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Buchbesprechung: Keith Gray „Ostrich Boys“

Cover Keith OstrichLesealter 14+(Rowohlt Taschenbuch Verlag 2010, 315 Seiten)

„Ostrich Boys“ – mal ehrlich: Könnt ihr euch darunter etwas vorstellen? Dass das ein sehr gut gewählter Titel für das Buch des schottischen Autors Keith Gray ist, darüber erfährt man erst am Ende des Romans etwas. Das Wort „ostrich“ hat übrigens nichts mit Österreich zu tun, sondern so heißt auf Englisch schlicht und ergreifend der Vogel Strauß. Was dann „Ostrich Boys“ sind? Jungen, die wohl wie ein Strauß den Kopf in den Sand stecken …

Inhalt:

Ross ist von einem Auto angefahren und getötet worden, und seine Freunde Blake, Kenny und Sim sind hinterher ganz entsetzt über seine Beerdigung, die sie würdelos fanden. Nicht nur, dass der Pfarrer so gesprochen hat, als hätte er Ross gar nicht gekannt, auch der Rest der Beerdigung war nicht so arrangiert, wie sich das Ross gewünscht hätte. Deswegen beschließen die drei Freunde, sich die Urne mit der Asche ihres Freundes zu schnappen, nach Schottland zu einem Ort namens Ross zu reisen, um dort die Asche des Freundes zu verstreuen. Es war immer Ross‘ Traum gewesen, dorthin zu fahren – ein Traum, den er nicht mehr umsetzen kann.

Die Urne, die bei Ross‘ Familie steht, zu entwenden, ist nicht gerade einfach, doch es gelingt ihnen. Kurz darauf sitzen Blake, Kevin und Sim – immer in Sorge, dass ihnen die Polizei folgt – im Zug, um die lange Reise mit mehrmaligem Umsteigen anzutreten. Doch beim ersten Zugwechsel vergisst Kevin seinen Rucksack, der auch sein Ticket enthält, so dass die Drei im Anschlusszug vom Schaffner am nächsten Bahnhof rausgeschmissen werden. Von nun an müssen sie improvisieren.

Vor dem Bahnhofsgebäude finden sie jedoch zwei Jungen, die im alten Taxi eines Onkels unterwegs sind, und die beiden sind bereit, Blake, Kevin und Sim nach Blackpool mitzunehmen. Doch Blackpool liegt nicht gerade auf dem Weg nach Ross, sondern nur grob in dessen Richtung. Wie es von dort aus ohne viel Geld (auch davon war ein Großteil in Kevins Rucksack) weitergehen soll, wissen die Drei auch nicht …

Bewertung:

„Ostrich Boys“ (Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn) ist mal wieder ein Jugendbuch der Kategorie „Roadmovie“ – drei Jugendliche machen sich aus gegebenen Anlass auf, um zu einem Ort an der schottischen Küste zu reisen und lassen alles hinter sich. Allerdings sind sie im Gegensatz zu anderen Vertretern dieses Genres größtenteils nicht mit dem Auto, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Die Grundidee von Keith Grays Roman bietet einiges an Stoff für einen guten Roman: Der Freund ist ums Leben gekommen, drei Jugendliche machen sich alleine auf den Weg, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben, und die Urne mit der Asche des Freundes klauen sie auch noch, so dass bestimmt die Polizei auf den Plan gerufen wird … Der Plot muss doch eigentlich für Spannung sorgen.

Dass ich „Roadmovie-Romane“ grundsätzlich mag, dürfte dem ein oder anderen ja schon aufgefallen sein, und von daher war ich am Anfang des Buches eher etwas enttäuscht von Keith Grays Buch. Die Geschichte braucht etwas lange, bis sie wirklich in Fahrt kommt – so richtig begeistert hat mich das Buch erst ab Seite 200. Ich habe mich lange gefragt, warum das eigentlich so war – letztendlich liegt der Grund darin, dass der Jugendroman meiner Meinung nach in der ersten Häfte einige Chancen vergibt und halbherzig wirkt. So bleibt z. B. die Figurenzeichnung von Blake, Kevin und Sim etwas blass – irgendwie sind sie beim Lesen nicht vor meinem inneren Auge entstanden.

Etwas irritiert war ich außerdem davon, dass von Blake, dem Ich-Erzähler, im Buch in der ersten Hälfte so wenig Gedanken und Gefühle wiedergegeben werden. Stimmig fand ich das nicht, und es hat dazu beigetragen, dass mich das Buch anfangs nicht sonderlich gefesselt hat. Wenn man das Buch zu Ende gelesen hat, so kann man sich natürlich fragen, ob das Absicht ist (schließlich sind die drei Hauptfiguren ja Jungen, die den Kopf in den Sand stecken) – aber mir schien es eher so, als hätte Keith Gray hier seinem Roman nicht genug die psychologische Tiefe mitgegeben.

Das alles ist vergessen, wenn man auf den letzten gut 100 Seiten des Buchs dann als Leser darin verschwinden kann. „Ostrich Boys“ läuft hier endlich zur Höchstform auf: Die Geschichte spitzt sich zu, weil z. B. die Polizei hinter den Dreien her ist, als diese kurz vor dem Ziel sind. Aber was fast noch wichtiger ist: Das Buch nimmt eine unerwartete Wendung – und das ist etwas, was dem bis dahin eher linear verlaufenden Buch gut tut.

Fazit:

4 von 5 Punkten. „Ostrich Boys“ ist nicht der geniale Roadmovie-Roman, den ich gerne darin gesehen hätte, sondern eher ein solider Vertreter dieses Genres. Die Schwächen des Buchs sind, dass es zu lange auf der Stelle tritt, bis wirklich etwas Packendes passiert und dass die Personenbeschreibungen außerdem zu oberflächlich bleiben. Nicht immer sind die Figuren ganz glaubwürdig gezeichnet. Keith Gray hat es hier natürlich schwer, hat John Green in „Margos Spuren“ in diesem Jahr, was Roadmovie-Geschichten angeht, die Messlatte besonders hoch gelegt (wobei „Margos Spuren“ auch seine Schwächen hat). Dem zaghaften Beginn gegenüber bietet „Ostrich Boys“ am Ende zumindest einen Schluss, der einen dann doch noch mit dem Roman versöhnt.

Alles in allem versprüht „Ostrich Boys“ durchaus doch noch einen gewissen Charme. Ich kann mir vorstellen, dass jugendliche Leser vielleicht nicht ganz so pingelig sind wie ich und das Buch mögen werden.

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(Ulf Cronenberg, 02.11.2010)

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Kommentare (0)

  1. Elisabeth Grimm

    Hallo Herr Cronenberg,
    Ihre Rezensionen lese ich immer sehr gerne und mit großem Interesse. Bis jetzt haben sie mir schon oft als Orientierungshilfe gedient. Also dafür zunächst mal vielen Dank. 🙂
    Was „Ostrich Boys“ betrifft: Mit diesem Buch hatte ich tatsächlich auch schon geliebäugelt, weil ich den Plot einfach sehr ansprechend finde. Ich bin auch ein Fan von Roadmovie-Romanen, und allein deswegen würde ich das Buch trotzdem gerne lesen, auch wenn Ihre Bewertung nicht ganz so glanzvoll ausgefallen ist (was die ersten 200 Seiten betrifft).
    Und von wegen Roadmovie-Romanen! Da hätte ich auch noch eine Empfehlung (zur Abwechslung mal ;)).
    Die Rede ist von Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ – dieses Jahr bei Rowohlt erschienen. Kein speziell ausgewiesenes Jugendbuch, aber trotzdem sehr gut für Jugedliche lesbar, da der Ich-Erzähler auch in diesem Alter ist und das auch wirklich so klingt (!) – und nicht so, als würde ein Erwachsener die Jugendsprache nachahmen (Kompliment an den Autor!).
    Ich würde diesem Buch jedenfalls die vollen fünf Punkte geben! 🙂

    So viel von mir.
    Weiterhin noch alles Gute und hezliche Grüße,
    Elisabeth Grimm

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Danke für den Tipp. Ich habe „Tschick“ übrigens schon gelesen und die Buchbesprechung auch schon aufgesetzt – komme aber gerade nicht dazu, sie noch mal gründlich durchzuackern. Vielleicht schaffe ich es später doch noch, spätestens jedoch hoffentlich am Sonntag. Aber grundsätzlich stimme ich mit Ihnen überein: „Tschick“ ist ein tolles Buch. Das schon mal vorab.
      Viele Grüße
      Ulf Cronenberg

      Antworten

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