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Buchbesprechung: Oliver Uschmann “Das Gegenteil von oben”

Cover UschmannLesealter 14+(Script5-Verlag 2009, 334 Seiten)

„Er hat seit seinem zehnten Lebensjahr mindestens so viel gezockt wie gelesen und ist trotzdem Schriftsteller geworden.“ Das steht unter andem auf dem Buchumschlag über den Autor Oliver Uschmann, der früher außerdem angeblich zu den zehn „sonderlichsten Sonderlingen“ in seiner Schule gehört hat. Da kokettiert ein Autor damit, dass er in seinem Leben schon viel erlebt hat – aber vielleicht ist all das ja wirklich keine schlechten Voraussetzung dafür, gute Bücher zu schreiben. Wenn ich richtig informiert bin, so hat Oliver Uschmann bisher „nur“ Bücher für Erwachsene geschrieben – „Das Gegenteil von oben“ ist sein erster Jugendroman.

Inhalt:

Dennis geht in die 10. Klasse und lebt alleine mit seiner Mutter in einem der Hochhäuser in der Nähe des Bahnhofs von Wesel. Seinen Vater kennt der Junge nicht, und seine Mutter, die Altenpflegerin ist, lässt auch keinen Ton über Dennis‘ Vater verlauten. Alles Nachfragen, aber auch Provozieren, um etwas über seinen Vater zu erfahren, hilft überhaupt nichts. Seine Mutter schweigt.

Ein tolles Leben hat Dennis nicht gerade: Er verbringt viel Zeit vor seiner Spielkonsole mit allen möglichen Computerspielen und hat ansonsten ein etwas seltsames Hobby: Er beobachtet mit einem guten Fernglas die Nachbarn im Hochhaus nebenan und weiß genau, was diese so tun. Da ist ein Paar, das sich immer wieder streitet, es gibt einen depressiven Mann – doch am interessiertesten ist Dennis an der Familie des Hausmeisters gegenüber. Sie ist für ihn ein Sinnbild für eine glückliche Familie, wie er sie auch gerne hätte, wo der Vater mit seinem Sohn lernt und an der Spielkonsole spielt.

Doch plötzlich ist die Familienidylle im Haus nebenan vorbei: Die Eltern streiten sich, der Vater verlässt immer wieder das Haus, um ein oder mehrere Biere auf der Straße zu trinken – und schließlich ist der Junge von einem Tag auf den anderen verschwunden. Dennis kann nicht lockerlassen und will unbedingt herausfinden, was los ist. Dank seiner blühenden Fantasie malt er sich u. a. auch Schreckliches aus: Vielleicht ist der Sohn umgebracht worden? Möglicherweise ist die Erklärung jedoch auch einfacher, und Mutter und Sohn sind einfach ausgezogen. Doch hat Dennis nichts beobachtet, was darauf hindeutet.

Dennis wird immer unruhiger, weil er nicht versteht, warum das Familienglück auf einmal zu Ende zu sein scheint. Und dass er in der Schule von seinen früheren Freunden immer wieder gehänselt wird und bei seiner Klassenkameradin Lara, in die er verliebt ist, auch nicht gerade toll da steht, kommt noch hinzu …

Bewertung:

Eine etwas merkwürdige, aber damit auch besondere Geschichte ist „Das Gegenteil von oben“ schon. Oliver Uschmann ist vor allem ein genialer Beobachter, der es schafft, dass die Figuren in seinem Buch durch die Worte zu Leben erweckt werden. Der Autor wartet mit so einigen ganz besonderen Typen auf. Da ist z. B. Ingo, der eine Videothek betreibt und wohl als bester Freund von Dennis gelten kann. Er spielt ständig StarWars-Spiele und schaut StarWars-DVDs, studiert angeblich in Erlangen theoretische Physik und fällt ansonsten dadurch auf, dass er Dennis mit philosophisch angehauchten Ratschlägen weiterhilft. Oder man lernt Alparslan und seine beiden Freunde kennen, die jeden Tag auf einer Bank vor dem Hochhaus rumhängen und vorbeikommende Leute anpöbeln. Das Interessante dabei ist, dass Oliver Uschmann von den Figuren ein genaues Bild entwirft, und trotzdem zeigen die Personen am Ende des Buches auf einmal ganz andere Seiten, die man bei ihnen nicht vermutet hättet. So wird zugleich mit den vorher ausgelegten Klischees aufgeräumt.

Um was geht es in „Das Gegenteil von oben“ eigentlich? Das ist eine gute Frage … Letztendlich behandelt das Buch wohl die schwierige Zeit der Pubertät am Beispiel eines Jungen, der aus unterschiedlichen Gründen oft neben sich zu stehen scheint. Da ist der fehlende Vater, da sind die Konflikte mit der Mutter, die zwar alles perfekt machen will, aber sich nicht wirklich mit ihrem Sohn auseinandersetzt. Und schließlich ist Dennis einfach ein schüchterner Junge mit einer grenzenlosen Fantasie, der von einem anderen Leben träumt, sich aber von anderen immer wieder schlecht behandeln lässt und sein Leben nicht richtig in die Hand nimmt.

Am Ende lernt Dennis dann doch noch einiges dazu und geht aus sich heraus, doch bis dahin ist es ein langer Weg … – auch für den Leser, denn Oliver Uschmann lässt sich für die Entwicklung der Geschichte meiner Meinung nach etwas viel Zeit. So faszinierend die Personenschilderungen sind, so interessant es auch ist, die fast tragische Lebenssituation von Dennis zu verfolgen: Die äußere Handlung bleibt zu lange auf der Strecke. Erst ab Seite 200 kommt hier etwas Fahrt auf – bis dahin muss man sich an Oliver Uschmanns Milieustudie erfreuen. Zugegeben, diese ist sehr gelungen und jugendnah erzählt – aber ein bisschen mehr Handlung hätte es vielleicht doch sein dürfen.

Fazit:

4 von 5 Punkten. Mit „Das Gegenteil von oben“ lernt man zweifellos einen neuen Jugendbuchautoren kennen, der ein großes Potenzial hat. Oliver Uschmann weiß mit seinem Schreibstil zu gefallen – man hat vor allem den Eindruck, dass sich da jemand mit Jugendthemen wie Computerspielen wirklich gut auskennt. Und beeindruckend fand ich insbesondere, mit welcher Kraft und sprachlichen Finesse der Autor seine Figuren beschreibt.

Der einzige Kritikpunkt an Oliver Uschmanns Buch bleibt somit die Handlungsebene, wo sich zu lange zu wenig tut. Und über das Ende des Buches (nein, da darf ich nichts weiter verraten!) kann man sich auch streiten. Die Wendung am Ende schrammt haarscharf am Prädikat „kitschig“ vorbei …

Dennoch: „Das Gegenteil von oben“ ist das gelungene Jugendbuch-Debüt eines Autors, dessen Namen ich mir merken werde. Und vielleicht klappt es beim nächsten Mal ja auch noch auf der Handlungsebene ein wenig besser.

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(Ulf Cronenberg, 08.10.2009)


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Kommentare (0)

  1. Jonas K.

    Das Buch erreicht einen Unterhaltungswert, der die Handlung beinahe unwichtig werden lässt. Will heißen, mich hat es gar nicht gestört, wenn es nicht mit der Handlung voranging. Ansonsten stimme ich voll mit der Rezension überein.
    Das nicht ganz perfekte Ende lässt mich Oliver Uschmanns Werk insgesamt 4 1/2 Punkte geben.

    Antworten
  2. Leseratte

    Das ist ein super Buch! Das beste, das es überhaupt gibt!
    Super Olli!

    Antworten
  3. Pingback: Anonymous

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