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Kurzrezension: Christian Bartel „Zivildienstroman“

Cover Christian BartelLesealter 16+(Carlsen-Verlag 2011, 224 Seiten)

Mit Christian Bartel steigt ein weiterer erfolgreicher Poetry Slammer bei Carlsen in den Ring der Autoren, die ihre Sprachgewandtheit in Büchern für ältere Jugendliche und junge Erwachsene zur Schau stellen. Ab und zu finde ich es jedenfalls erheiternd, einen solchen Roman zu lesen – die bisherigen Bücher von Christian Bartels Kollegen (Mischa-Sarim Vérollet oder Jaromir Konecny) waren jedenfalls niveauvolle Unterhaltung, bei der man aus dem Schmunzeln nicht herauskam. Und Lachen soll ja gesund sein …

Einen Teil von Christian Bartels Idee gibt schon der Titel preis: Der Erzähler – nennen wir ihn im Folgenden einfach „C“ (es gehört wohl zum Poetry Slam, dass man so tut, als würde man seine eigene Geschichte erzählen) – wird im Laufe des Buches seinen Zivildienst antreten. Bis dahin sind jedoch noch ein paar Klippen zu umschiffen: die Überreichung der Abiturzeugnisse, der Auszug von Zuhause (mit der Straßenbahn!) sowie das Finden einer geeigneten Zivi-Stelle.

Der beste Freund von C wird Tante Matthes genannt, musste die Schule jedoch vor dem Abitur verlassen und ist ein unkonventioneller Lebenskünstler aus reichem Elternhaus. Ansonsten spielt Rieke, in die C heftig verliebt ist, die aber einen Freund hat, eine Rolle. Ihretwegen will C sich auch auf einen Zivi-Job in einem israelischen Kibbuz bewerben – doch beim Auswahlgespräch setzt sich jemand anderes durch, nachdem sich C und Riekes Freund, der auch eine Bewerbung abgegeben hat, bei einem Rollenspiel kloppen. Doch die Absage ist zu verkraften, weil Rieke später bekannt gibt, dass sie es verbummelt habe, die Bewerbungsunterlagen für den Kibbuz einzureichen …

C landet schließlich beim Zivildienst in einer Behinderten-WG – und da ist natürlich einiges geboten. Käpt‘n Horsti, einer der WG-Bewohner, hält seine Betreuer mit ziemlich ungewöhnlichen Aktionen in der Öffentlichkeit auf Trab; Milva, ein Mädchen mit Down-Syndrom, hat es faustdick hinter den Ohren und ist unbelehrbar; und Günther liebt es zu kochen, auch wenn er fürs Zwiebelschneiden drei Stunden benötigt und liebend gerne die Gerichte mit Haushaltschemikalien würzt.

Das ist wohl genug als Appetizer für dieses Buch. Dass es hoch her geht, dass eine skurrile Idee die andere jagt, dürfte deutlich geworden sein. Christian Bartels steht seinen Poetry-Slam-Kollegen in nichts nach. Seine Geschichte hat Tempo und Witz, sie lebt vor allem von den herrlich überzeichneten Figuren, und trotz einiger kleinerer Grenzüberschreitungen ist sie alles in allem liebevoll – ja, ich würde sogar sagen: politisch korrekt (eine Aussage, die Christian Bartels vielleicht gar nicht hören mag!?).

Für mich ist „Zivildienstroman“ in jedem Fall ein rundes Buch, das keine Schwächen hat. Hinter den Kapriolen steht letztlich immer eine gewisse Ernsthaftig- sowie Nachdenklichkeit, denn einiges geht bei C – davon lebt der Witz ja schließlich – ordentlich schief. Das Leben kann ja nicht immer nur einfach sein …

Wie seine Poetry-Slam-Kollegen versteht sich auch Christian Bartels darauf, anspielungs- und wortreich zu schreiben. Nebenbei wird da ein nicht gerade unbeträchtlicher Bildungskanon – vor allem in Nebensatzbemerkungen – abgespult. Odysseus darf da nicht fehlen, die Bibel ebenso, auf Schlagermusik bis hin zu Reggae beziehen sich weitere Anspielungen. Was eher wie ein lockeres Herunterschreiben aussieht – das muss man neidlos anerkennen –, ist eben doch wesentlich komplexer, als man auf den ersten Blick vermutet.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Wer mal wieder ordentlich lachen will und sich darauf einlassen kann, nicht immer alles nur mit deutscher Ernsthaftigkeit zu sehen, der sollte zum „Zivildienstroman“ greifen. Ich musste jedenfalls nicht nur schmunzeln, sondern mehrmals herzhaft lachen, während ich mich durch die Seiten gelesen habe. Für Zivis (ich war auch mal einer, und ich hätte ebenfalls einige Anekdoten aus dem Pflegeheim zu erzählen) ist Christian Bartels Buch fast schon Pflicht, und Bundeswehrsoldaten sollten den Roman lesen, um zu wissen, was sie versäumt haben. Mit der Behinderten-WG einen Zooausflug zu machen, ist sicher lustiger, als auf dem Truppenübungsplatz durch den Matsch zu robben …

Kurz gesagt: Ich mag dieses Buch einfach, weil es einen so herrlich unseriösen Touch hat und trotzdem liebevoll an das Leben und seine Nickeligkeiten, seine Irrungen und Wirrungen herangeht. Ab und zu muss man so etwas lesen!

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(Ulf Cronenberg, 28.06.2011)

[Update, 30.06.2011] Christian Bartels Buch ist auf einmal zu fast so etwas wie einem historischen Roman geworden, denn heute ist der letzte Tag, an dem es den Zivildienst in Deutschland gibt (vgl. dieser ZEIT-Artikel). Eine Ära geht zu Ende. Schade, schade! [/Update]

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  1. Pingback: Zivildienstroman | Lino Wirag

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