(Carlsen-Verlag 2011, 335 Seiten)
Lange habe ich um das Buch der Neuseeländerin Kate de Goldi (puh, was für ein Name!) einen Bogen gemacht, und ich nehme an, es lag vor allem am Buchcover, mit dem ich nicht so richtig etwas anfangen konnte: die Babuschka mit dem Wecker darauf, auf dem wiederum ein Vogel sitzt, der den Namen der Autorin herauszwitschert. Das fand ich dann doch etwas kitschig. Dass der Buchumschlag durchaus zum Buch passt, weiß erst, wer den Roman gelesen hat – aber verkaufsfördernd und Interesse weckend finde ich die Illustration darauf trotzdem nicht.
Inhalt:
Mit seinen Eltern und seiner größeren Schwester Gordana lebt der 12-jährige Frankie in einem Haus. Sein großer Bruder Louie ist inzwischen ausgezogen – im Großen und Ganzen ist das Familienleben recht beschaulich: Frankies Mutter verdient ihr Geld, indem sie zu Hause Kuchen backt, während Frankies Vater wegen seines Berufs viel außer Haus ist. Ansonsten kommen jeden Dienstagabend die drei dicken und irgendwie lustigen Tanten zu Besuch, bei denen Frankies Mutter aufgewachsen ist.
Außerdem verbringt Frankie viel Zeit mit seinem Freund Gigs. Die beiden haben viele gemeinsame Interessen. Allerdings wird die Zweisamkeit gestört, als Sydney, ein selbstbewusstes Mädchen mit Rastalocken und Nasenpiercing, auftaucht. Frankie fühlt sich sofort zu ihr hingezogen, obwohl Sydney so viel anders ist als er selbst. Während er sich wegen jeder Kleinigkeit Sorgen macht, ist Sydney unbeschwert, geht ohne Hemmungen auf andere zu und fragt ihnen Löcher in den Bauch.
Gigs ist anfänglich richtig genervt von Sydney – vor allem als sie, und nicht er, bei einem Schulprojekt mit Frankie zusammenarbeiten soll. Mit der Zeit akzeptiert Gigs das Mädchen doch noch. Frankie dagegen geht es so gut wie lange nicht, denn Sydneys Unbeschwertheit hilft ihm oft, seine Sorgen zu vergessen. Doch die Zufriedenheit scheint bedroht, als er erfährt, dass Sydneys Mutter ständig umzieht. Er befürchtet, dass Sydney bald wieder weg ist …
Bewertung:
In den letzten Monaten habe ich viele Bücher gelesen, die mir auf den ersten Seiten nicht sonderlich gut gefallen haben. Bei „Abends um 10“ (Übersetzung: Ingo Herzke) war das anders. Die ersten Sätze haben mich gleich fasziniert:
Dienstag, der vierzehnte Februar, fing für Frankie Parsons schlecht an. Es war keine Milch für sein Müsli da. Und kein Katzenfutter für die Fettkontrolle, die deshalb unterm Tisch anklagend miaute, während Frankie seinen Toast aß.
Den Absatz musste ich – wohl weil ich nicht allzu konzentriert war – erst zweimal lesen, bis ich verstanden hatte, dass „Fettkontrolle“ der Name einer Katze ist, und gleich hatte ich ein Schmunzeln auf dem Gesicht. Nicht jeder Autor schafft das auf den ersten Zeilen. (Hätte ich übrigens eine mopsige Katze, würde ich sie prompt umbenennen …) Immer wieder sind es in dem Buch ähnliche kleine Einfälle, die ihren Charme versprühen: Der Vater von Frankie wird immer nur „Onkel George“ genannt, Sydneys Schwestern heißen nach ihren Geburtsorten Calcutta und Galway (das in Irland liegt). Es sind viele solcher Kleinigkeiten, die Kate de Goldis Buch so einladend machen, dass man sich darin gleich wohlfühlt.
„Abends um 10“ ist überhaupt eine liebevolle Geschichte, die erzählt, wie ein Junge, der ständig übertrieben sorgenvoll ist, am Ende sorgenfreier leben lernt. Bis dahin ist es jedoch ein langer Weg, denn letztendlich wird die „Heilung“ Frankies erst möglich, weil sich vorher alles zuspitzt. Die Babuschkas auf dem Buchcover passen deswegen sehr gut zu dem Roman, denn die Probleme, die hinter Frankies Sorgen stehen, werden erst nach und nach sichtbar. Die Geschichte wird quasi Püppchen für Püppchen ausgepackt, bis schließlich das sichtbar wird, was hinter Frankies Sorgen steht.
An manchen Stellen hat das Buch kleinere Längen – aber sie bleiben eher dezent. Mancher mag die Geschichte auch für etwas rührselig und sentimental halten – mich hat das allerdings nicht wirklich gestört. Anrührend sind vor allem die Gespräche zwischen Frankie und seiner Mutter am Ende jeden Kapitels, die dem Buch auch seinen Namen geben, denn sie finden immer abends um zehn Uhr statt.
Fazit:
4-einhalb von 5 Punkten. Kate de Goldi ist ein erfrischendes und sympathisches Buch für junge Leser gelungen, das zwischen Kinder- und Jugendbuch steht. Gefallen wird die Geschichte, schätze ich, vor allem Mädchen, auch wenn sie einen Jungen als Hauptfigur hat. Mit der Einordnung, für welches Alter das Buch zu empfehlen ist, tue ich mich jedoch etwas schwer: „Abends um 10“ gefällt sicher vielen Erwachsenen, die den Sprachwitz des Buches verstehen. Was Kinder und Jugendliche angeht, dürften am ehesten 12- bis 13-Jährige die Zielgruppe sein. Gegen eine kleine, aber insgesamt eher unaufdringliche Portion Schmalz und Gefühl darf man dabei jedoch nichts haben.
Mal abgesehen von den genannten winzigen Kritikpunkten hat mir Kate de Goldis Buch wirklich gut gefallen: Man muss die Figuren im Buch in ihrer Liebenswürdigkeit einfach mögen, ebenso den Schreibstil. Und selbst die Rührseligkeit der Geschichte hat einen Charme, dem man sich nicht entziehen kann.
(Ulf Cronenberg, 18.06.2011)
[flattr uid=’28988′ btn=’compact‘ lng=’DE‘ /]
Entdecke mehr von Jugendbuchtipps.de
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Lieber Ulf,
das hört sich ja mal wieder nach echtem Lesevergnügen an! Und auch meine Katze, wenn ich denn eine entsprechend rundliche hätte, würde sofort Fettkontrolle heißen. Sehr lustig fand ich auch, dass Frankie tatsächlich eine zeitlang an der Vaterschaft von Onkel George zweifelt – wen wundert’s!?
Eine gute und faire Besprechung, wenn ich das mal so sagen darf.
Grüße, Britta
Danke für diese tolle Rezension, dann kann ich mich auf dieses Buch, das schon in meinem Regal steht, sehr freuen!! 😀
Liebe Grüße
catbooks
Ich bin nicht warm geworden mit diesem Buch und habe es schließlich weggelegt. Ich fand es außerordentlich schwach.