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Buchbesprechung: Gabi Kreslehner „Und der Himmel rot“

Cover Gabi KreslehnerLesealter 14+(Beltz & Gelberg-Verlag 2011, 140 Seiten)

Mit „Charlottes Traum“ hat Gabi Kreslehner im Jahr 2009 ihr Debüt veröffentlicht – ein Buch, das davon handelt, wie ein Mädchen die Trennung der Eltern verarbeitet. Letztes Jahr kam dann ein weiterer Roman der österreichischen Autorin heraus: „In meinem Spanienland“ war allerdings ein Buch für Erwachsene, das man nur älteren Jugendlichen empfehlen konnte. Ein ziemlich derber, aber sehr wortgewaltiger Roman. Kreslehner neuer Roman „Und der Himmel rot“ richtet sich wieder explizit an Jugendliche – und ich musste ihn mir natürlich unbedingt anschauen …

Inhalt:

Darm heißt mit vollem Namen eigentlich „Oliver Darm“ – doch kaum jemand nennt ihn Oliver. Sogar er selbst definiert sich über seinen Spitznamen und findet, dass dieser gut zu ihm passt, denn sein Leben ist letztendlich ziemlich scheiße: Seine Mutter hat sich das Leben genommen, nachdem sie über den Tod von Darms größerer Schwester – sie ist bei Hochwasser ertrunken – nicht hinweggekommen ist und immer depressiver wurde.

Seitdem lebt Darm bei seinem Onkel Kurt und eckt – wo immer möglich – an. In der Schule bringt er nichts auf die Reihe und legt sich mit den Lehrern an – das gilt vor allem für Hoffmann, der seinerseits auch kein gutes Haar an Darm lässt und ihn im Unterricht triezt, wann immer es geht. Lediglich Jana, die – welch Schicksal! – Hoffmanns Tochter ist, hält zu Darm, auch wenn sie oft nicht weiß, wie sie mit diesem umgehen soll. Mal ist er nett zu ihr, dann verschließt er sich ihr gegenüber wieder völlig und lässt sie abblitzen.

Die Situation mit Hoffmann, Darms Lehrer, spitzt sich immer mehr zu – doch auch Hoffmann hat sein Leben nicht im Griff und trinkt viel zu viel Alkohol. Und dann erfährt Darm, als er von seinem Onkel Kurt alte Bilder seiner Mutter zum Anschauen bekommt, etwas, was alles verändert: Er kommt einem Geheimnis seiner Mutter auf die Spur …

Bewertung:

Ein leicht zugängliches Buch ist „Und der Himmel rot“ ganz bestimmt nicht. Ich kann mir vorstellen, dass viele Jugendliche das Buch nach zehn oder zwanzig Seiten irritiert aus der Hand legen. Der Grund dafür ist, dass Gabi Kreslehners neues Jugendbuch von der Sprache her ähnlich derb ist wie ihr Erwachsenenbuch „In meinem Spanienland“. Das klingt vielleicht erst einmal verlockend, doch da alles nicht gerade stringent erzählt wird, muss man die ausgelegten Fäden der Handlung anfangs erst einmal entwirren. Sehr assoziativ ist der Jugendroman geschrieben und die Handlung anfangs entsprechend fahrig.

Eigentlich wollte ich das schmale Bändchen in einem Rutsch an einem Abend durchlesen – doch nach 40 Seiten musste ich es erst einmal aus der Hand legen und mich etwas sammeln, um dann am nächsten Tag mit dem Buch fortzufahren. Die Handlung kommt zu Beginn nicht so richtig in Fahrt, die vielen Andeutungen, ohne dass man Genaueres erfährt, machen das Buch zu keiner einfachen Lektüre, obwohl ich vom Schreibstil Gabi Kreslehners ziemlich fasziniert war.

Eins muss man der Autorin lassen: Sie hat Mut. Der Schreibstil setzt einen wachen Leser voraus und ist anders, als man es von anderen Jugendbüchern gewohnt ist. Je weiter ich gelesen habe, desto beeindruckter war ich von dem Roman, denn ab der Mitte kristallisiert sich auch eine Handlung heraus, die zunehmend packend wird. Die Puzzleteilchen fügen sich zu einem Ganzen und es kommt Tempo in das Buch. Am Ende kann man dann mit dem Lesen nicht aufhören, weil man wissen will, wie alles ausgeht.

Darm ist eine manchmal – vor allem zu Beginn – eher abstoßende Hauptfigur, deren inneren Beweggründen man nicht folgen kann. Doch im Laufe des Buches erfährt man immer mehr darüber, warum Darm alle provoziert und so wankelmütig ist – und damit kommt nicht so etwas wie Mitleid für ihn auf, aber man versteht ihn immer besser. Am Ende des Romans ist Darm dann fast so etwas wie geläutert, hat sein Leben mit den vielen Schicksalsschlägen ein wenig mehr akzeptiert und vermag weniger schroff auf andere zugehen. Das ist kein Happy End, aber ein Hoffnungsschimmer, der als Ende des nicht gerade zimperlichen Jugendromans folgerichtig und wichtig scheint.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Gabi Kreslehner hat in ihrem zweiten Jugendroman einen Ton gefunden, den man aus Jugendbüchern so nicht kennt. Gewagt ist das, sprachgewaltig kann man das nennen, und leichte Kost ist das allemal nicht. „Und der Himmel rot“ ist vielmehr ein eigenwilliges, zugleich aber auch sehr intensives Buch, weil Gabi Kreslehner in die Abgründe der Menschen hineinschaut, sie angesichts von Schicksalsschlägen lange zappeln lässt. Manchmal wirkt das alles vielleicht etwas sehr plakativ und auf die Spitze getrieben, zugleich ist es faszinierend. Hier verschwimmen jedenfalls die Grenzen zwischen Jugend- und Erwachsenenliteratur.

Es dauert etwas, bis die Geschichte sich zu einem Selbstläufer entwickelt  – der Einstieg wird einem nicht leicht gemacht, aber es lohnt sich durchzuhalten. Literarisch gibt außerdem beim genaueren Hinschauen einiges zu entdecken – auf der Motivebene, aber auch sprachlich.

Man kann nur gespannt sein, was von Gabi Kreslehner noch kommen mag. Hoffentlich bleibt sie auch den Jugendromanen ab und zu treu …

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(Ulf Cronenberg, 10.02.2011)

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Kommentare (0)

  1. Gina

    Klingt spannend! Das werde ich auf jeden Fall lesen. Zwischen „In meinem Spanienland“ und „Der Himmel rot“ ist von Gabi Kreslehner übrigens bei Ullstein noch „Das Regenmädchen“ erschienen, ein Krimi für Erwachsene, der genauso hinreißend formuliert ist wie die anderen Bücher, aber nicht ganz so experimentell und bizarr konstruiert ist. Sehr empfehlenswert und wirklich toll zu lesen, finde ich.

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  2. Viki

    Ich habe das Buch erst heute ausgelesen und habe ein exakt gleiches Urteil darüber. Sie haben das ziemlich gut in Worte gefasst. Respekt, echt!

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  5. Christoph Enzinger

    Ja, „sprachgewaltig“ ist ein sehr treffender Ausdruck dieses Buch betreffend. Und sehr psychologisch, irritierend, ja psychopathisch. Zwischendurch hoffte ich, dass die Parallelen zu „Bennys Video“ nicht zunehmen… (Es ist anzunehmen, dass die österreichische Autorin diesen Film des österreichischen Regisseurs kennt.) Gottlob kommt es anders, aber der „kranke“ Unterton bleibt. Ich war sehr beeinddruckt, wie diese Autorin schreiben kann und mit welchem Mut und welcher Konsequenz sie das durchzieht.

    Ganz ehrlich: Ich wüsste nicht, wem ich dieses Buch empfehlen könnte. Am ehesten eignet es sich wohl als Schullektüre für Siebzehnjährige.

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