(Sauerländer-Verlag 2010, 195 Seiten)
Jerry Spinelli und seine Bücher verfolge ich seit vielen Jahren – und es waren meist ganz besondere Bücher, die der amerikanische Autor geschrieben hat. Fast immer geht es um Kinder oder Jugendliche in schwierige Lebenssituationen – das ist auch in „Eiertanz“, Spinellis neuestem Werk, nicht anders.
Das Buch gefällt mir zumindest schon mal vom Cover her – sehr schick und symbolträchtig finde ich das Ei mit dem Pflaster! Erstmals ist ein Buch von Jerry Spinelli übrigens bei Sauerländer verlegt worden.
Inhalt:
Die Mutter des 9-jährigen Davids ist vor fast einem Jahr gestorben, und seitdem ist nichts mehr, wie es war. Aufgezogen wird der Junge nun von seiner Oma, doch David akzeptiert sie nicht und macht nie, was sie sagt. Außerdem musste er nach Perkiomen, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Philadelphia, umziehen – und dort hat er keine Freunde. Davids Vater arbeitet, das kommt noch hinzu, unter der Woche im entfernten Connecticut und ist nur am Wochenende zu Hause.
Als Davids Großmutter eines Tages ihren Enkel unbedingt an Ostern zur öffentlichen Eiersuche in einem Park mitschleppen will, ist David mal wieder wenig begeistert. Nur widerwillig kommt er mit. Doch beim Eiersuchen entdeckt er, wie er meint, eine Leiche. Als er auf einem Laubhügel ein Ei sieht und es nimmt, bemerkt er, dass darauf Lippenstift zu finden ist. Er wühlt in dem Laubhaufen und sieht dort ein Mädchen, das nicht auf ihn reagiert und tot zu sein scheint. Der Toten gegenüber erzählt er wie in einer Art Beichte noch kurz etwas von seiner Mutter, bevor er sich davon macht.
Am nächsten und übernächsten Tag durchsucht er die Zeitung nach einem Artikel über den Tod eines Mädchens – doch David findet nichts. Er fragt sich schon, ob er sich das alles nur eingebildet hat. Und dann entdeckt er in einer Bücherei auf einer Vorleseveranstaltung das „tote“ Mädchen, wie es in der letzten Reihe sitzt.
Damit beginnt eine seltsame Freundschaft zwischen den beiden. David und das 13-jährige Mädchen, das Primrose heißt, suchen auf der einen Seite ständig die Nähe zueinander, auf der anderen Seite geraten sie fast immer in Streit. Sehr ungewöhnliche Dinge unternehmen die beiden fortan miteinander. Sie schleichen nachts durch die Straßen, um im Müll nach auf dem Flohmarkt verkaufbaren Dingen zu suchen oder verbringen die Zeit bei Kühlschrank-John, der die gefundenen Dinge für sie repariert.
Bewertung:
„Eiertanz“ ist eine ziemlich skurrile Geschichte – aber das habe ich bei Jerry Spinelli auch nicht wirklich anders erwartet. Allein die Stelle, als David Primrose das erste Mal in dem Laubhügel sieht, ist mehr als nur seltsam, und als Leser fragt man sich, was es mit dieser verrückten Idee auf sich hat. Auf verschiedenen Ebenen geht das in dem Buch immer so weiter. Vor allem Primrose (was übrigens auf Deutsch „Schüsselblume“ heißt) ist immer wieder gut dafür, ungewöhnliche Dinge zu tun.
Letztendlich ist „Eiertanz“ ein Buch, das davon handelt, wie ein Kind und eine Jugendliche Dinge bewältigen, mit denen sie nicht zurechtkommen. Bei David ist es der Tod seiner Mutter, der ihn aus der Bahn geworfen hat, bei Primrose ist das Ganze etwas vielschichtiger (und soll hier auch nicht verraten werden). Wie die beiden sich dabei gegenseitig stützen, zugleich aber auch immer wieder mit ihrer schrulligen und ruppigen Art verletzen, hat seinen Reiz. Man muss als Leser nur erst einmal zulassen, dass „Eiertanz“ von der Story her vieles übertreibt und symbolisch überfrachtet …
Jerry Spinellis Besonderheit war schon immer auch die ungewöhnliche sprachliche Darstellung von Gefühlen und Stimmungen. Das ist auch in „Eiertanz“ nicht anders. Das ist einerseits faszinierend, andererseits übertreibt Spinelli hierbei manchmal. Ohne das Original gelesen zu haben, kann man nicht genau sagen, welchen Anteil daran Jerry Spinelli und welchen Anteil die Übersetzung von Cornelia Krutz-Arnold hat – doch als aufmerksamer deutscher Leser stolpert man da immer wieder über das ein oder andere – z. B.:
Sie warfen mit Steinen – das schon –, aber die hüpften nur über die Oberfläche ihrer gegenseitigen Gewässer. Flache, scharfkantige Steine, die nur einen Augenblick lang schmerzten und dann davontrieben. Doch im Laufe der Zeit, als der Sommer voranschritt, fiel ihm auf, dass manche Steine schwerer wurden, dass sie aufprallten und nicht nur über die Oberfläche flitzte, dass sie in die Tiefe sanken. Und eines Tages Ende Juli stieß ein Stein auf Grund. (S. 73)
Grundsätzlich gefällt mir das Bild mit den Steinen, das das gegenseitige Verletzen zwischen David und Primrose beschreibt, sehr gut. Aber können Steine „davontreiben“? Und „ihrer gegenseitigen Gewässer“ – das klingt nicht gerade sprachgewandt, sondern eher unbeholfen … Viele solcher leicht schiefen Bilder und sprachlichen Formulierungen sind mir in dem Buch aufgefallen. Meine Vermutung ist, dass hier schon das Original nachlässig ist, dass in der Übersetzung aber auch nicht alles getilgt wurde.
Fazit:
4 von 5 Punkten. „Eiertanz“ ist nicht Jerry Spinellis bestes Buch, und ich wurde beim Lesen gefühlsmäßig manchmal etwas hin und her geworfen. Spinelli hat eine Geschichte geschrieben, die sehr einfühlsam und zugleich skurril erzählt, wie ein Junge über den Tod seiner Mutter hinwegkommt. Das Buch ist bevölkert von schrägen Figuren – auch das ist fast so etwas wie ein Markenzeichen von Jerry Spinelli. Das mag man oder man mag es nicht. Was mich persönlich an dem Buch jedoch eher etwas gestört hat, ist, dass es an manchen Stellen leicht unausgegoren, nicht richtig rund wirkt.
Das gilt, wie oben schon beschrieben wurde, für die sprachliche Ebene, das gilt aber auch für die Geschichte an sich, die ein paar Hakenschläge zu viel macht. Es kam kurz vor Ende des Buches der Moment, an dem ich mich ein klein wenig zu langweilen begonnen habe, weil es mir zu viele der skurrilen Momente und Ideen waren. Sie hatten sich ein klein wenig totgelaufen.
(Ulf Cronenberg, 20.02.2010)
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Ich habe das Buch irgendwie nicht verstanden. Daher war es sehr langweilig.