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Buchbesprechung: Shaun Tan „Der Vogelkönig und andere Skizzen“

Cover Shaun TanLesealter 14+(Carlsen-Verlag 2011, 136 Seiten)

Der Australier Shaun Tan ist für mich einer der begnadetsten (Bilderbuch-)Illustratoren der letzten Jahre. Mit „Ein neues Land“ und „Geschichten aus der Vorstadt des Universums“ – für das zweitgenannte Buch hat er 2009 in der Sparte Bilderbuch den Deutschen Jugendliteraturpreis bekommen – hat Shaun Tan gezeigt, wie vielfältig und bestechend seine Illustrationen sind. Nun hat der Carlsen-Verlag ein Buch mit Skizzen des Illustrators herausgebracht, und auch wenn das kein typisches Jugendbuch ist: Ich musste es mir unbedingt anschauen!

Ja, um was genau geht es in dem Buch eigentlich? Einen geschlossenen Inhalt hat Shaun Tans Skizzenbuch nicht, vielmehr setzt der Autor nach einer Einführung verschiedene Schwerpunkte. Zunächst gibt es Skizzen mit der Überschrift „Unerzählten Geschichten“. Hier findet man einige der Figuren wieder, die es in seine Werke geschafft haben, aber auch andere, aus denen – zumindest bisher – kein Buch entstanden ist.

Shaun Tan: Seite aus „Der Vogelkönig und andere Skizzen“

(Zum Vergrößern kann auf die Bilder geklickt werden.)

Dass Shaun Tan aber nicht nur Bilderbücher illustriert und geschrieben hat, verdeutlicht das nächste Kapitel: „Buch, Theater und Film“. Wusstet ihr, dass Shaun Tan auch an Pixars Animationsfilm „Wall E“ mitgearbeitet und Grafikkonzepte hierfür erstellt hat? Leider gibt es davon keine Skizzen zu sehen, man erfährt das nur im Text.

Im Abschnitt „Nach dem Leben gezeichnet“ findet man von Shaun Tan bisher eher Ungewohntes: Bilder von Menschen, Landschaften und Städten – einige davon, wie das im Folgenden abgebildete, farbige Aquarelle.

Shaun Tan, Zeichnung aus „Der Vogelkönig und andere Skizzen“

Und schließlich stellt Shaun Tan im letzten Kapitel „Notizbücher“ Skizzen vor, die auf Reisen (z. B. im Flugzeug oder Zug) auf ganz normalem Papier mit Bleistift oder Kuli entstanden sind. Hier bekommt man kleinere Szenen, aber auch ganze Blätter mit vielen skurrilen Figuren oder comicartige Minigeschichten gezeigt. Dieses Kapitel ist vielleicht von den Zeichnung aus betrachtet das schwächste – nicht umsonst schreibt Shaun Tan zuvor, dass er lange gezögert hat, ob er die Notizblätter wirklich veröffentlichen solle –, aber zugleich zeigen sie auch, wie ein Illustrator ständig mit Hilfe von kleinen Skizzen in Notizbüchern Ideen sammelt.

Shaun Tan, Zeichnung aus „Der Vogelkönig und andere Skizzen“

Die Texte des Buches zu Beginn jedes Kapitels (übersetzt von Eike Schönfeldt) – sie hätten für meinen Geschmack ruhig noch etwas länger ausfallen dürfen – erläutern in einer bildhafen Sprache, wie Shaun Tan zu seinen Ideen kommt und wie sein kreativer Schaffensprozess aussieht. Sie sind sicher nichts für Kinder, eher für Erwachsene oder ältere Jugendliche, die sich für das Thema Zeichnen interessieren.

Ansonsten steckt „Der Vogelkönig und andere Skizzen“ voller bizarrer Figuren, die einem die zeichnerische Welt von Shaun Tan näherbringen. Es macht einfach Spaß, in dem Buch herumzublättern, die Zeichnungen immer wieder anzuschauen und sich über das, was man sieht, zu wundern und darüber zu staunen. Gerade die Skizzen verdeutlichen noch einmal, wie genau seine Bilder konzipiert sind, wenn man geschwungene Hilfslinien sieht, die in den endgültigen Zeichnungen dann fehlen.

Eine der schönsten Zeichnungen findet sich übrigens auf einer Doppelseite (daher ist leider beim folgenden eingescannten Bild in der Mitte der Falz zu sehen). Auf Englisch heißt das Bild „reading“, und es sitzen in Büchern lesende Kinder auf einem fliegenden Fabelwesen, einem Zwitter aus Tier und Maschine. Wie ein Dampfschiff stößt das Wesen Rauch aus, allerdings bunte Kringel und Fahnen. Eine treffliche Allegorie auf das Lesen …

Shaun Tan: „reading“ (aus „Der Vogelkönig und andere Skizzen“)

Fazit:

5 von 5 Punkten. Wer wie ich Shaun Tans Bücher mag, der kommt eigentlich nicht umhin, „Der Vogelkönig und andere Skizzen“ anzuschauen und zu lesen. In dem Buch erfährt man vieles darüber, wie der australische Illustrator vorgeht, entdeckt Figuren und Motive, die man aus seinen Büchern kennt, aber auch ganz andere Seiten des vielfältigen Illustrators.

Ein kleines Manko sei erwähnt: Gerade bei den Notizblättern am Schluss erweist sich das DIN-A5-ähnliche Format als zu klein. Manche Bildtexte kann man nur mit Lupe entziffern (zumindest in meinem Alter). Immerhin: Am Ende des Buches findet man die Übersetzungen aller Texte ins Deutsche – aber komfortabel ist das nicht gerade. Der Carlsen-Verlag ist da jedoch unschuldig, denn das englischen Original hat das gleiche Format.

Was die Tauglichkeit für Jugendliche angeht: Mit den Texten kann man wohl nur Jugendliche ab 13 oder 14 Jahren locken, und die müssen sich schon fürs Zeichnen interessieren. „Der Vogelkönig und andere Skizzen“ ist somit ein Buch mit eher eingeschränkter Zielgruppe: Shaun-Tan-Fans sowie erwachsene und jugendliche Hobby-Zeichner. Dass ein solches Buch dennoch erscheint, dafür muss man dem Carlsen-Verlag in jedem Fall danken!

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(Ulf Cronenberg, 25.07.2011)

(Die Abbildungen dieser Buchbesprechungen wurden mit Genehmigung des Carlsen-Verlags, Frau Hogrebe, wiedergegeben. Danke!)

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Kommentare (0)

  1. Gina

    Danke für den Tipp! Das musste ich natürlich sofort bestellen. (Das englische Original ist übrigens zehn Euro billiger als die deutsche Ausgabe – kleiner Tipp für alle Leser, die Englisch können …)

    Antworten

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