(dtv 2009, 527 Seiten)
Mal ehrlich: Es gibt schönere Buchcover als dieses, von dem man nicht so recht weiß, was es darstellen soll … Nach dem Lesen des Buchs kann man natürlich spekulieren, und so einige Ideen habe ich auch, aber mit diesen rotbraunen Tönen und den fetten Lettern sieht das trotzdem nicht unbedingt schmuck aus. Egal … Auch bei Büchern kommt es ja auf die inneren Werte an. Und da hatte Kevin Brooks – gerade für „The Road of the Dead“ mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2009 für das beste Jugendbuch ausgezeichnet – in den letzten Jahren ja viel zu bieten. Natürlich war ich extrem gespannt, wie sich Kevin Brooks‘ neuer Roman (übrigens sein mit über 500 Seiten bisher dickster) schlägt …
Inhalt:
Viel Zeit haben Nicole, Eric, Pauly und Pete sowie häufig Raymond, der aber immer eher Außenseiter geblieben ist, früher miteinander verbracht. Sie haben Hütten im Gebüsch oder Wald gebaut, von denen niemand wusste, und dort die Tage verbracht – mit Dingen, von denen ebenfalls niemand wusste. Doch dann war die Zeit der Gemeinsamkeiten irgendwann vorbei. Als Nicole und Eric mit ihren Eltern nach Paris ziehen wollen, ruft Nicole Pete an, um ihn zu fragen, ob sie nicht noch einmal einen gemeinsamen Abend zu viert verbringen wollen: erst in einer ihrer Hütten, dann auf der Kirmes. Pete zögert etwas und fragt, ob Raymond nicht auch dabei sein sollte, wovon Nicole nur begrenzt begeistert ist … Doch dann sagt er zu, nicht ohne jedoch vorher die Erlaubnis eingeholt zu haben, Raymond, seinen Freund, mitzubringen.
Der Abend beginnt in der Hütte schon nicht ganz harmlos: Es kreist u. a. eine Tequila-Flasche, wovon allen ziemlich schwummrig wird. Nur Raymond trinkt nicht davon – er zieht auch nicht an dem herumgehenden Joint. Kurz bevor alle zur Kirmes weiterziehen wollen – Pauly und Eric gehen schon mal voraus –, schickt Nicole auch Raymond aus der Hütte, weil sie mit Pete alleine noch etwas besprechen will. Nicole und Pete kommen in Streit, weil Nicole etwas von Pete will, dieser sich jedoch wehrt. So geht schließlich jeder alleine auf die Kirmes, wo Pete, der sich für Raymond verantwortlich fühlt, diesen sucht.
Mehr als erstaunt ist er, als er den schüchternen Raymond in den Armen von Stella Ross, einem Mädchen, das über das Internet und durch TV-Spots inzwischen groß herausgekommen ist, findet. Pete wird richtig sauer, als er bemerkt, dass Stella mit Raymond spielt, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Es gelingt Pete jedoch, Raymond von Stella fortzubringen … Doch der weitere Abend läuft gänzlich schief. Nicht nur, dass Raymond von einer Wahrsagerin Unheilvolles gesagt bekommt, später verliert Pete Raymond, auf den er doch aufpassen wollte, als er aufs Klo geht. Und danach findet Pete, so lange er auch sucht, Raymond nicht mehr.
Nach der erfolglosen Suche geht Pete zu Raymonds Haus und ist entsetzt, als er sieht, dass Raymonds Kaninchen „Black Rabbit“ der Kopf abgetrennt wurde … Von Raymond fehlt jede Spur, und Pete macht sich große Sorgen um seinen Freund. Und kurz darauf kommt in den Nachrichten die Meldung, dass auch Stella Ross vermisst wird …
Bewertung:
Auf Kevin Brooks‘ neuem Buch findet man diesmal nicht das Prädikat „Thriller“, und das ist wohl kein Zufall. Auch wenn „Black Rabbit Summer“ – das gehört einfach zu den Büchern des englischen Jugendbuchautors dazu – an einigen Stellen nicht unbedingt gewaltfrei ist: Dieses Mal wird man dem Buch eher gerecht, wenn man es als Krimi denn als Thriller bezeichnet. Äußerst spannend ist „Black Rabbit Summer“ nichtsdestotrotz – vielleicht nicht von der ersten Seite an, aber zumindest später.
Was soll man sagen? „Black Rabbit Summer“ ist ein typischer Kevin-Brooks-Roman. Die Dichte der Schreib- und Erzählweise verschlägt einem wie immer den Atem, man kann nur immer wieder staunen, wie intensiv der Autor Stimmungen und Gefühle beschreibt. Da gibt es natürlich ein paar Dinge, die man schon aus früheren Büchern zu kennen meint: Dass Pete z. B. oft Dinge ahnt, kleine Visionen hat, kennt man aus „The Road of the Dead“, wo das jedoch noch weiter ausgebaut ist. Dennoch funktioniert „Black Rabbit Summer“ auch bei Lesern, die mit Kevin Brooks‘ Büchern vertraut sind, und man wird in den Sog der Geschichte hineingezogen.
Das liegt meiner Meinung nach an verschiedenen Dingen: Da wäre der wehmütige Ton, der das Buch durchzieht. Die Personen haben oft Sehnsucht nach früheren und vielleicht glücklicheren Zeiten. Da ist der Plot der Geschichte, der spannend ist. Und schließlich sind es die Figuren in dem Buch, die den Leser fesseln. Pete ist da vor allem zu nennen. Wie er sich immer wieder selbst an seine Grenzen bringt, um Raymond zu finden, wie er gleichzeitig dabei mehrmals in brenzlige Situationen gerät, wie er im Laufe des Buches langsam zu sich findet … – das ist bravourös erzählt.
Ansonsten bevölkern „Black Rabbit Summer“ sehr unterschiedliche Figuren: Sympathische (z. B. Petes Vater) und weniger sympathische Polizisten, Außenseiter wie Raymond, die publicity-süchtige Stella Ross oder gewalttätige Jungen aus einer Siedlung. Man spürt, wie hart es für Pete, aus dessen Sicht das meiste erzählt wird, sein muss, sich in diesem Umfeld zu bewegen.
Das alles ist so intensiv dargestellt, dass man sich der Geschichte spätestens ab Seite 200 nicht mehr entziehen kann, und so habe ich dann gestern auch bis fast 2 Uhr nachts gelesen, um zu erfahren, wie die Geschichte ausgeht. Was soll man Lobenderes über ein Buch sagen, als dass man nicht aufhören kann, darin zu lesen?
Fazit:
5 von 5 Punkten. Auch wenn ich von anderen gehört habe, dass „Black Rabbit Summer“ eher eines der schlechteren Bücher von Kevin Brooks sei – mir ging das überhaupt nicht so. Der Einstieg ist vielleicht etwas langatmig und bedient nicht unbedingt Leser, die von der ersten Seite an gerne Spannung haben … Aber mir hat die Intensität der Schreibweise und Darstellung hier ausgereicht, um weiterlesen zu wollen. Und die grenzenlose Spannung, sie kommt später durchaus.
Dass „Black Rabbit Summer“ ein großes Buch ist, sieht man daran, dass es eben nicht nur wegen der Spannung, wegen Mord, Gewalt und Ermittlungen funktioniert. Wie es sich für einen guten Krimi / Roman gehört, ist da nämlich noch einiges mehr: eine Tiefe in der psychologischen Beschreibung von Figuren, die ihresgleichen sucht, ein Schreibstil, bei dem jedes Wort sitzt, der kein Wort zu viel enthält. Die gewohnt treffliche Übersetzung von Uwe-Michael Gutzschhahn ist hier eigens hervorzuheben.
Kevin Brooks‘ Bücher sind immer wieder ein Erlebnis – und je mehr man davon kennt, desto mehr weiß man sie (so geht das zumindest mir) zu würdigen.
(Ulf Cronenberg, 31.10.2009)
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Ich habe das Buch im Sommer in England gekauft und gelesen, und mir ging es auch so, dass ich erst „einsteigen“ musste, aber das ging mir bisher bei allen Büchern von Kevin Brooks so. Der Autor hat doch einen sehr, sehr eigenen Schreibstil, finde ich, an den man sich erst gewöhnen muss.
Dieses Buch ist für mich aber eines seiner besten, die Spannung baut sich langsam auf, aber ab einem bestimmten Punkt kann man es wirklich nicht mehr aus der Hand legen – das kann ich so bestätigen.
Mich interessiert natürlich am meisten die Übersetzung, daher werde ich „Black Rabbit Summer“ vermutlich noch einmal auf Deutsch lesen. 🙂
Ihre Seite gefällt mir übrigens richtig gut! Ich gucke immer mal wieder rein und ab und zu entdecke ich richtige Perlen 🙂 Oder ich habe ein Buch gelesen, und mich interessiert Ihre Meinung dazu, das ist dann auch immer toll.
Hallo Birte,
genau so soll es ja sein – ich finde es auch immer interessant, was andere über Bücher, die ich gelesen habe, schreiben oder wenn mich andere auf Bücher aufmerksam machen.
Viele Grüße, Ulf
Ich kann mich Birtes Meinung nur anschließen! Auch ich entdecke über Jugendbuchtipps.de immer mal wieder richtig tolle Bücher – oder Autoren, z. B. Kevin Brooks! Großartig! „Black Rabbit Summer“ gefällt mir übrigens noch besser als „Being“ und auch besser als „Road of the Dead“.
Ja, „Black Rabbit Summer“ ist ein tolles Buch, das vor allem Lesern gefallen dürfte, die mit der Gewalt in vielen anderen Büchern von Kevin Brooks ihre Schwierigkeiten haben. Kevin Brooks ist immer eine Entdeckung wert – der Mann kann einfach schreiben! Da ist kein Wort zu viel – das ist alles sehr dicht.
Ich bin auch ein großer Kevin-Brooks-Fan, und dieses Buch hat wieder einmal alle meine Erwartungen übertroffen. Es stimmt, dass man sich erst einmal etwas in die Geschichte einlesen muss, aber irgendwann fesselt sie ungemein, und es ist wie eine Sucht, im Buch weiterlesen zu müssen.
Vor allem das Ende (ich verrate lieber nicht zu viel) hat bei mir noch mal den letzten Ausschlag gegeben, dass es meine Erwartungen übertroffen hat. Außerdem ist das Buch eigentlich durchgehend von einer gewissen Melancholie durchzogen, die die passende Stimmung toll vermittelt.
(Allerdings kommt dieses Buch für mich nicht ganz an ‚Being‘ von Kevin Brooks heran. Das ist immer noch mein absolutes Lieblingsbuch.)
Mit freundlichen Grüßen,
Lennart (14) 🙂
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