(Fischer-Verlag 2011, 314 Seiten)
„ZWEIundDIESELBE“ war der erste Jugendroman der Amerikanerin Mary E. Pearson, der auf Deutsch erschienen ist; und das Buch war auch gleich ein voller Erfolg, befand es sich doch in der Sparte Jugendbuch auf der Nominierungsliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2010. Eineinhalb Jahre später hat der Fischer-Verlag nun einen neuen Jugendroman der Autorin veröffentlicht. „Ein Tag ohne Zufall“ heißt das Buch und ist – das vorab – etwas ganz anderes als „ZWEIundDIESELBE“.
Inhalt:
Destiny ist ein 16-Jähriges Mädchen, das seit vielen Jahren von ihren Eltern von einem Internat ins andere abgeschoben wird. Nie hat es das Mädchen länger als ein Jahr an einem Ort ausgehalten. Nur in Hedgebrook ist Destiny inzwischen fast zwei Jahre.
Für den 19. Oktober hat sich Destinys Tante Edie angekündigt. Doch am Morgen kommt ein Anruf, dass der Tante die Räder vom Auto geklaut wurden und sie deswegen nicht kommen kann. Destiny ahnt, dass es ein schrecklicher Tag werden wird. Doch dann passiert etwas Unerwartetes.
Im Park der Schule wird das Mädchen von einem Mann angesprochen, der sich als Mr. Nestor, Hilfslehrer für Mathematik, vorstellt. Destiny hat ihn noch nie gesehen. Besorgt fragt er, ob er der sorgenvoll dreinschauenden Destiny helfen könne. Ihm gegenüber äußert sie den Wunsch, dass sie so gerne einmal einen Tag erleben würde, an dem alles so ist, wie es sein soll.
Seltsamerweise kommt dann alles anders als gedacht. Auf dem Weg zum Schulhaus bemerkt Destiny vor dem Gebäude ein Kabriolett mit offener Tür und laufendem Motor. Am liebsten würde Destiny damit abhauen – doch sie kann nicht Auto fahren. Dann entdeckt sie Seth, der gerade zur Strafe den Schulhof sauber machen muss. Ihn fragt sie, ob sie mit dem Auto nicht eine Runde drehen wollen. Kurz darauf kommt Mira hervor, schließlich gabeln sie noch Aidan auf, der gerade wegen Nasenbluten von der Toilette kommt.
Zu Viert machen sie eine Spritztour, die jedoch länger als gedacht dauert. Ihr Ziel ist Langdon, das nächstgelegene größere Städtchen. Unterwegs stellen die Vier fest, dass eigentlich alles, was sie sich wünschen, in Erfüllung geht: Im Handschuhfach findet Destiny ein Bündel 100-Dollar-Scheine, kurz bevor der Tank leer ist, stoßen sie auf eine Tankstelle …
Bewertung:
In „Ein Tag ohne Zufall“ (Übersetzung: Gerald Jung und Katharina Orgaß) erzählt Mary E. Pearson eine bizarre Geschichte, die ein wenig an ein modernes Märchen erinnert. „Kann ein Moment die Wahrheit verändern?“ steht auf dem Buchumschlag. Die Tragweite dieses Satzes und seine Bedeutung für das Buch enthüllt sich dem Leser erst im Laufe des Romans.
Ein bisschen irritiert war ich von dem Buch anfangs schon, und es hat auch etwas gedauert, bis das Buch mich wirklich gepackt hat. Als Destiny, Seth, Mira und Aidan schließlich mit dem Auto unterwegs sind und ein Hauch Roadmovie in die Geschichte kommt, hatte sich meine anfängliche Irritation jedoch verflüchtigt. „Ein Tag ohne Zufall“ ist dennoch eine eigenwillige Geschichte: ein Gedankenspiel in Romanform, das nicht in einer richtigen Welt spielt.
Erst nach und nach wird einem als Leser klar, dass hinter Destiny (wie ihr Name ja eigentlich schon verdeutlicht) ein Schicksal steht, das im Laufe der Geschichte in seiner vollen Tragweite aufgefächert wird. Mary E. Pearson erzählt letztendlich die Geschichte eines Mädchens, das ihr Schicksal akzeptieren lernt, das durch den Tag mit drei Mitschülern, die sich als wahre Freunde entpuppen, gesund wird und sich dadurch seiner Vergangenheit stellen kann.
Es gibt jedoch eine Sache, die mich bei dem Buch gestört hat. Für mich passt das Alter der vier Jugendlichen nicht damit überein, wie sie sich im Buch verhalten. Ich hatte ständig vor Augen, dass es sich um Zwölf- oder Dreizehnjährige handelt, denn sowohl ihr Verhalten als auch ihre Sprache beinhaltet einen gehörigen Schuss Naivität. Doch im Buch wird Destiny 17 Jahre alt und Seth kann schon Auto fahren … Man kann das vielleicht mit dem märchenartigen Stil des Buches (der übrigens auch laut Verlagsangabe ab 12 Jahren ist) erklären – aber richtig zusammen passt das alles trotzdem nicht.
Am Ende des Romans wartet eine eher unerwartete Wendung des Geschehens auf den Leser, die man erst zwanzig oder dreißig Seiten vorher ahnt. Doch leider dauert der Schluss des Romans nach dieser Wendung etwas lange, weil alles aufgeklärt wird. Das ist meiner Meinung nach eine weitere kleine Schwäche des Buches: dass dem Roman damit das Geheimnisvolle genommen wird und sich alles in Wohlgefallen auflöst.
Fazit:
3 von 5 Punkten. Ein schlechtes Buch ist „Ein Tag ohne Zufall“ nicht, aber auch keines, das mich richtig begeistert hat. „ZWEIundDIESELBE“ von Mary E. Pearson hat mich deutlich mehr angesprochen: Die Geschichte war psychologisch tiefer, sie hatte mehr Drive und war auch literarisch anspruchsvoller umgesetzt. „Ein Tag ohne Zufall“ wirkt zwar durchaus auch gekonnt konstruiert (z. B. auch in Bezug auf die bedeutungsvollen Namen), hat aber einige Schwächen. Am meisten hat mich gestört, dass die Beschreibung und Handlungsweisen der Figuren nicht zum ihrem Alter passen.
Es ist wie so oft mit zweiten Büchern eines Autors / einer Autorin: Sie fallen im Vergleich zum Erstlingswerk ab. Bleibt zu hoffen, dass uns Mary E. Pearson in ihren nächsten Büchern wieder ein wenig packendere Stoffe präsentiert.
(Ulf Cronenberg, 31.01.2011)
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Welcher Teufel hat die Lektoren geritten, als sie diesem Buch den deutschen Titel und den Untertitel verpassten? Da werden die Leser für dumm verkauft. Und auch was sonst am Einband steht, sollte man tunlichst nicht lesen. „Ein Tag ohne Zufall“ strotzt von Zufällen.
Das Buch heißt im Original „The Miles Between“, was ich für einen sehr passenden Titel halte.
Würde das Buch in einer Metropole wie New York spielen, dann würde das Alter der Jugendlichen mit dem, wie sie sich verhalten und was sie sagen, nicht zusammenpassen.
Man mus aber bedenken, dass wir uns hier in einer Kleinstadt befinden, in einem Internat mit Schuluniformen. Den Campus verlässt man nur, wenn man die Eltern besuchen fährt. Außerdem suggeriert uns die Autorin, dass die vier Protagonisten einen kleinen Entwicklungs-Knacks haben. Ich habe mich da gut wieder gefunden. Ich war mit 16, 17 auch nicht anders als diese vier Jugendlichen.
Auch wenn natürlich der Showdown vorhersehbar ist – ich habe dennoch 20 Seiten lang geheult.
Ein schön konstruiertes, durch die vielen Zufälle witziges, sehr warmherziges Buch, in dem es sehr menschelt.