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Buchbesprechung: Monica M. Roe „Starr“

Cover Monica M. RoeLesealter 14+(Fischer Taschenbuch Verlag 2010, 327 Seiten)

Ein hübsches Cover und ein Titel, der mit einem Wort spielt: „Star“, daran ein blasses „r“ gehängt – das ergibt das Wort „starr“. Passender kann der Titel für Monica M. Roes ersten Jugendroman, der im englischen Original „Thaw“ (was so viel wie „auftauen“ heißt) eigentlich nicht sein. Die amerikanische Autorin arbeitet übrigens als Physiotherapeutin in einem Krankenhaus, und ihre Geschichte hat durchaus etwas damit zu tun, wie ihr gleich sehen werdet …

Inhalt:

Dane könnte man einen Überflieger nennen: Er ist nicht nur ein sehr guter und intelligenter Schüler, sondern auch ein hervorragender Langläufer, der es gewohnt ist, bei Wettkämpfen immer zu gewinnen. Alles im Leben scheint ihm zuzufliegen – und so ist es auch nicht verwunderlich, dass er mit Elise eine Freundin hat, um die ihn viele andere Jungen beneiden. Was Dane jedoch fehlt, ist so etwas wie Mitgefühl. Er sieht das Leben von seiner pragmatischen Seite, bewahrt stets seine Unabhängigkeit und kümmert sich selten um seine Mitmenschen.

Bei einem Skilanglauf-Wettkampf beginnt es plötzlich in seinen Beinen zu kribbeln, Dane kommt ins Stolpern, fällt über einen auf der Loipe liegenden Ast und schließt das Rennen seit langem das erste Mal nicht als Sieger ab. Doch das ist erst der Beginn von etwas viel Tragischerem. Am Abend kann Dane sich kaum noch rühren und sein Zustand verschlimmert sich. Am nächsten Morgen wacht er neben Elise auf, kann sich nicht mehr bewegen und sich auch nicht verständlich machen – gerade noch rechtzeitig ruft Elise den Krankenwagen, als auch das Atmen für Dane immer schwerer wird.

Im Krankenhaus stellt man fest, dass er am Guillain-Barré-Syndrom leidet, einer Krankheit, bei der relativ plötzlich der ganze Körper gelähmt ist, die sich jedoch in den meisten Fällen nach mehreren Monaten schrittweise zurückbildet. Dane wird von seinen vielbeschäftigen und erfolgreichen Eltern in eine Reha-Klinik nach Florida geschickt, wo er von Physio- und Ergotherapeuten langsam wieder auf Vordermann gebracht werden soll.

Elise hat kurz vorher noch die Beziehung zu ihm beendet, nicht seiner Krankheit wegen, sondern weil Dane ihr nie richtig seine Zuneigung und Liebe gezeigt hat. Dane schiebt das in der Klinik alles weg, doch er kommt in der langen Zeit dort nicht umhin, sich damit auseinanderzusetzen …

Bewertung:

„Starr“ (Übersetzung: Barbara Küper) ist ein interessantes Buch – das gleich vorweg –, weil es zeigt, wie ein arroganter Jugendlicher durch eine Krankheit gezwungen wird, mitfühlend und bescheiden zu werden. Das Buch beginnt, als Dane seine Reha-Therapie in der Klinik antritt – und der Aufenthalt dort ist eine harte Zeit für ihn. Es sind weniger die Schmerzen der nach und nach wiederkehrenden Gefühle in den Muskeln und Gliedmaßen, die ihm zu schaffen machen, als seine Therapeuten. Vor allem mit Anya, seiner Physiotherapeutin, die sich sein arrogantes Verhalten nicht gefallen lassen will, kommt es ständig zu Streit, und Dane versucht, sie mit allen Mitteln auflaufen zu lassen.

Monica M. Roes Buch ist aus der Sicht Danes geschrieben. Dabei wechseln sich Kapitel ab, die einerseits die Gegenwart in der Klinik, andererseits die Wochen vor und während des Ausbruchs der Krankheit beschreiben. Als Leser bekommt man wohl dosiert mit, wie Dane sich in der Klinik mühsam zu verändern beginnt und sein Leben vor der Krankheit Revue passieren lässt. Aus dem selbstgefälligem „Star“ wird im Laufe des Buches, während die Konflikte immer wieder eskalieren, langsam ein nachdenklicherer Junge.

„Starr“ hat dabei gewisse Qualitäten eines Psychodramas, das seine Spannung daraus bezieht, dass Dane immer wieder mit seinem selbstherrlichen Verhalten aneckt, sich andere das aber nicht gefallen lassen. Relativ schnell hat man als Leser kapiert, dass Dane am Ende des Buches ein anderer sein wird – und trotzdem liest man neugierig weiter, um zu erfahren, was noch alles passiert. Interessant gezeichneten Figuren begegnet man dabei: die schroffe Anya, die selbst eine schwierige Vergangenheit mit sich herumschleppt, Danes sympathischer Ergotherapeut Joel, der sofort einen Draht zu dem Jungen findet, oder die aufbrausende Carissa, deren Vater seit vier Jahren im Koma liegt und im Nachbarzimmer untergebracht ist.

Auf den letzten 50 Seiten, als seine Eltern ihn nach mehreren Wochen erstmals in der Klinik besuchen, wird genauer verdeutlicht, warum Dane zu Beginn des Buches ein so selbstgefälliger Jugendlicher ist. Es ist vor allem Danes Vater, der nur Zuneigung zeigen kann, wenn sein Sohn erfolgreich ist. „Starr“ beschreibt hier das Psychogramm einer Familie, das vielleicht ein bisschen überzeichnet wirkt, aber trotzdem stets spannend und packend bleibt.

Fazit:

4-einhalb von 5 Punkten. Monica R. Roes Buch hatte es mir schon nach wenigen Seiten angetan – letztendlich hatte ich es in drei größeren Schwüngen gelesen und wollte den Jugendroman nicht aus der Hand legen. Überkritische Leser werden vielleicht zu mäkeln haben, dass Dane und seine überehrgeizigen Eltern manchmal zu übertrieben und stereotyp dargestellt werden und dass Dane letztendlich in dem Buch zu gut weg kommt. Aber lässt man sich dennoch auf das Buch ein, so kann man nicht leugnen, dass „Starr“ eine fesselnde Geschichte erzählt.

Was man aus dem Buch lernen kann? Menschen, denen alles zufällt, die immer Erfolg haben, sind nicht gerade angenehme Zeitgenossen. Schicksalsschläge machen sie oft sympathischer und mitfühlender. Eine neue Erkenntnis ist das sicher nicht – aber ihre Umsetzung in einem Jugendbuch mit Psychodrama-Elementen hat durchaus ihren Reiz.

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(Ulf Cronenberg, 03.10.2010)

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