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Buchbesprechung: Nick Burd „Die Wonnen der Gewöhnlichkeit“

Cover Nick BurdLesealter 15+(dtv 2011, 319 Seiten)

„Die Wonnen der Gewöhnlichkeit“ ist das hoch gelobte Erstlingswerk des Amerikaners Nick Burd – damit wirbt dtv zumindest in den Informationen zum Buch. Es geht (das sei vorweggenommen) um einen Jungen, der im Laufe des Buches lernt, zu seiner Homosexualität zu stehen – ein beliebtes Thema, bei dem die Gefahr besteht, dass man jedoch etwas schon Dagewesens schreibt. Um gut zu sein, muss da ein Roman schon noch etwas mehr bieten …

Inhalt:

Dade lebt mit seinen Eltern in einem Wohnviertel für Bessergestellte. Die letzten beiden Monate, bevor Dade fern von zu Hause zu studieren beginnt, sind zunächst einmal ziemlich langweilig. Doch das ändert sich bald.

Dass Dade schwul ist, weiß bisher niemand außer Pablo, der eigentlich eine Freundin hat, zugleich jedoch eine seltsame Beziehung zu Dade unterhält, die geheimgehalten werden muss. Dade ist deswegen oft gekränkt, denn in der Öffentlichkeit tut Pablo so, als würde er Dade kaum kennen.

Auf einmal findet sich Dade jedoch in ein anderes Leben hineinkatapultiert: Zum einen kriselt es in der Beziehung seiner Eltern. Sein Vater hat eine Freundin und die vorher schon unterschwellig vorhandenen Probleme von Dades Eltern kochen hoch. Außerdem lernt Dade einen anderen Jungen kennen: Alex, in den er sich sofort verliebt. Und schließlich ist da noch Lucy, die aus L. A. nach Cedarville geschickt wurde, um dort vor dem Trubel der Großstadt geschützt zu werden.

Mit Lucy versteht sich Dade auf Anhieb, und die beiden unternehmen und reden viel. Ihr vertraut Dade auch an, dass er sich in Alex verguckt hat … Für Lucy, die selbst lesbisch ist, ist das kein Problem. Im Gegenteil: In den vielen Gesprächen hilft sie Dade, zu akzeptieren, dass er schwul ist.

Bewertung:

Warum geht es mir derzeit mit vielen Büchern so, dass ich sie nach 50 bis 100 Seiten fast aus der Hand lege? Bei „Die Wonnen der Gewöhnlichkeit“ (Übersetzung: Wolfgang Ströle) hat mich das erste Drittel nicht allzu sehr begeistert. Die Handlung tritt etwas auf der Stelle. Doch letztendlich – das merkt man, wenn man weiterliest – gehört das zum Thema des Buches. Ein Junge, der nichts mit sich und der Welt anzufangen weiß, wird nach und nach mit den Problemen des Lebens konfrontiert und wächst daran.

Es sind Alex und Lucy, die das Buch dann deutlich aufwerten. Beide sind faszinierende Personen. In Lucy lernt Dade eine Vertraute kennen, wie er sie nie vorher hatte, und bei Alex fühlt sich Dade das erste Mal in seinem Leben in einer Beziehung im Großen und Ganzen geborgen und akzeptiert. Nach der traumatischen Erfahrung mit Pablo ist beides für Dade heilsam – und das Buch erzählt davon, wie ein Junge mit sich und der Welt ein wenig ins Reine kommt.

Anfangs ist Dade ein Junge, der nicht zu seiner Homosexualität stehen kann, er weiß nicht, wie er mit den Konflikten seiner Eltern zurechtkommen soll, geschweige denn, dass er mit der tragischen Beziehung zu Pablo umzugehen weiß. Und so bleibt er meist stumm und verharrt regungslos, anstatt zu handeln. Am Ende des Buchs ist Dade ein Stück vorangekommen, weil er Freunde gefunden hat, die ihn ernst nehmen und mögen. „Die Wonnen der Gewöhnlichkeit“ ist letztendlich also ein Entwicklungsroman.

Nick Burd schreibt unaufgeregt und solide, er ist ein guter Erzähler, hat aber vor allem ein Gespür für Menschen, die er gut zu fassen versteht. Die Handlung könnte ab und zu jedoch noch ein bissschen mehr Dramatik vertragen. Das ist letztendlich der Hauptkritikpunkt, den ich an dem Buch habe.

Fazit:

4 von 5 Punkten. „Die Wonnen der Gewöhnlichkeit“ ist nicht unbedingt ein Buch, das innovativ ist – aber es handelt sich dabei um eine runde und größtenteils unterhaltsame Coming-Out-Geschichte, die nach dem etwas schlappen Einstieg Stück für Stück besser wird. Die Stärken des Romans sind eindeutig seine Figuren, die Nick Burd psychologisch plausibel beschreibt.

Nick Burds Debüt ist ein vielversprechendes Debüt, das aber noch Luft nach oben lässt. Ob sich hinter dem amerikanischen Autor ein „Ausnahmetalent“ verbirgt, wie es im Klappentext des Buches heißt, muss sich noch zeigen. Uneingeschränkt würde ich das nach dem Lesen des Erstlingswerks jedenfalls nicht unterschreiben …

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(Ulf Cronenberg, 28.05.2011)

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