Trennung der beiden. Kurz vor Ende des Buchs hat sich, finde ich, dieser Aufbau des Roman ein bisschen totgelaufen: Um die zweihunderste Seite herum hat das Buch einen kleineren Hänger – doch er ist glücklicherweise von kurzer Dauer.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Ich kann mir vorstellen, dass viele Leser von „Lovesong“ das Buch anders als ich bewerten werden, denn die Zielgruppe des Buchs liegt auf der Hand: Das sind eindeutig Mädchen und junge Frauen, und sie werden vor allem die Liebesgeschichte mögen. Mich dagegen hat an dem Buch etwas anderes beeindruckt: Die psychologische Dichte, mit der Gayle Forman Figuren beschreiben kann. Für mich ist von daher die Darstellung von Adams Situation auch der spannendere Teil des Romans.

Vergleicht man „Lovesong“ mit „Wenn ich bleibe“, so hat mir Letzteres noch ein wenig besser gefallen, und das liegt vor allem daran, dass Mias Familie darin eine zentrale Rolle spielt und gerade deren Beschreibung mich besonders fasziniert hat. Auch die Idee, dass Mia als Komapatientin wie ein Geist durch die Räume schweben kann und alles mitbekommt, was in der Klinik um sie herum geschieht, hat etwas Faszinierendes, was „Lovesong“ so nicht zu bieten hat. Dennoch: Auch „Lovesong“ ist ein gutes Buch, das selbst mich als weniger für Liebesgeschichten anfälligen Leser interessiert hat.

Eine Empfehlung noch zum Schluss: Wer „Lovesong“ lesen will, dem sollte ans Herz gelegt werden, dass er sich zuvor „Wenn ich bleibe“ vornimmt. Denn mit den Hintergründen aus Buch 1 (auch wenn man es nicht unbedingt kennen muss, um Band 2 zu verstehen) ist „Lovesong“ in jedem Fall ein größerer Genuss.

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(Ulf Cronenberg, 04.09.2011)

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