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Buchbesprechung: Patricia MacLachlan „Edwards Augen“

Cover Patricia MacLachlanLesealter 11+(Hanser-Verlag 2010, 91 Seiten)

Ein besonderes schmales Bändchen ist Patricia MacLachlans Kinderbuch „Edwards Augen“. Wer das Buch gelesen hat, der wird auch finden, dass das Cover hervorragend dazu passt. Ein Junge, der am Meeresstrand in die Höhe hüpft und dadurch seine Lebensfreude ausdrückt. Genau darum geht es in dem kurzen Roman: um einen Jungen, der immer fröhlich ist, der alles in sich aufsaugt und das Leben als ständiges Abenteuer sieht. Man ahnt schon, wenn ich das so schreibe, dass in dem Buch noch etwas Tragisches passieren muss …

Inhalt:

Acht Jahre ist Edward alt, und er lebt mit seinen Eltern und den vielen Geschwistern, die er hat, am Meer. Eine intensive Beziehung hat Edward zu seinem größeren Bruder Jake. Als Edward geboren wurde, waren Jake sofort Edwards besondere Augen aufgefallen, und gleich hat er geahnt, dass Edward ein außergewöhnlicher Junge ist. Und so ist es auch.

Edward spielt für sein Leben gerne Baseball, und täglich trainiert er, wenn es das Wetter zulässt, mit Freunden auf der Wiese vor dem Haus. Dabei kommt es ihm nicht aufs Gewinnen an, sondern es ist die Freude am Spiel, die ihn das tun lässt. Überhaupt hat Edward an allem große Freude. Er geht offen auf andere zu und ist dementsprechend beliebt.

Als Jakes und Edwards Eltern ein weiteres Kind bekommen, ist Edward von Anfang an davon überzeugt, dass es ein Mädchen wird. Er bestimmt auch den Namen, indem er es schon vor der Geburt Sabine nennt. Als das Mädchen dann wirklich geboren wird, ist Edward vor Begeisterung nicht mehr zu halten: So wie Jake sich zu Edward hingezogen fühlt, erlebt Edward das auch bei Sabine und kümmert sich rührend um das Neugeborene.

Eines Tages will Edward vor dem Essen noch schnell etwas für Sabine in der Stadt besorgen: eine Überraschung. Erst wollen Jake und seine Mutter ihn daran hindern, vor dem Essen noch einmal wegzugehen – doch Edward setzt sich durch und fährt mit dem Fahrrad davon. Als er längere Zeit nicht wiederkommt und schließlich ein Polizeiauto vor dem Haus hält, ahnen alle, dass etwas Schlimmes passiert ist …

Bewertung:

Ich habe fast etwas viel über das Buch erzählt, wenn im letzten Satz angedeutet wird, dass Edward stirbt. Doch letztendlich ahnt man auch als Leser schon bald, dass Edwards Unbeschwertheit nicht das ganze Buch ausfüllen kann, dass noch etwas Tragisches passieren wird. Und so kommt es auch. Doch da die Handlung nicht unbedingt das ist, was „Edwards Augen“ zu einem besonderen Buch macht – Ähnliches hat man schon gelesen –, sollte die Vorwegnahme des tragischen Moments hier auch nicht allzu sehr stören.

Patricia MacLachlans Buch zeichnet sich durch etwas anderes als eine noch nie erzählte Begebenheit aus: durch die eindrückliche Schreibweise. Passend zu der ganz besonderen Figur Edwards, der ein rundum glückliches Kind ist, wird in dem Buch nur von wenigen, dafür aber ganz intensiven Momenten erzählt. Kurze Schlaglichter aus dem Leben werden beschrieben, Situationen, aus denen hervorgeht, welch besonderer Bruder Edward für den Erzähler Jake ist.

Patricia MacLachlan gelingt es mit dieser Erzählweise sehr gut, Edward auch vor den Augen des Lesers entstehen zu lassen. Nicht nur die Figuren im Buch fühlen sich zu Edward hingezogen – als Leser geht es einem ganz genauso. Das ist eindeutig die Stärke dieses Buches.

Ein wenig wird sie jedoch damit erkauft, dass „Edwards Augen“ – das gilt insbesondere für die letzten 25 Seiten – etwas überkomponiert und gewollt daherkommt. Meiner Meinung nach ist am Ende das Buch etwas der Gefahr erlegen, in den Kitsch abzugleiten. Musste es sein, dass Edwards Organe gespendet werden? Ist es nicht auch etwas klischeehaft, dass nach einer kurzen Trauerphase relativ schnell die Fröhlichkeit in der Familie wieder Einzug hält, weil Edward in seinen gespendeten Organen fortlebt? Mir waren diese letzten Seiten jedenfalls zu rührselig, und sie haben den positiven Eindruck der ersten eindrücklichen Hälfte des Buches leider relativiert.

Fazit:

3-einhalb von 5 Punkten. „Edwards Augen“ ist ein über weite Strecken faszinierendes Buch. Patricia MacLachlan versteht es, die Figur Edwards plastisch vor dem Auge des Lesers entstehen zu lassen. Feinfühlig ist das Buch geschrieben – und von Birgitt Kollmann auch so übersetzt worden. Doch das leichte Abdriften in den Kitsch am Ende des Bändchens hat mir nicht so sehr gefallen. Es ist schade, dass Patricia MacLachlan – wie ich meine – am Ende genau das geschrieben hat, was man dem Klischee nach erwarten würde.

Ein bisschen ratlos bin ich darüber hinaus in Bezug auf die Frage, welche Zielgruppe dieses Buch haben könnte. Es ist wie mit den Büchern von Paula Fox: „Edwards Augen“ ist eher eine Kindergeschichte, von der vor allem Erwachsene angetan sein dürften. Um als 11- bis 15-Jähriger Gefallen an dem Buch zu finden, muss man Bücher mögen, in denen sich auf der Handlungsebene nicht allzu viel tut, die dafür aber eine sprachliche Eindrücklichkeit und psychologische Tiefe haben. Und das wissen sicher nicht alle Kinder und Jugendlichen zu schätzen. Am ehesten ist „Edwards Augen“ vielleicht noch ein Buch zum Vorlesen …

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(Ulf Cronenberg, 10.09.2010)

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