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Buchbesprechung: Grit Poppe “Weggesperrt”

Cover PoppeLesealter 13+(Dressler-Verlag 2009, 320 Seiten)

20 Jahre ist der Fall der Mauer um Berlin und die DDR nun ziemlich genau her, und ein paar Bücher, die sich der Thematik angenommen haben, sind in diesem Jahr erschienen – z. B. Holly-Jane Rahlens‘ „Mauerblümchen”. „Weggesperrt“ ist Grit Poppes erstes Jugendbuch – die frühere Journalistin hat bisher nur Kinderbücher und Bücher für Erwachsene veröffentlicht. Mit ihrem Buch im Dressler-Verlag will die Autorin an die schlimmen Zustände in DDR-Kinder- und Jugendheimen erinnern.

Inhalt:

Die Mutter der 14-jährigen Anja konnte noch nie ihren Mund halten, und das war in der DDR stets gefährlich. Als eine Freundin im Jahr 1988 von der Stasi verhaftet wird, stellt sie aus Zorn und Wut einen Ausreiseantrag, und der führt schon bald dazu, dass Anja und ihre Mutter zunächst von Beamten in Zivil beobachtet werden, später in Gewahrsam genommen werden – und zwar voneinander getrennt.

Anja wird zunächst in ein Durchgangsheim der Jugendhilfe gesteckt. Dort wird ihr gesagt, dass sie nichts zu befürchten habe, wenn sie kooperativ ist und alles erzählt, was sie weiß. Dass Anja jedoch keine Ahnung von all dem hat, nehmen die Vernehmer der 14-Jährigen nicht ab.

Mit anderen Mädchen ist sie in einem großen Schlafsaal untergebracht, tagsüber müssen sie im Heim Arbeiten verrichten. Beim kleinsten Vergehen drohen Strafen, schlimmstenfalls die isolierte Unterbringung in einer kargen Arrestzelle für einige Tage. Mit einem der Mädchen, das sich Gonzo nennt, freundet Anja sich an – doch als Anja für Gonzo Brot aus dem Speisesaal schmuggelt, erfährt sie, dass nicht nur die Erzieherinnen heimtückisch sind, sondern auch die Mitinsassen. Ein Mädchen verpetzt Anja.

So sehr Anja sich immer wieder auch bemüht, sich an die Regeln in dem Heim zu halten, für sie, die sich eigentlich nichts vorzuwerfen hat, ist das alles Schikane. So beschließt sie eines Tages abzuhauen, auch wenn ihr vorher eingetrichtert wurde, dass die Volkspolizei bisher noch jede Ausreißerin zurückgebracht habe. Anja schlägt sich zu ihrer Tante und ihrem Onkel in den Thüringer Wald durch, die sie für einige Wochen aufnehmen … Doch irgendwann wird Anja geschnappt und kommt zurück in das Heim, wo alles noch schlimmer ist als zuvor. Als sie einer Erzieherin gegenüber ausrastet, wird sie in eine Jugenderziehungsanstalt verlegt – und dort herrschen deutlich schlimmere Zustände als in dem Heim …

Bewertung:

Dass in der DDR nicht unbedingt zimperlich mit Menschen umgegangen wurde, die dem politischen System kritisch gegenüberstanden, ist bekannt – dass aber auch Jugendliche davon betroffen waren, weiß vielleicht nicht jedermann. Grit Poppe hat ein dunkles Kapitel in der Geschichte der DDR aufgegriffen – auch wenn die Story von „Weggesperrt“ fiktiv ist, so lehnt sie sich doch an Berichten von Jugendlichen an, die in der DDR in Heimen und Anstalten gefangen gehalten wurden.

Dass Grit Poppe für ihren Jugendroman recht viel recherchiert hat, merkt man dem Buch an – denn die Geschichte um Anja wirkt recht authentisch. Sehr genau wird das Leben in einem DDR-Heim oder in einer Anstalt beschrieben: Die eisige Stimmung, die ständige Bedrohung, der Drill und auch die Repressalien durch die Erzieher werden dargestellt, ohne dass sie jedoch übermäßig heftig vermittelt werden. „Weggesperrt“ ist deswegen ein Buch, das man Jugendlichen ab 13 Jahren in die Hand geben kann.

Von Kleinigkeiten abgesehen ist Grit Poppes Buch auch sprachlich gekonnt umgesetzt: Es liest sich flüssig und die Figuren wirken lebendig. Was ich mir dennoch gewünscht hätte: dass die Autorin ab und zu ein bisschen von ihrer linearen Erzählweise abgewichen wäre oder die Erzählperspektive aufgebrochen hätte. Das hätte dem Buch gut getan und für etwas Abwechslung gesorgt. So bleibt der Jugendroman jedoch, wie ich finde, etwas eindimensional.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Grit Poppe hat zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls ein wichtiges Thema aufgegriffen und erinnert daran, dass auch Jugendliche in der DDR unterdrückt und verfolgt wurden. Es ist wichtig, dass es solche Bücher gibt, damit diese Dinge nicht in Vergessenheit geraten.

Die Geschichte der 14-jährigen Anja ist gekonnt und anschaulich erzählt – man kann sich als Leser alles gut vorstellen. Als Erwachsener hätte ich mir gewünscht, dass die Ausweglosigkeit und das Schikanieren in den Erziehungsheimen vielleicht noch drängender dargestellt wird – andererseits hat die eher sachte Herangehensweise den Vorteil, dass man das Buch bereits Jugendlichen ab 13 Jahren empfehlen kann. Gut hätte es dem Buch jedoch in jedem Falle getan, wenn die Erzählweise und -perspektive aufgelockert worden wären – aber wahrscheinlich ist auch das ein Kritikpunkt, den nur erfahrene und erwachsene Leser äußern werden.

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(Ulf Cronenberg, 08.11.2009)

Kommentare (7)

  1. Maren

    Schöne Buchbesprechung!
    Ich habe das Buch gelesen, und von mir aus würde es die volle Anzahl an Punkten bekommen.
    Dem Mittelteil hätte es nicht geschadet, ein paar Stellen auszulassen, aber dafür ist das Ende sehr schön! Insgesamt erinnert mich „Weggesperrt“ aber sehr an „Boot Camp“ von Morton Rhue.

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  2. Astrid

    Mein Leben vom 21.07.71 bis 01.04.73 findet sich in diesem Buch wieder. Ich kämpfe seit vorigem Sommer, als ich in der Zeitung las, dass auch damalige Jugendwerkhofinsassen Rehabilitierung beantragen können, um mein Recht. Vorher hatte ich keine Ahnung davon. Jeder, der diese Höllen durchlaufen musste, sollte aufwachen und kämpfen.
    Ich danke der Autorin, die mir mit diesem Buch viel Mut gemacht hat.

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  3. Mustafa

    Mann, waren das Zeiten! Ich kämpfe noch immer bis heute um meine Rechte. Das Buch ist sehr gut geschrieben und sehr interessant, und es erinnert sich sehr gut an Geschichtliches.

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  4. Susanne Korte

    Guten Abend,
    habe das Buch in einem durchgelesen. Ich bin nicht in der DDR groß geworden, dennoch hat es für mich die ganze Grausamkeit der Machenschaften von staatlichem Mißbrauch zwecks politischer Manipulation/Umerziehung so deutlich vor Augen geführt, dass Begriffe wie Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit (die für mich selbstverständlich waren/sind) eine ganz neue – wichtige – Bedeutung erhalten. Großartig geschrieben, gerade für die Jugend von heute um die „nahe“ alte Geschichte begreifen zu können.

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