(cbt-Verlag 2011, 391 Seiten)
Justine Larbalestier ist Australierin und mit Scott Westerfeld, der selbst bereits einige Jugendromane (z. B. die „Peeps“-Bücher) veröffentlicht hat, verheiratet. „Lügnerin“ ist nicht das erste Buch der Autorin, aber das erste, das ich gelesen habe.
Der Bertelsmann-Verlag mag anscheinend effektvolle Cover – das von Justine Larbalestiers Buch ist jedenfalls ein einfach gestalteter, aber wirkungsvoller Blickfang, der zugleich angesichts des Titels ein wenig reißerisch wirkt. Ein bisschen skeptisch gehe ich manchmal an solche Bücher heran, aber ab und zu verbergen sich dahinter ja auch wirklich lesenswerte Jugendromane.
Inhalt:
Micah ist eine notorische Lügnerin, und alle wissen das. Dementsprechend hat sie eigentlich auch keine Freunde. Schon mehrmals hat das Mädchen, das oft für einen Jungen gehalten wurde, die Schule gewechselt. Doch es gibt eine Ausnahme: Sie und Zach, einer der beliebtesten Jungen an ihrer Schule, treffen sich regelmäßig, um gemeinsam durch den Central Park zu laufen. Die beiden haben ein Verhältnis, von dem jedoch niemand etwas wissen soll, denn eigentlich ist Zach mit Sarah, einem hübschen Mädchen aus reichem Elternhaus, zusammen.
Doch dann wird Zach tot aufgefunden – die genaueren Umstände seines Todes hält die Polizei geheim. In der Schule gibt es zahlreiche Gerüchte, und viele vermuten, dass Micah Zach umgebracht haben könnte. Auch von der Polizei wird das Mädchen verhört – und dabei sagt sie den Polizisten nicht die Wahrheit über ihre Beziehung zu Zach. Niemand weiß, wie Zach ums Leben gekommen ist, die Gerüchteküche brodelt.
Dass Micah ständig lügt, hat seine Gründe. Es gibt einiges, was sie vor anderen zu verbergen hat. Dazu zählt unter anderem, dass sie früher ganz stark behaart war und eine erbliche Familienkrankheit hat, von der sie nicht möchte, dass irgendjemand sie kennt. Das Problem mit der Behaarung hat Micah in den Griff bekommen, seit sie die Antibaby-Pille nimmt. Doch letztendlich steht hinter allem ein noch viel größeres Geheimnis …
Bewertung:
Es ist immer gut, wenn man unbedarft an Bücher herangeht, so dass man davon überrascht werden kann, und aus diesem Grund will ich auch nicht allzu viel davon verraten, was genau in „Lügnerin“ (Übersetzung: Kattrin Stier) passiert. Letztendlich würde ich euch damit nämlich den Lesespaß nehmen, der mit der Aufdeckung von Micahs Geheimnis nach einem guten Drittel des Buches verbunden ist. Das Schreiben der Buchbesprechung macht das aber nicht unbedingt einfach …
Justine Larbalestiers Buch lässt sich verschiedenen Genres zuordnen. Es hat mystische Elemente (aber nur wenige), es ist in gewisser Weise auch eine Art Psychothriller, und es ist vor allem ein Buch, in dem die Autorin gekonnt mit dem Thema Lügen spielt. Gerade das mit dem Lügen hat seinen Reiz, denn Micah als Erzählerin führt den Leser immer wieder an der Nase herum. Manches, was sie anfangs erzählt, outet sie später als Lüge oder zumindest nicht ganz den Tatsachen entsprechend – je weiter man in dem Buch kommt, umso mehr wird man in das Lügenspiel mit hineingezogen.
„Lügnerin“ lebt vor allem von dem großen, schon erwähnten Paukenschlag, der einen kurz vor der Hälfte des Romans erwartet. Bis dahin heißt es manchmal ein wenig durchhalten. Nicht, dass das erste Drittel des Buches langatmig ist, aber dass es mit mehr Tempo und Raffinesse geht, beweisen die anderen zwei Drittel des Jugendromans.
Insgesamt hat Justine Larbalestiers Buch durchaus Potenzial, verschlungen zu werden, an einigen Stellen bin ich jedoch auch über den ein oder anderen etwas trivial geschriebenen Dialog gestolpert. Manchmal – aber um das zu bemerken, muss man schon sehr aufmerksam lesen – wirken die Gespräche etwas holzschnittartig und nicht sehr lebensnah. Und das ist eigentlich der einzig wesentliche Kritikpunkt, den ich an dem Buch habe.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. „Lügnerin“ ist ein gelungenes Buchexperiment, das gekonnt mit dem Thema Lügen spielt und außerdem auch noch eine gehörige Portion feinsinniger Spannung mitbringt. Am Ende der fast 400 Seiten weiß man letztlich nach wie vor nicht, ob man hier eine Lügengeschichte aufgetischt bekommen hat, was davon stimmt, was erfunden wurde … – und genau so muss es bei einem solchen Buch ja auch sein.
Ich kann mir vorstellen, dass Jugendlichen Justine Larbalestiers Buch gefällt, dass sie sich nicht davon losreißen können. Dass bei genauerem Hinsehen in Bezug auf den Schreibstil kleinere Schwächen zu bemerken sind, stört wohl kaum jemanden. Und von daher kann man das Buch auch ohne größere Bedenken als gute Unterhaltung weiterempfehlen.
(Ulf Cronenberg, 16.07.2011)
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Tja. Ein Thriller ist das nicht. Aber eine spannende Geschichte. Und eine sehr seltsame dazu. Ich kam von dem Gefühl nicht los, dass es sich um ein literarisches Experiment handelt. Die Autorin schreibt im (sehr langen) Nachwort (eine Oscar-Dankesrede), dass sie mit einer Schreibsoftware geschrieben hat. So kam mir das Buch auch vor: als konstruiertes Puzzle.
Am Ende bleibt ein Gefühl zurück: Vielleicht war ja alles erfunden? Und natürlich: Das ist es ja auch. Es ist ja schließlich keine Biographie.
Es ist schon witzig, wie „wahr“ der Leser einen Roman nimmt. Letztlich ist doch wahrscheinlich immer alles erfunden, auch wenn sich manche Namen und Fakten mit der Wirklichkeit decken. (Musterbeispiel: Dan Browns „Sakrileg“).