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Buchbesprechung: Sherman Alexie “Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers”

Cover AlexieLesealter 12+(dtv 2009, 268 Seiten)

Was für ein Buchtitel: „Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers“! Da wird man doch zumindest neugierig …

Sherman Alexie, der Autor, ist als Indianer in einem Reservat im Staat Washington, USA, aufgewachsen, und es scheinen persönliche Erfahrungen zu sein, die er in seinem Buch aufgegriffen und verarbeitet hat (dazu später mehr) … Einige Auszeichnungen hat das Buch in den USA auch schon bekommen. Und was man sich auch auf der Zunge zergehen lassen sollte, ist ein Satz im Pressetext von dtv: „Als Verfasser von u. a. Romanen, Gedichten und Drehbüchern gilt Alexie international als Stimme des ‚anderen‘ Amerikas.“ Große Worte für ein kleines Buch …

Inhalt:

Arnold Spirit, meist Junior genannt, ist ein Neuntklässler, der mit seinen Eltern und seiner großen Schwester im Reservat der Spokane-Indianer im Norden der USA lebt. Doch sonderlich beliebt ist Arnold bei Gleichaltrigen nicht – mit seinem etwas sonderlichem Aussehen und seinen recht guten Schulleistungen wird er von ihnen meist geschnitten und getriezt.

Nach einem Vorfall beschließt Arnold, die nur von Indianern besuchte Schule von Wellpinit zu verlassen und fortan auf die Schule der Weißen im fast 40 Meilen entfernten Reardan zu gehen. Arnold ist durch nichts von diesem Beschluss abzubringen, und seine Eltern unterstützen sein Vorhaben. Doch nicht nur der erste Schultag in Reardan entspricht nicht so ganz den Erwartungen, die Arnold an die Schule hat. Seine neuen Klassenkameraden, aber auch die Lehrer begegnen ihm auch in den Tagen danach mit Skepsis oder gar Misstrauen. Schließlich ist er der erste Indianer an der Schule.

Auch zu Hause im Reservat sind die anderen Indianer nicht nur wenig begeistert von Arnolds Wechsel auf eine Schule der Weißen, sondern sie treten ihm gegenüber feindselig auf. Selbst Rowdy, Arnolds Freund, der ihn bisher immer vor den Übergriffen anderer beschützt hat, lässt Arnold links liegen und will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Arnold ist durch all das ziemlich angegriffen, dennoch beißt er sich durch und versucht in Reardan auf der Schule zu bleiben.

Mit Ausdauer und Mut schafft es Arnold, der eigentlich eher klein ist, schließlich sogar in die Basketball-Mannschaft der Schule. Dort wartet schon bald eine große Herausforderung auf ihn: Sein neues Basketball-Team soll gegen die Mannschaft seiner alten Schule in Wellpinit antreten – und dabei geht so ziemlich alles schief …

Bewertung:

Die „Stimme des ‚anderen‘ Amerika“ – was für eine Bezeichnung für einen Autor … Wer sich das wohl ausgedacht hat? Aber auch wenn diese Aussage übertrieben klingt: Sherman Alexies Buch ist wirklich etwas Besonderes, und das aus ganz verschiedenen Gründen.

Ein ernstes Thema hat Sherman Alexie da aufgegriffen: Indianerstämme wie die Spokane leben nach wie vor in den USA isoliert, haben deutlich geringere Bildungschancen und eine höhere Arbeitslosenrate. Viele Indianer greifen deswegen zum Alkohol, kommen aber auch deswegen nicht aus ihren schwierigen Verhältnissen heraus. Ein Teufelskreis. Das alles kennt Sherman Alexie wohl aus eigener Erfahrung und beschreibt es in seinem Buch (es ist wohl kein Zufall, dass Arnold Spirit die gleichen Initialen wie der Autor nur in umgedrehter Reihenfolge hat). Jedenfalls wirkt die Beschreibung der Lebenssituation von Arnold wohl deswegen sehr lebensecht und so authentisch …

Dass Sherman Alexies Buch (Übersetzung: Katharina Orgaß und Gerald Jung) trotz der schwierigen Thematik dabei nicht von Selbstmitleid und einem anklagenden Ton beherrscht wird, muss besonders hervorgehoben werden. „Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers“ ist nicht nur kurzweilig, sondern immer wieder äußerst witzig. Man lacht recht häufig über die Beschreibungen Arnold Spirits, wenn er in herumstehende Fettnäpfchen tritt, um kurz darauf jedoch auch wieder an die Tragik der Geschichte erinnert zu werden. Dem Buch wird durch die ihm innewohnende Art von Humor die Schwere genommen, die dem Thema eigentlich zugrunde liegen könnte.

Als Leser habe ich mich gefragt, ob dieser Humor nicht gleichzeitig die Tragik des Lebens im Indianerreservat etwas bagatellisiert. Doch letztendlich passiert das nicht – dafür ist das Buch zu authentisch gehalten. Für die schlimmen Dinge (wenn z. B. ein Indianer im Suff seinen besten Freund erschießt) ist ebenso Raum wie für die ironische Sicht der Geschehnisse. Ein Glücksfall sind in diesem Zusammenhang auch die eingestreuten liebevollen Zeichnungen und Kurzcomics, die das Geschehen kommentieren und ironisieren, außerdem die Absurdität vieler Situationen zusätzlich unterstreichen.

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers“ ist ein klasse Buch, weil es die richtige Mischung aus Ironie, Humor und tragischer Lebensgeschichte bereit hält. Man muss lachen, man ist überrascht, man ist entsetzt – alles gleichzeitig oder kurz nacheinander. Dass man außerdem etwas über die nicht gerade paradiesischen Zustände in amerikanischen Indianerreservaten erfährt, ohne dass dabei die moralische Brechstange zum Einsatz kommt, ist dem Buch hoch anzurechnen und macht es für Jugendliche interessant.

Trotz der Missstände, um die es in dem Buch geht, ist Sherman Alexies Buch eben gerade nicht nur ein anklagendes Buch, sondern eines, das zugleich aufzeigt, wie man aus einer schwierigen Lebenssituation herauskommen kann: mit eisernem Willen und mit Bildung. Ja, es wäre schön, wenn man sagen könnte, dass dieser Ausweg für alle Menschen, die in schwierigen Verhältnissen leben, möglich ist. Aber leider ist dem nicht so. Immerhin tut es gut, zu lesen, dass es eine fiktive Person (die aber wohl stark an den Autor angelehnt ist) geschafft hat …

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(Ulf Cronenberg, 19.10.2009)

Mehr über „Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers“ erfahrt ihr übrigens auf der Webseite zum Buch: http://www.sherman-alexie.de.

Lektüretipp für Lehrer!

Für Lehrkräfte gibt es die Möglichkeit, bei dtv ein Prüfexemplar von Sherman Alexies Buch anzufordern – und davon sollte man Gebrauch machen. Denn „Das absolut wahre Tagebuch eines Teilzeit-Indianers“ ist ein Buch wie geschaffen für den Deutschunterricht einer 7. oder 8. Klasse. Schüler werden bestens unterhalten, können mit Arnold Spirit mitfiebern – zugleich lässt sich über vieles diskutieren, lässt sich vieles entdecken.

Es gibt in Deutschland zwar keine Indianerreservate – aber das Buch kann dabei helfen, sich darüber Gedanken zu machen, dass es auch in Deutschland benachteiligte Bevölkerungsgruppen gibt. Wegen des Schreibstils kann ich mir vorstellen, dass Sherman Alexies Buch nicht nur etwas für Gymnasiasten ist.

Kommentare (7)

  1. Okan Pala

    Ich habe das Buch gelesen, und es hat mir sehr gut gefallen. Deshalb verwende ich dieses Buch auch für meine Literaturarbeit …

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  2. Paul

    Habe mir das Buch sofort gekauft und war begeistert. Tolle Beschreibung!
    Paul

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  3. Orhan Calgan

    Als ich das Buch gekauft hatte, habe ich direkt angefangen, es zu lesen. Dieses Buch ist sehr schön. Ich empfehle es Jungen ab 12 Jahren. 🙂

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  4. selin

    Weil mir das Buch so gut gefallen hat, stelle ich es vor der Klasse vor … 😀

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  5. Bente

    Ich hab das Buch zum Geburtstag bekommen und habe es erst nicht gelesen … Als unser Klassenlehrer dann sagte, wir sollten uns ein Buch für eine Buchvorstellung in der Schule aussuchen, hat mir meine Mutter dieses Buch gegeben … ICH FAND ES SUPER, einfach cool! Ich habe es gleich noch einmal gelesen.

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  6. Normen

    Ich musste das Buch in der Schule lesen und alle anderen auch. Am Anfang ist das Buch langweilig, aber wenn man weiterliest, so wird es spannend.

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  7. Ami

    Ich finde das Buch auch sehr gut. Mir gefällt der Schreibstil, es ist einfach witzig, wie Arnold seine Geschichte erzählt, die ja nicht immer nur heiter, sondern stellenweise auch richtig traurig ist. Besonders genial finde ich die Stelle, wo Arnold und Gordy sich über Bücher unterhalten.

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