(Carlsen-Verlag 2010, 410 Seiten)
Das Buch war noch gar nicht erschienen, da wurde es vom Bulletin Jugend & Literatur schon mit der Auszeichnung „Eule des Monats“ bedacht. Susan Beth Pfeffers Zukunftsroman „Die Welt, wie wir sie kannten“, der im Original bereits 2006 erschienen ist, wird vom Carlsen-Verlag in diesem Frühjahr besonders umworben – eher ungewöhnlich für ein Jugendbuch, das eine in nicht allzu ferner Zukunft stattfindende Katastrophe beschreibt. Die letzten Jahre waren wir ja vom Carlsen-Verlag eher immer mit Fantasy- oder den Bis(s)-Büchern beglückt worden.
Inhalt:
Die ganze Welt fiebert dem Tag entgegen, bei dem ein Meteorit auf dem Mond aufschlagen soll. Das Schauspiel soll sogar mit bloßem Auge, noch besser jedoch mit einem Fernstecher zu beobachten sein – und nicht nur Astronomen, sondern auch Mirandas Familie hofft darauf, dass der Himmel an dem Tag nicht wolkenverhangen ist.
Doch das große Ereignis findet anders als von allen erwartet statt. Der Mond wird durch den Meteoriten aus seiner Umlaufbahn katapultiert und rückt näher an die Erde heran. Kurz darauf häufen sich die Horrormeldungen in den Medien: Durch die verstärkte Anziehungskraft des Mondes ausgelöst, spülen riesige Flutwellen die küstennahen Städte Amerikas hinweg, Millionen von Menschen sterben, auch wenn die Medien keine Zahlen nennen. Doch auch nach einigen Tagen beruhigt sich die Situation nicht: Es kommt vermehrt zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen – das Klima ist völlig auf den Kopf gestellt, und die Versorgung der Menschen funktioniert gar nicht mehr.
Mirandas ursprünglich sozial eingestellte Mutter holt ihre Kinder am ersten Tag der Katastrophe vorzeitig von der Schule ab, um dann mit ihnen im Supermarkt und in anderen Läden Hamsterkäufe zu tätigen. Das Auto wird bis zum Rand mit allem Möglichen vollgeladen – und sie sind nicht die Einzigen, die so handeln. Entsprechend leergefegt sind die Läden nach kurzer Zeit.
Schon bald stellt sich heraus, dass all das keine übertriebene Vorsichtsmaßnahme war, denn es gibt keine Lebensmittel mehr zu kaufen, und durch das veränderte Klima ist nach einiger Zeit auch nicht mehr an den Anbau von Gemüse im Garten zu denken. Als dann Vulkanausbrüche dafür sorgen, dass der Himmel von Asche und Rauch verdeckt wird, wird es immer kälter, und Miranda, ihre Brüder Jon und Matt sowie ihre Mutter ahnen, dass ihnen ein schrecklicher Winter bevorsteht.
Bewertung:
„Die Welt, wie wir sie kannten“ beginnt eigentlich eher harmlos – aber wer den Buchumschlag oder die Vorschau zum Buch gelesen hat, weiß, dass das nicht lange so bleibt. Je weiter man mit dem Lesen kommt, desto mehr spitzt sich die Situation zu: Die Familienmitglieder haben kaum noch etwas zu essen, leben alle in einem Raum, den sie notdürftig beheizen, und Strom und Wasser gibt es am Ende auch nicht mehr.
Susan Beth Pfeffers Buch (Übersetzung: Annette von der Weppen) sollte man sich eher nicht mit der Frage nähern, ob ein solches Szenario wirklich so stattfinden könnte. Es gibt da so einige Ungereimtheiten, die mir aufgefallen sind: z. B. dass die Familie erst kürzlich im Wald geschlagenes Holz verheizt (dabei dürfte das ohne längere Zwischenlagerung und Trocknung kaum klappen). Aber lässt man solche Dinge mal außer Acht, so entfaltet „Die Welt, wie wir sie kannten“ ein beklemmendes Zukunftsszenario, das einem als Leser einiges klar macht: zum einen, wie gut wir es derzeit in unserem satten und warmen Wohlstand haben, zum anderen, wie abhängig wir von vielen Dingen sind. Welche Folgen es hat, wenn kein Strom mehr vorhanden ist, wenn kein Öl mehr fließt und das Gas nicht mehr durch die Rohre strömt, was passiert, wenn die Wasserversorgung zusammenbricht – all das hält einem dieses Buch vor Augen.
Susan Beth Pfeffer erzählt die Geschichte aus der Sicht Mirandas, die das, was sie erlebt, in ihrem Tagebuch aufschreibt. Das ist einerseits ein kluger Schachzug für einen Jugendroman, weil das Erlebte dadurch nah an Jugendlichen aus der subjektiven Sicht eines Mädchens dargestellt wirkt. Andererseits verhindert das jedoch auch, dass „Die Welt, wie wir sie kannten“ sprachlich und literarisch wirklich Herausragendes bietet. Der Roman ist gut und solide geschrieben, aber eben auch nicht mehr. Das fällt vor allem im eher etwas zahmen ersten Drittel auf, wenn man an einigen Stellen das Gefühl hat, hier wird – übertrieben ausgedrückt – nur beschrieben, ob der Strom funktioniert oder wieder ausgefallen ist. Alles in allem bezieht das Buch seine Spannung jedenfalls eher aus der Handlung, weil sich die Lage immer mehr zuspitzt. Darüber hinaus sind es die psychologischen Momente – u. a. die Spannungen in Mirandas Familie –, die dem Buch eine gewisse Tiefe geben.
Dass am Ende zumindest ein Hoffnungsschimmer auf den Leser wartet, kann man dem Buch zugutehalten. Es ist kein Happy End (was aber auch alles zunichte gemacht hätte), jedoch ebenso kein völlig offener Schluss.
Fazit:
4 von 5 Punkten. „Die Welt, wie wir sie kannten“ ist für mich nicht eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe, aber zumindest doch ein interessanter Jugendroman. Er spiegelt unsere Bequemlichkeit wider, stellt sie in Frage – und es ist gut, wenn man daran erinnert wird, dass das nicht alles selbstverständlich ist. Es dauert etwas, bis Susan Beth Pfeffers Buch wirklich packend wird, aber die zweite Hälfte hat es dann in sich.
Ich kann mir vorstellen, dass durch die weibliche Erzählerin insbesondere Mädchen ab 14 Jahren (aber selbstverständlich auch Jungen) von dem Buch begeistert sein werden – wahrscheinlich mehr als ich. Mir sind die Ungereimtheiten in dem Buch, aber auch der eher etwas träge Einstieg, der die fehlende sprachliche Finesse hervortreten lässt, dann doch immer wieder etwas aufgestoßen. Die Ungereimtheiten haben dazu geführt, dass ich das Buch weniger als Zukunftsroman gelesen denn als etwas konstruiertes Szenario empfunden habe.
Aus meiner Sicht hat Susan Beth Pfeffer damit einiges an Dramatik verschenkt, weil „Die Welt, wie wir sie kannten“ mit einem etwas realeren Hintergrund noch bedrängender gewirkt hätte. Dennoch: Lesenswert ist dieses Buch trotzdem.
(Ulf Cronenberg, 14.03.2010)
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Mir hat das Buch sehr gefallen, man kann sich richtig in die Situation hineinversetzen.
Gibt es noch weitere Teile von diesem Buch?
Bisher jedenfalls nicht … Aber auf Englisch sind inzwischen Band 2 („The Dead and the Gone“) und 3 („This World We Live in“) erschienen. Von daher ist damit zu rechnen, dass der Carlsen-Verlag die Folgebände in den nächsten eineinhalb Jahren auf Deutsch herausbringen wird.
Das Buch ist sehr anschaulich geschrieben, als der Wintereinbruch kam, war mir selbst so kalt, dass ich gezittert habe. Allerdings frage ich mich, warum sich die Lage auf einmal verbessert und wie wieder Lebensmittel angebaut werden können, da die Vulkanausbrüche und Erdbeben doch nicht einfach so aufhören – die Anziehungskraft des Mondes ist doch immer noch gleich, weil der Mond ja nicht nochmal verschoben worden ist … (ich weiß, etwas kompliziert, die Erklärung:)) Aber wenn man davon absieht, ist es ein gutes, wenn auch beängstigendes Buch. Ich bin schon gespannt auf die Fortsetzungen!
Im Großen und Ganzen gefällt mir das Buch recht gut. Es wirkt überzeugend und realistisch durch die kontinuierliche Tagebuchführung der Ich-Erzählerin. Jedoch fehlt es mir an vielen Stellen an Tiefe. Es wird immer wieder die kritische Lage beschrieben, immer wieder geht es nur um das Essen. Man erfährt nach meinem Geschmack zu wenig von der „Außenwelt“. Darüber könnte man an vielen Stellen noch etwas hinzufügen. Außerdem wirkt das Buch nach einer Weile recht monoton, da die Ich-Erzählerin immer wieder auf die Punkte Essen, Familie und Strom zurückkommt. Der Spannungsverlauf der Geschichte ist somit nur mäßig ansteigend.