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Kurzrezension: Gabi Kreslehner „In meinem Spanienland“

Cover KreslehnerLesealter 16+(Picus-Verlag 2010, 198 Seiten)

Mit „Charlottes Traum“ hatte Gabi Kreslehner letztes Jahr ihr erstes Buch veröffentlicht – ein Jugendbuch, für das sie einige Preise, darunter zuletzt den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreises 2010, bekommen hat. Ich bin ja immer gespannt, was das zweite Buch neuer Schriftsteller/innen angeht, und so war es auch bei Gabi Kreslehner. Doch vom Jugendbuch- ist die Autorin ins Erwachsenenmetier gewechselt. Die Buchbesprechung wird von daher nicht allzu lange werden, denn „In meinem Spanienland“ ist ein Buch, das wirklich nur für wenige Jugendliche als Lektüre in Frage kommen dürfte. Aber anschauen wollte ich es mir trotzdem …

Carmen wird von ihrem Vater, der wie ein Spanier aussieht, aber beileibe keiner ist, Carmelita genannt. Doch als ihr Vater eines Tages plötzlich verschwindet, bleibt nur eines zurück: der Traum vom Spanienland, das Carmen aber gar nicht kennt, das eher eine Projektionsfläche für ein Mädchen ist, das es alles andere als leicht hat. In der Schule wird Carmen gehänselt, weil sie dick ist, die Lehrer halten sie letztendlich für dumm, und Carmens Mutter Steffi ist eine komplizierte Person, die sich vor allem um sich selbst und ihr Leben dreht. Sie kümmert sich eigentlich gar nicht um ihre Tochter.

Als Steffi schließlich mit Carmen wieder in den Heimatort an der Donau zurückkehrt, ändert sich einiges. Der nicht gerade attraktive Wirt eines Gasthauses verguckt sich angesichts von Steffis äußeren Reizen, mit denen sie nicht geizt, in sie, und schon bald heiraten die beiden.

Doch das geht nicht lange gut. Carmens Mutter verschwindet immer wieder wegen anderer Männer für ein paar Tage, wenn das Unglück mit ihrem Mann zu groß wird. Vorher verkriecht sie sich nächtelang in der Küche des Wirtshauses und kocht dann die besondersten Speisen, die man in der Gegend je zu essen bekommen hat.

Das ist nur der Anfang der Geschichte, und klar, irgendwann spitzt sich alles immer mehr zu. Gabi Kreslehner hat einen – das fällt einem von der ersten Seite an auf – extrem präzisen Sprachstil, der dicht, der immer wieder derb und schonungslos ist und dem man sich letztendlich nicht entziehen kann. Virtuos könnte man ihn nennen.

Die österreichische Provinz wird in „In meinem Spanienland“ letztendlich fast wie ein Kriegsgebiet beschrieben. Katastrophen bahnen sich an, und am Ende kommt alles dann immer mindestens so schlimm, wie man es befürchtet hat. Die Menschen sind von ihrem Trieben geleitet, sie haben Sehnsüchte und können sie nicht verwirklichen, sie stürzen ab und ab und zu taucht auch ein Fünkchen Liebe auf. Eine leichte Lektüre ist Gabi Kreslehners zweiter Roman wirklich nicht. Ein optimistischer auch nicht. „Schonungslos“, das bereits verwendete Adjektiv, beschreibt das Buch wohl am besten.

„In meinem Spanienland“ erzählt die Geschichte eines geschundenen Mädchens, das wenig Beachtung und Liebe erfährt und viel erleiden muss. Dass Carmen sich trotzdem irgendwie durchbeißt, ist fast ein Wunder – allerdings liegt da einiges auf der Strecke: sexuelle Belästigung durch den Stiefvater, Einnässen als Kind, Bulimie und heimatloses Herumstreunen – um nur ein paar Dinge zu nennen. Nein, eine wärmende Geschichte ist „In meinem Spanienland“ nicht.

Fazit:

5 von 5 Punkten. Gabi Kreslehners neuer Roman ist kein Jugendbuch, man kann es höchstens erfahrenen Lesern ab 16 Jahren in die Hand geben, die eine Herausforderung suchen. Ich war von „In meinem Spanienland“ trotzdem fasziniert – insbesondere von dessen Sprache. Eigentlich hatte ich erwartet, dass die atmosphärisch dichte Sprache die 200 Seiten als Hauptantriebsmotor für das Buch nicht überstehen wird, doch dem war nicht so. Immer wieder musste ich staunen angesichts der Wortgewalt, mit der Gabi Kreslehner schreibt.

Zur Sprache kommt hinzu, dass das Buch außerdem geschickt vom Wechsel der Erzählperspektive flankiert wird. Das Buch wird zu etwa zwei Dritteln personal erzählt, immer wieder jedoch durch kursiv gedruckte Ich-Berichte Carmens, die im ersten und letzten Satz den Redebegleitsatz „sagte Carmen“ stehen haben, unterbrochen. Und bei Letzterem zeigt die Autorin, dass sie sich in das Mädchen sehr gut hineinversetzen kann.

Die Geschichte selbst ist sicher nicht jedermanns Fall. Auch ich fand sie mitunter gewöhnungsbedürftig. Ist es Gesellschaftskritik, die dahinter steht? Wie viel derb Märchenhaftes hat Gabi Kreslehners Buch? Ist so das Leben in der Provinz? Ich kann das Buch nicht so ganz fassen … Aber genau das macht den Reiz von „In meinem Spanienland“ aus.

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(Ulf Cronenberg, 18.07.2010)

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