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Buchbesprechung: Beate Teresa Hanika „Nirgendwo in Berlin“

Cover Beate Teresa HanikaLesealter 14+(Fischer-Verlag 2011, 270 Seiten)

„Nirgendwo in Berlin“ ist Beate Teresa Hanikas drittes Jugendbuch. Die bei Regensburg lebende Autorin hatte mit „Rotkäppchen muss weinen“, ihrem Debüt, einen Jugendroman geschrieben, der allseits gelobt wurde (auch hier bei Jugendbuchtipps.de): Die sensible Geschichte über ein Mädchen, das vom eigenen Großvater sexuell missbraucht wird – was die Familie nicht wahrhaben will –, hat das schwierige Thema jugendgerecht und sprachlich sehr einfühlsam behandelt. Beate Teresa Hanikas zweites Buch dagegen war deutlich umstrittener: „Erzähl mir von der Liebe“ fanden einige Rezensenten gelungen, andere zeigten sich eher enttäuscht. Gespannt war ich in jedem Fall auf das dritte Buch der jungen Autorin …

Inhalt:

Die Eltern der 15-jährigen Greta haben sich getrennt, und mit ihrer Mutter ist das Mädchen aus dem ländlichen Bayern in die Großstadt Berlin gezogen, wo Gretas Mutter als Journalistin Fuß fassen will. Die Sommerferien haben gerade begonnen, und Gretas Mutter arbeitet in ihrem neuen Job Tag und Nacht – Greta hockt deswegen alleine mit ihrem fast tauben Albino-Boxerhund Buster in der Wohnung und vermisst ihre alten Freunde.

Vor dem Umzug hatten sie und vor allem ihre beste Freundin Frede geschworen, Kontakt zu halten – doch schon die ersten Tag meldet sich Frede nicht. Richtig einsam fühlt sich Greta – vor allem als sie erfährt, dass Frede, kurz nachdem Greta weggezogen ist, mit ihrem Schwarm Felix geht. Die aufdringliche Cindy, die wie der schwer erziehbare Konrad im gleichen Haus wie Greta wohnt, helfen ihr über die Einsamkeit nicht hinweg – eher im Gegenteil …

Trost findet Greta erst, als sie – durch Cindy angeregt – zu chatten beginnt und dort ein Mädchen, das sich Pampolina nennt, kennen lernt. Pampolina scheint sich ähnlich wie Greta zu fühlen: Ihre Eltern haben sich wie die von Greta getrennt – und beim Chatten hat Greta nun endlich jemanden, mit dem sie reden kann.

Doch dann meldet sich Pampolina, nachdem sie geschrieben hat, dass sie sich an einem Abend mit einem Jungen, der sich im Chatroom Parzival nennt, treffen will, plötzlich nicht mehr. Greta ist sich sicher, dass etwas Schlimmes passiert ist. Als sie am nächsten Tag außerdem in der Zeitung liest, dass in Berlin ein Mädchen vermisst wird, hat sie keine Zweifel, dass es sich dabei um Pampolina handelt. Mit Cindy zusammen versucht Greta auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen …

Bewertung:

Um es gleich vorwegzunehmen: Mit „Nirgendwo in Berlin“ hatte ich so meine Schwierigkeiten – das habe ich schon einmal daran gemerkt, dass ich beim Lesen nicht so richtig drangeblieben bin und nicht versucht habe, jede freie Minute weiterzulesen. Als ich mit dem Buch fertig war, habe ich länger überlegt, was der Grund dafür war – so ganz einfach war für mich meine fehlende Begeisterung nicht zu fassen.

Aber zunächst einmal seien die positiven Seiten von Beate Teresa Hanikas Buch hervorgehoben: Wie man das von den anderen Büchern der Autorin kennt, ist auch „Nirgendwo in Berlin“ einfühlsam erzählt. Greta und auch die anderen jugendlichen Hauptfiguren werden gut beschrieben, ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehbar dargestellt. Greta erinnert in ihrer Denkweise anfangs etwas an Malvina aus „Rotkäppchen muss weinen“ – doch im Verlauf des Buches entwickelt sich Greta weiter und ist dann doch eine ganz andere Figur. Außerdem bevölkert Hanika ihren Roman mit schrulligen Figuren – darunter dem Hausmeister Osinski. Bei ihm musste ich immer wieder an Fitzke aus Andreas Steinhöfels „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ denken, genauso wie bei der Anlage des Plots: Es geht in beiden Büchern um eine Entführung, und beide Romane spielen in Berlin in einem Mehrparteienhaus, haben freilich aber ganz unterschiedliche Zielgruppen.

Der gelungenen Figurenzeichnungen bei Greta, Cindy und Konrad steht jedoch die einer anderen Figur zur Seite, die nicht so ganz fassbar wird: Mikesch ist der Sozialpädagoge, der Konrad betreut und ebenfalls in Gretas Haus wohnt. Obwohl Mikesch in dem Buch eine Hauptrolle spielt, bleibt er seltsam blass. Die Beweggründe dafür, wie er sich verhält, sind für mich letztendlich nicht wirklich fassbar – die Figur von Mikesch ist mir zu weltentrückt. Das mag Absicht sein, da in dem Buch auch mit dem Parzival-Mythos gespielt wird. Jedoch habe ich „Nirgendwo in Berlin“, was Mikesch anbelangt, dennoch etwas ratlos aus der Hand gelegt.

Die andere größere Schwäche des Jugendromans ist meiner Meinung nach, dass sich das Buch nicht so recht entscheidet, was es erzählen will. Der stärkere Teil des Buchs ist die persönliche Geschichte von Greta, die sich durch die Scheidung der Eltern allein gelassen fühlt. Je weiter man jedoch liest, umso mehr zeigt „Nirgendwo in Berlin“ dann Krimi-Elemente und die Situation Gretas tritt in den Hintergrund. Doch richtig spannend, wie man das von einem Jugendkrimi erwarten würde, wird Beate Teresa Hanikas Buch im zweiten Teil nicht. Außerdem ahnt man schon recht bald, wer Parzival ist – der Clou der Auflösung hat zumindest bei mir von daher nicht richtig funktioniert.

Fazit:

3 von 5 Punkten. Mit etwas Wehmut und ein wenig Enttäuschung habe ich „Nirgendwo in Berlin“ zur Seite gelegt, denn das Buch ist, wie ich finde, nicht ganz rund und ausgereift. Es beginnt gut als Geschichte über ein Mädchen, das nach Berlin verpflanzt wird, doch dann entwickelt sich der Jugendroman in eine Richtung, die mir nicht so recht behagt hat. Die mythologische Ebene bleibt mir zu oberflächlich, für einen Jugendkrimi – Elemente davon hat das Buch – fehlt mir jedoch ein ordentliches Quäntchen Spannung, das mich bei der Stange gehalten hätte.

Ein schlechtes Buch ist „Nirgendwo in Berlin“ nicht. Beate Teresa Hanika kann erzählen – aber verglichen mit „Rotkäppchen muss weinen“ fehlt dem neuen Buch der Autorin die Stringenz und Raffinesse des Debütromans. Vielleicht sehen das Mädchen – sicherlich die Zielgruppe des Jugendromans – ein wenig anders, weil sie sich eher mit Greta identifizieren können als ich. Aber wenn man nicht so richtig an der Hauptfigur andocken kann, werden doch einige Schwächen offenbar, die das Buch hat.

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(Ulf Cronenberg, 12.03.2011)

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