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Buchbesprechung: Johanna Nilsson „Ich hau erst mal ab“

Cover Johanna NilssonLesealter 14+(Oetinger-Verlag 2010, 237 Seiten)

Ein Buch „für alle Altersstufen“ – so steht es auf der Oetinger-Webseite … Tja, das ist wohl etwas übertrieben. Erstlesern kann man Johanna Nilssons Jugendroman jedenfalls nicht empfehlen … 😉 Das Buch der Schwedin ist eher etwas für Jugendliche ab 14 Jahren.

Wer kennt das Gefühl nicht, dass man sich am liebsten auf und davon machen würde, weil einem alles zu viel wird? Die Hauptfigur in „Ich hau erst mal ab“ macht genau das und hat einen guten Grund dafür. Wie andere Bücher (z. B. das von mir noch immer geschätzte „Landeplatz der Engel“ von Frank M. Reifenberg) ist auch Johanna Nilssons Jugendroman eine Art literarischer Roadmovie …

Inhalt:

Janis ist 17 Jahre alt und verbringt mit ihrer besten Freundin Emelie viel Zeit. Doch die beiden haben es nicht leicht: Emelie wird von ihren Mitschülern wegen ihrer guten Schulleistungen gemobbt, und auch auf Janis fällt das zurück. Nicht mitbekommen hat Janis jedoch, dass es Emelie immer schlechter geht, und völlig verwirrt bleibt sie zurück, als Emelie in der Schule Amok läuft, sieben Menschen tötet und am Ende sich selbst. Janis macht sich große Vorwürfe, dass sie das nicht hat kommen sehen, dass sie ihrer Freundin nicht gut genug zur Seite gestanden hatte … – und beschließt nach der Tat, ungefragt das Auto ihres Bruder zu nehmen, um abzuhauen.

Einfach nach Norden will Janis fahren (obwohl sie keinen Führerschein hat) und damit einen Traum ausführen, den sie eigentlich zusammen mit Emelie verwirklichen wollte: die Freiheit suchen und das Ultimative, für das es sich zu leben lohnt, finden. Doch schon bald merkt Janis, dass sie etwas naiv an das Ganze herangegangen ist. Zunächst lernt sie nette Leute kennen, doch schon bald wird ihr von LKW-Fahrern übel mitgespielt. Sie kommt gerade noch einmal davon.

Später begegnet Janis Jim, einem Jungen, der wie sie seine Geheimnisse zu haben scheint, darüber jedoch kein Wort verliert. Janis verliebt sich in Jim, will jedoch trotzdem alleine aufbrechen und weiter nach Norden fahren. Doch Jim gibt nicht auf, hängt sich Janis an die Fersen – bis sie schließlich zu zweit weiterreisen …

Bewertung:

Gute Roadmovie-Bücher haben mir schon immer gefallen – auch wenn sie meist Ähnliches erzählen. Der Aufbruch ins Unbekannte, die Flucht vor etwas haben fast immer Spannendes zu bieten, versprechen besondere Erlebnisse und Begegnungen – und gemeinsam ist den guten dieser Romane, dass sie Tempo haben. „Ich hau erst mal ab“ (Übersetzung: Birgitta Kicherer) bietet das auch – zumindest am Anfang. Die Ausgangssituation des Buches scheint vielleicht etwas übertrieben, denn der Amoklauf von Emelie wird nicht nachvollziehbar genug geschildert – aber darüber habe ich zunächst einmal hinweggesehen, denn ansonsten beginnt Johanna Nilssons Jugendbuch spannend und abwechslungsreich.

Janis ist eine interessante Figur, der man gerne folgt: egal, ob sie nach Norden flieht, ob sie an ihre Zeit mit Emelie zurückdenkt oder im Geiste mit Emelie spricht, als würde ihre Freundin noch leben. Manchmal versteht man Janis‘ Verhalten, wann anders wundert man sich etwas über sie – aber die besondere Situation, in der sich das Mädchen befindet, erklärt das letztendlich doch schlüssig.

Der in der Inhaltszusammenfassung schon erwähnte Jim tritt erst nach der Hälfte der Geschichte ins Buch – und das war für mich der Wendepunkt, ab dem „Ich hau erst mal ab“ seltsamerweise einiges an Reiz verloren hat. Jim ist wie Janis eine ungewöhnliche Figur, ein schwieriger Mensch – und dennoch: Es wäre mir lieber gewesen, Janis wäre irgendwann ohne ihn weitergezogen.

Das Buch bekommt durch die Begegnung mit Jim eine neue Wendung, die eine gewisse Logik hat – aber leider tritt dadurch etwas von einem Beziehungsdrama in den Vordergrund, wo vorher Vergangenheitsbewältigung das Hauptthema war. Das ist etwas übertrieben ausgedrückt, denn natürlich geht es noch immer darum, dass Janis die Frage, wie ihr leben weitergehen soll, beschäftigt. Aber die schwierige Beziehung zwischen Janis und Jim sowie die Vergangenheit Jims rücken nach vorne – für meinen Geschmack hätte es das nicht in diesem Maße gebraucht. „Ich hau erst mal ab“ verliert dadurch etwas von der Konzentration auf das Wesentliche, die dem Buch auch in der zweiten Hälfte gut getan hätte. Letztendlich konnte mir Johanna Nilssons Buch – das sei noch erwähnt – auch nicht so recht begreiflich machen, warum Janis so sehr an Jim hängt und nicht irgendwann wieder alleine weiterzieht.

Fazit:

3-einhalb von 5 Punkten. Was mich an „Ich hau erst mal ab“ gestört hat, wurde ausreichend beschrieben – und es entsteht dabei wohl der Eindruck, dass ich das Buch nicht sonderlich mochte. Doch das wäre eindeutig übertrieben. Johanna Nilssons Roman hat eine gute Grundidee, ist bis zur Hälfte des Buches sehr lesenswert, hat jedoch in der zweiten Hälfte eben auch einige Schwächen. Dazu zählt, dass aus meiner Sicht nicht alles psychologisch ganz plausibel erklärt wird. Der Amoklauf Emelies, der zu blass dargestellt und nicht ausreichend erklärt wird, gehört dazu, aber auch die als schicksalshaft beschriebene Beziehung zwischen Jim und Janis.

Schade, Johanna Nilssons Roadmovie-Roman fängt so vielversprechend an, stellt dann an einigen Stellen jedoch die Weichen falsch, so dass manches ein wenig aus dem Ruder läuft und das Buch das ursprüngliche Thema etwas aus den Augen verliert. Das ist zumindest meine Sicht – vielleicht geht es anderen Lesern jedoch anders. Einen Versuch wäre es wert …

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(Ulf Cronenberg, 27.09.2010)

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Kommentare (0)

  1. Anna

    Ich fand das Buch toll!

    Antworten

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