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Buchbesprechung: Karin Bruder „Zusammen allein“

Cover Karin BruderLesealter 14+(dtv 2010, 267 Seiten)

Der Eiserne Vorhang, die Grenze zwischen dem kommunistischen Ostblock und den westlichen Ländern Europas, ist im Jahr 1989 gefallen. Wer diese Zeit nicht miterlebt hat, kann sich kaum vorstellen, wie schlimm sie für viele Menschen war. Die meisten Menschen in den Ostblock-Ländern waren nicht nur arm, sondern wurden unterdrückt und bespitzelt. Es ist jedenfalls gut, dass Bücher an diese Zeit erinnern – und genau das leistet Karin Bruders Buch „Zusammen allein“, das in Rumänien vor dem Jahr 1989 spielt.

Inhalt:

Agnes lebt mit ihren Eltern in Rumänien, doch die Unzufriedenheit mit der Lebenssituation dort wächst. Als Erster setzt sich der Vater, als sich die Gelegenheit gibt, nach West-Deutschland ab. Agnes‘ Mutter nutzt einige Zeit später einen Urlaub in Ungarn, um ihm nachzuziehen, und plötzlich steht das Mädchen alleine da. Notdürftig kommt Agnes zunächst bei einer Tante, wo sie sich jedoch unwohl fühlt, unter. Und so macht sich das Mädchen auf den Weg zu seiner Oma, die in Kronstadt lebt – auch wenn niemand in der Familie mit dieser etwas zu tun haben will. Agnes‘ Oma wird vom Rest der Familie hinter vorgehaltener Hand immer „Hure“ genannt. Warum, das weiß Agnes nicht.

Puscha, wie Agnes‘ Oma von fast allen genannt wird, lebt in einer Wohnung, in der jedoch noch ein Ehepaar mit einem älteren Sohn untergebracht ist – denn Wohnraum ist knapp in Rumänien. Zunächst will Puscha Agnes dazu bringen, wieder zur Tante zurückzukehren, doch irgendwann akzeptiert sie Agnes, die fortan bei ihr wohnt und in Kronstadt zur Schule geht.

Doch die Zeiten bleiben schwierig – auch wenn Agnes‘ Oma ein dichtes Netz mit Beziehungen nach dem Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“ geknüpft hat, durch das sie das Lebensnotwendige zusammenbekommt. Die Eltern von Agnes möchten ihre Tochter nach Deutschland holen, doch das Mädchen will nicht wirklich etwas davon wissen – Agnes ist zu sehr enttäuscht, dass ihre Eltern sie einfach zurückgelassen haben.

Die Situation für Agnes, ihre Oma sowie die Mitbewohner wird immer schlimmer. Es dauert nicht lange, da machen sie mit den fiesen Methoden des rumänischen Geheimdienstes Bekanntschaft, weil Petre, der Sohn der Mitbewohner, heimlich Flugblätter druckt …

Bewertung:

Es gibt Autoren und Autorinnen, die man nicht kennt und die einen überraschen. Karin Bruder ist das bei mir gelungen, denn „Zusammen allein“ ist nicht nur ein geschichtlich interessanter Jugendroman, sondern auch einer, der packend erzählt wird. Es sind verschiedene Momente, die mich für dieses Buch eingenommen haben.

Zum einen lebt „Zusammen allein“ von seinen besonderen Figuren. Allen voran ist hier Agnes‘ Großmutter Puscha zu nennen. Sie ist eine ruppig-herzliche und ungewöhnliche Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und fluchen kann, was das Zeug hält. Ein Unikat könnte man diese Frau nennen. Puscha hat sich mit den schweren Lebensumständen arrangiert und versucht, das Beste daraus für sich und ihre erweiterte Familie, zu der auch die Mitbewohner zählen, zu machen. Auch Agnes, die anfangs naiv ist und im Laufe des Buches dazulernt, ist eine spannende Figur. Agnes sucht nach der Liebe und meint sie in Petre, dem Sohn des Ehepaares, das bei ihnen wohnt, zu finden – doch die Wege der Liebe sind kompliziert.

Zum anderen ist Karin Bruders Buch jedoch auch gut erzählt. Sehr einfühlsam werden die Figuren und ihre Gedanken geschildert, immer wieder trifft man dabei auf ungewöhnliche und zugleich passende sprachliche Bilder:

Rentieren war immer schon eines ihrer Lieblingswörter gewesen, das R am Anfang hätte einen Lastwagen den Berg hinaufschieben können, so kraftvoll war es. (S. 197f)

Häufig werden die Figuren wie hier Puscha mit solchen Formulierungen gezeichnet und bekommen Leben eingehaucht.

„Zusammen allein“ ist jedenfalls ein packendes Buch: mit einer gewissen Spannung, mit einem plausiblen geschichtlichen Hintergrund, der dem Leser die schlimme Zeit der Diktatur unter Nicolae Ceaușescu, dem rumänischen Diktator, vor Augen hält. Dass auf den letzten Seiten des Buchs die Diktatur am Ende ist, weil sich auch in Rumänien – wie in anderen osteuropäischen Ländern – die Protestbewegung formiert und durchsetzt, wird eher verhalten aufgenommen. Zu Recht. Denn auch in Rumänien blieben die alte Seilschaften über das Ende Ceaușescus hinaus lange erhalten – auch hier macht das Buch alles richtig und gleitet nicht in einen Kitsch à la „Jetzt wird alles besser“ ab.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Zusammen allein“ ist ein gutes, ein besonderes Buch – nicht nur, weil es auch einen pädagogischen Hintergrund hat (nämlich etwas über die schwierigen Zeiten in einem Ostblock-Land berichtet), sondern vor allem auch, weil das Buch fesselnd und bravourös erzählt ist. Karin Bruders Jugendroman bietet eben mehr als nur das geschichtliches Panorama einer dunklen Zeit, es sind einige Nebenthemen, die das Buch bereichern – darunter die Suche eines Mädchens nach der Liebe.

Dass die Autorin zehn Prozent ihrer Einnahmen an die Vereinigung „Reporter ohne Grenzen“ spendet, passt gut in das Gesamtbild dieses engagierten Buches. „Zusammen allein“ ist jedenfalls ein Jugendroman, den man weiterempfehlen kann und sollte …

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(Ulf Cronenberg, 21.08.2010)

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