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Buchbesprechung: Jenny Han „Der Sommer, als ich schön wurde“

Cover Jenny HanLesealter 13+(Hanser-Verlag 2011, 253 Seiten)

Wenn man das Cover des Buches anschaut, bekommt man gleich Sehnsucht, auch auf einem Schiff im Sommer übers Meer zu schippern – vor allem nach dem langen Winter mit Eiseskälte und Hochwasser (auch wenn die Temperaturen seit gestern tagsüber endlich mal wieder auf 10° C gestiegen sind). „Der Sommer, als ich schön wurde“ ist das erste Buch der Amerikanerin Jenny Han. Interessant finde ich eine Information über die Autorin auf dem Buchumschlag: dass sie professionell lernte, Kinderbücher zu schreiben, und in New York einen entsprechenden Abschluss gemacht hat. So was geht wohl auch nur in den USA …

Inhalt:

Wie jedes Jahr fährt die 15-jährige Belly mit ihrem größeren Bruder Steven und ihrer Mutter Laurel nach Cousins ans Meer, um dort mit einer befreundeten Familie in deren Ferienhaus den Sommer zu verbringen. Schon seit Kindesjahren kennt Belly Susannah, die Freundin ihrer Mutter, der das Haus gehört, sowie deren Söhne Jeremy und Conrad. Susannahs Mann ist Banker und schafft es meist nur ab und zu am Wochenende, auch nach Cousins zu kommen.

Die letzten Jahre haben Conrad und Jeremy sowie ihr Bruder Steven Belly nie so richtig ernst genommen – sie war immer die Kleine. Doch nun ist Belly fast 16 Jahre alt und will sich nicht mehr wie ein Kind behandeln lassen. Seit Jahren schwärmt sie für Conrad, doch er nimmt kaum Notiz von Belly, die ihm eher so etwas wie eine kleine Schwester ist.

In diesem Sommer hat sich jedoch einiges verändert: Belly ist größer und hübscher geworden, aber vor allem herrscht während der gemeinsamen Wochen eine seltsame Stimmung. Insbesondere Conrad ist allen ein Rätsel. Vor kurzem hat er aufgehört, Football zu spielen, obwohl er vorher immer so begeistert von der Sportart war, er fängt zu trinken und zu rauchen an, ist außerdem unausstehlich. Belly fühlt sich nach wie vor zu ihm hingezogen, auch wenn sie nicht versteht, was mit Conrad eigentlich los ist …

Bewertung:

„Der Sommer, als ich schön wurde“ (Übersetzung: Birgitt Kollmann) ist ein eher stilles Buch, ein Buch, in dem nicht übermäßig viel passiert und das eher davon lebt, dass Gedanken, Stimmungen und Gefühle beschrieben werden. Belly, die Ich-Erzählerin, berichtet vor allem davon, was sich alles im Vergleich zu früher verändert hat. Sie wird sich nicht nur selbst langsam bewusst, dass sie hübscher geworden ist, sondern gewinnt langsam an Selbstvertrauen. Doch viel mehr ist anders als in den Jahren zuvor – allerdings scheint niemand der Jugendlichen so recht zu wissen, was los ist, geschweige denn während des gemeinsamen Sommers darüber reden zu wollen. Und die beiden Mütter schweigen sich darüber aus …

Belly ist eine interessant gezeichnete Figur. Sehr glaubhaft wird sie von Jenny Han dargestellt – es ist, als würde man Bellys Gedanken und Gefühle hautnah miterleben. Besonders gefällt mir dabei, dass man als Leser nicht schlauer als die Hauptfigur des Buches ist. Belly tappt im Dunkeln, wenn es darum geht, zu verstehen, was sich verändert hat, und auch ihrer eigenen Gefühle ist sie sich oft nicht bewusst. Als Leser empfindet man während des Lesens vieles ähnlich wie das Mädchen und erfährt auch erst kurz vor Ende des Buchs, wie alles zusammenhängt … Dass hinter allem mehr steht, als man als Leser vermutet, kommt überraschend und tut dem Buch gut, das kurz vorher fast etwas auf der Stelle zu treten scheint.

Jenny Hans Buch ist letztendlich eine Liebesgeschichte, aber auch so etwas wie eine kleine Familiensaga. Immer wieder werden in einzelnen Kapiteln Erlebnisse Bellys aus früheren Jahren wiedergegeben – „mit vierzehn“ oder „mit elf“ steht dann kurz und prägnant am Anfang des Kapitels hinter der Kapitelnummer. Und schließlich ist „Der Sommer, als ich schön wurde“ auch noch so etwas wie eine Pubertätsgeschichte, ein Roman, in dem die Hauptfigur ein Stückchen näher zu sich selbst findet.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Mit der stillen Erzählweise, der Intensität in der Darstellung sowie der weiblichen Hauptfigur gehört Jenny Hans Roman eher zu den Büchern, die von Mädchen gelesen werden dürften. Die Idealisierung der romantischen Liebe, die Belly für Conrad empfindet, wird Weiteres dazu beitragen – manchem männlichen Leser mag das zu viel der dick aufgetragenen Gefühle sein. Mit Steven, Conrad und Jeremy hat das Buch auch Identifikationsfiguren für Jungen, aber zentral sind diese eben nicht – das Buch dreht sich eindeutig um Belly.

„Der Sommer, als ich schön wurde“ ist kein Buch, in dem übermäßig viel geschieht, in ihm steht anderes im Zentrum. Jenny Han erzählt einfühlsam einen Entwicklungsroman, dessen Stärke vor allem in psychologischen Momenten liegt.

Wie man dem Buchumschlag entnehmen kann, gibt es für die Geschichte über Belly auf Englisch bereits eine Fortsetzung, und Jenny Han schreibt angeblich schon an einem dritten Band. Ich bin nicht immer ein großer Freund von Roman-Fortsetzungen – zu leicht erliegen Autoren hier der Gefahr eines Abklatsches ihrer selbst. Aber vielleicht gilt das ja nicht für Jenny Han. Wir werden es sehen …

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(Ulf Cronenberg, 07.02.2011)

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Kommentare (0)

  1. Christoph Enzinger

    Ich hatte bei dem Titel in Kombination mit dem Titelbild die Assoziation „sexueller Missbrauch“ … Und nahm es, als ich es gestern in der Bücherei liegen sah, deshalb nicht mit. Aber vielleicht gebe ich dem Buch noch eine zweite Chance.

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Ein „Ich muss das gelesen haben“-Buch darfst du aber nicht erwarten – nicht unbedingt, das, was Männer in unserem Alter sonst so lesen …

      Antworten

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