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Buchbesprechung: Alice Gabathuler “Starkstrom”

Cover GabathulerLesealter 13+(Thienemann-Verlag 2009, 251 Seiten)

Das Projekt“ hieß das Buch, mit dem ich auf Alice Gabathuler, eine Schweizer Jugendbuchautorin, aufmerksam geworden bin. Das Buch hatte mir damals richtig gut gefallen, weil es spannend war und das Verhalten einer Gruppe von Jugendlichen in einer Notsituation zum Thema hatte …

Inzwischen gibt es einen neuen Jugendroman von Alice Gabathuler, der den Titel „Starkstrom“ trägt – dahinter verbirgt sich u. a. eine kleine Hommage an Hardrockbands wie AC/DC, auch wenn das letztendlich dann doch nur ein Leitmotiv und Nebenthema des Buches ist.

Inhalt:

Jonas‘ Lieblingsband ist AC/DC – Songs wie „Hells Bells“ oder „Highway to Hell“ helfen ihm, den Alltag zu vergessen. Denn der ist nicht immer angenehm. Mit seinem Vater, den man als schrullig bezeichnen könnte, gibt es nämlich ständig Streit. Als Jonas nach einem Wortgefecht mit seinem Vater mit Ohrstöpseln auf dem Bett liegt und auf seinem iPod wieder einmal AC/DC in voller Lautstärke hört, bekommt er gar nicht mit, dass das Erdgeschoss des Hauses plötzlich unter Wasser steht. Ein Damm gebrochen ist, was den Bach, der durch das Dorf fließt, in ein reißendes Wasser verwandelt hat. Seine kleine Schwester Emma macht Jonas erst darauf aufmerksam.

Mit seinem Vater versucht er zunächst, ein Loch in die Tür zu schlagen, so dass das Wasser abfließen kann – doch viel hilft das nicht. Die Familie verschanzt sich im Obergeschoss und beobachtet von dort aus, dass das Haus des alten Nachbars von den Wassermassen mitgerissen wurde. Der alte Mann selbst steht auf dem Dach seiner Scheune, während Rettungsleute ihn bergen wollen. Auch Jonas‘ Familie soll gerettet werden, doch der Vater widersetzt sich dem und will das Haus nicht verlassen. Irgendwann beugt sich auch Jonas‘ Vater schließlich dem Druck, und die Familie kommt in einer Notunterkunft unter.

Das Fernsehen ist angesichts der Flutkatastrophe schon bald vor Ort und Jonas, den die Sensationslust ärgert, schreit die Kameraleute wütend an. Doch diese filmen das, um es kurz darauf im Fernsehen zu zeigen. Schon bald ist ein Kamerateam Jonas‘ Familie ständig auf den Fersen – die Fernsehleute wittern ihre große Chance, mit dem Familienschicksal hohe Einschaltquoten zu erreichen. Doch Jonas will davon nichts wissen … Und dann passiert etwas Unerklärliches: Sein Vater, der sonst auf alles schimpft, wird mit dem Fernsehteam handelseinig, so dass die Familie fortan auf Schritt und Tritt von Kameras verfolgt wird.

Bewertung:

„Starkstrom“ ist ein Buch, das für mich beim Lesen eine Spannungskurve hatte, die am Ende deutlich nach oben ging. Zu Beginn des Buches fand ich das Lesen eher etwas anstrengend – und zwar auf sprachlicher Ebene, weil das Buch bemüht virtuos wirkte (was jedoch den Lesefluss etwas störte), aber auch auf inhaltlicher Ebene. Die schrulligen Dorfbewohner (da sind nicht nur Jonas‘ Vater und der alte Nachbar zu nennen) sind mir da fast etwas auf die Nerven gegangen, weil sie übertrieben dargestellt werden.

Erst nach 100 Seiten hat sich dieser Eindruck verflüchtigt, und dannach spielte „Starkstrom“ seine Stärken aus. Das Buch bekommt hier auch ein zusätzliches Thema spendiert: wie die Medien mit solchen Katastrophen umgehen, weil sie über Einschaltquoten Geld machen wollen. Eine richtige Medienkritik erwächst daraus nicht – aber trotzdem legt das Buch hier den Finger an der richtigen Stelle auf die Wunde.

Auf den letzten 50 Seiten wendet sich dann die Geschichte noch mal in einigem. Der spinnende Nachbar entpuppt sich als gar nicht so verkehrt, auch Jonas‘ Vater wird fast so etwas wie vernünftig – ja, ein Happy End, das aber sympathisch ist, kommt in Sicht. Das mag für manchen Leser vielleicht fast ein wenig schade sein – aber für Leser ab 12 (wie der Verlag meint) oder 13 Jahren (meiner Einschätzung nach) ist das genau richtig.

Fazit:

3-einhalb von 5 Punkten. Alice Gabathulers „Das Projekt“ ist meiner Meinung nach das bessere Buch gewesen, wenn man die beiden letzten Bücher der Autorin vergleich, weil es mehr psychologische Spannung hatte und dadurch mehr in die Tiefe ging. Dennoch: Auch „Starkstrom“ ist kein schlechtes Buch – aber eher ein Buch für Zwischendurch, das ein paar interessante Fäden (Flutkatastrophe, Rangeleien in einem Dorf, Medien) aufgreift und zusammenführt.

Leider bleibt die Behandlung der Themen jedoch ein bisschen an der Oberfläche. Selbst eine nette Liebesgeschichte, bei der es natürlich einige Verwicklungen gibt, bekommt man als Leser geboten. Meiner Ansicht nach ist die Menge der in das Buch hineingepackten Themen zugleich auch dessen größte Schwäche, weil dem Roman die Konzentration auf etwas Besonderes fehlt. Das war in „Das Projekt“ eben anders …

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(Ulf Cronenberg, 14.10.2009)

P. S.: Liebe Frau Gabathuler, „Highway to Hell“ von AC/DC wird im Original aber von Bon Scott und nicht von Brian Johnson (wie es an einer Stelle im Buch steht) gesungen … Das ist höchstens auf späteren Live-Alben von AC/DC, als Bon Scott längst im Rockhimmel weilte, anders. Wenn ich das als (früherer) AC/DC-Hörer noch anmerken darf …


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Kommentare (0)

  1. Alice Gabathuler

    Lieber Herr Cronenberg,

    ich bin Jahrgang 61, auf dem Land aufgewachsen, wo dann schon in den 70-er Jahren praktisch jeder Jugendliche den AC/DC-Schriftzug auf der Jeansjacke trug. Vielleicht kennen Sie das: Mal war es ein MUSS, AC/DC-Fan zu sein, mal war man absolut unten durch, wenn man AC/DC hörte. Das wechselte immer mal wieder ab, wobei man mit den Jahren dann immer öfters auf der total uncoolen Seite stand als bekennender AC/DC-Hörer. Als ich das Buch zu schreiben begann, waren AC/DC nicht gerade der Brüller – und dann, mitten während des Schreibens, kam „Black Ice“ raus und die ganze Welt behauptete plötzlich, selbstverständlich schon immer AC/DC gehört zu haben … und alle fanden die Band cool. Ich grinste in mich hinein und schrieb weiter.

    Selbstverständlich versuchte ich – wie ungefähr eine Million andere auch – zu Tickets zu kommen und ging chancenlos unter. Am Tag, an dem AC/DC in Zürich hätten spielen sollen, gab ich der Geschichte den letzten Überarbeitungsschliff vor dem Satz. Ich schwankte dabei zwischen tiefster Enttäuschung (ich wäre sooooo gerne hingegangen) und totaler Zufriedenheit (Buch fertig!!!) und war den ganzen Tag nicht online. So erfuhr ich erst am Abend, dass das Konzert verschoben worden war.

    Nun aber zu Bon Scott (möge er im Rockhimmel still vor sich in grinsen: Auch „TNT“ gehört nämlich eigentlich ihm). Auf den alten Schallplatten, die ich immer noch habe, dröhnt mir deshalb öfters der Bon Scott durch die Gehörgänge, auf dem iPod jedoch habe ich vorwiegend Live-Versionen mit Brian Johnson gespeichert. Viel witziger: Ich glaube nicht, dass es einen Tonträger gibt, auf dem „Hells Bells“ gleich auf „TNT“ folgt.

    Themawechsel: An dieser Stelle einmal einen herzlichen Dank für Ihre Besprechungen. Ich mag Ihre detaillierten Rezensionen sehr. Sie zeugen von einem tiefen Respekt vor Büchern (und den Autoren) und setzen sich sehr detailliert mit den gelesenen Texten auseinander. Ihr Lob freut, Ihre konstruktiv kritischen Anmerkungen spornen zu besserem Schreiben an.

    Herzliche Grüsse

    Alice Gabathuler

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Liebe Frau Gabathuler,

      ich freu mich immer, wenn Autoren auf die Buchbesprechungen antworten (kommt eher selten vor) – insbesondere, wenn meine Kritik nicht irgendwie beleidigt kommentiert wird. Das ist zumindest etwas Besonderes. Und Lob für die Buchbesprechungen höre ich natürlich auch ab und zu mal gerne … Danke!

      AC/DC gehörten nie so richtig zu meinen Favoriten (ich hab ein paar Jahre weniger als sie auf dem Buckel) – aber Hardrock war damals schon angesagt: zum Anhören und Selbstspielen. Mein Instrument war (und ist – wobei im Moment zu wenig Zeit dafür bleibt) vor allem die E-Gitarre. Die Power von guter Rockmusik mag ich nach wie vor (auch wenn ich inzwischen auch vieles andere höre): Nickelback, Dream Theater etc.

      Ich komme gerade von drei Tagen Buchmesse in Frankfurt zurück – puh, das war anstrengend. Bei Thienemann war ich dabei übrigens auch.

      Viele Grüße

      Ulf Cronenberg

      Antworten
  2. Alice Gabathuler

    Lieber Herr Cronenberg

    HA! Dann haben wir ja einige Gemeinsamkeiten 🙂

    Ich besuche seit fast zwei Jahren den E-Gitarrenunterricht … und Nickelback hat mir meinen eigenen, ganz persönlichen Buchsoundtrack zu meinem Erstling geschenkt („This is how you remind me“). Ich habe das Lied während des Schreibens eine geschätzte Million Mal gehört.

    Ich war ebenfalls an der Buchmesse und hatte das Riesenglück, über die Lesung von Kevin Brooks zu stolpern, meinem absoluten Schreibhelden und Schreibvorbild. Dass ich danach noch ein paar Worte mit ihm wechseln konnte, war ein Höhepunkt in meinem Autorinnenleben.

    Mir hat ein Tag an der Buchmesse, so schön er war mit all seinen Begegnungen, gereicht.

    Herzliche Grüsse

    Alice Gabathuler

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Ja, Kevin Brooks – ich war bei seiner Lesung letztes Jahr, dieses Jahr hab ich es leider nicht geschafft. Dafür hab ich mir nach der Preisverleihung zum Deutschen Jugendliteraturpreis ein Autogramm von ihm für meine Buchausgabe von „The Road of the Dead“ geholt. Kevin Brooks ist schon ein ganz besonderer Typ, und seinen atmosphärisch dichten Stil und seine Darstellung von Menschen in Grenzsituationen mag ich sehr.

      Am Samstag habe ich Kevin Brooks auch noch im Lesezelt erlebt – da habe ich auch ein paar Fotos gemacht. Die werde ich mal heute oder morgen zu einem Fotoalbum zusammenfassen und dann einen Link unter den Artikel zu den Preisträgern des Dt. Jugendliteraturpreises 2009 stellen, so dass man sie anschauen kann.

      Viele Grüße

      Ulf Cronenberg

      Antworten
  3. Alice Gabathuler

    Ich war leider bei der Preisverleihung nicht mehr auf der Messe – habe mir aber von Kevin Brooks nach der Lesung etwas in mein Notizbuch schreiben lassen. Und eine gute Autorenkollegin hat für mich nach der Verleihung das Poster signieren lassen. Es ist mit der Post unterwegs zu mir.

    Auf das Fotoalbum freue ich mich.

    Antworten
    1. Ulf Cronenberg

      Die Fotos sind inzwischen online – nämlich hier.

      Antworten
  4. Pingback: Starkstrom « Hesch gwüsst?

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