(Kosmos-Verlag 2009, 206 Seiten)
Dass ich nicht unbedingt ein großer Freund historischer Romane bin, dürfte aufmerksamen Lesern von Jugendbuchtipps.de nicht entgangen sein. Dennoch lese ich ab und zu einen. Auf „Rabenlady“ von Pauline Francis bin ich aufmerksam geworden, weil es in einer Fachzeitschrift (war es das Bulletin Jugend & Literatur oder Eselsohr?) gelobt wurde. Und dann kann man ja auch wieder mal einen Versuch wagen …
Es ist die Zeit der großen Religionswirren in England zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Die Protestanten haben sich im Land durchgesetzt, weil König Eduard VI. protestantisch ist – und die Religion der Katholiken ist verboten. Die Katholiken müssen so im Untergrund ihrem Glauben nachgehen. Ned, ein Junge mit katholischem Glauben, wird gefangen genommen, weil er etwas zu essen gestohlen hat und soll gehängt werden. Doch kurz bevor der Henker sein Werk verrichtet, wird er buchstäblich in der letzten Sekunde von einem adeligen Fräulein namens Jane gerettet.
Jane, für die ihre Eltern eine Heirat mit dem Thronfolger zu arrangieren versuchen, bringt Ned auf ihr Gut, wo er schließlich als Holzfäller Arbeit findet. Ihre Eltern missbilligen die Rettung Neds, doch lassen sie Jane gewähren. Als diese sich jedoch immer augenfälliger für den Jungen interessiert und sich heimlich am Bach und im Wald mit ihm trifft, greifen die Eltern ein.
Die Liebe über die Standesgrenzen hinweg hat natürlich keine Aussicht auf Erfolg – und dennoch fühlen sich Ned und Jane weiterhin zueinander hingezogen. Doch dann soll Jane den Sohn des wichtigsten Ratgebers am königlichen Hof heiraten, und die beiden werden getrennt.
„Rabenlady“ (Übersetzung: Maria Zettner) ist ein typischer historischer Jugendroman, wie er nicht wirklich Neues zu bieten hat. Das Thema der unerfüllten Liebe, die Standesgrenzen zu überspringen versucht, findet man dort häufig. Dennoch: Pauline Francis ist ein Buch gelungen, das den Leser fesselt. Das liegt unter anderem daran, dass die Autorin sehr genau Stimmungen und Gefühle beschreiben kann. Zugute zu halten ist dem Buch außerdem, dass es kein dicker Schmöker (wie für historische Romane oft üblich) geworden ist, sondern viele Dinge nur andeutet und ansonsten Leerstellen lässt. Das lässt „Rabenlady“ nie langweilig werden.
Die Geschichte ist immer abwechselnd aus der Sicht Neds und Janes erzählt, und wie die Autorin in ihrem Nachwort schreibt, ist Ned eine erfundene Figur. An dieser Stelle kehrt auch mein kleines Unbehagen historischen Romanen gegenüber zurück. Denn auch „Rabenlady“ ist damit wohl eher ein Buch über die romantische Liebe, wie man sie sich heute vorstellt, als dass es in diesen Dingen der historischen Wirklichkeit entspricht. Dass der Rest des Romans sich ansonsten recht genau an die geschichtlichen Ereignisse hält, kann man im Artikel über Lady Jane Grey in der Wikipedia nachlesen.
Fazit:
3-einhalb von 5 Punkten. Wer historische Romane mag, der wird sich bei „Rabenlady“ wohl nur darüber beschweren, dass das Buch mit 200 Seiten zu kurz ist. Ansonsten kommt man bei Pauline Francis‘ Buch auf seine Kosten und muss feststellen, dass die Autorin ihr Handwerk versteht. „Rabenlady“ ist damit meiner Meinung nach ein unterhaltsamer Happen für Zwischendurch – und wahrscheinlich finden Mädchen deutlich mehr Gefallen an der Geschichte als Jungen.
Dass der geschichtliche Hintergrund in „Rabenlady“ schon sehr kurz gehalten ist, kann man dem Buch anlasten. Es ist eben mehr – aber das gibt Pauline Francis im Nachwort auch zu – der Versuch, ein Buch über die „innere Freiheit“ trotz äußerer widriger Umstände zu schreiben, als dem Leser Geschichte näher zu bringen. „Rabenlady“ ist kein schlechtes Buch – aber auch keines, das im Jugendbuchmarkt wirklich heraussticht.
(Ulf Cronenberg, 12.09.2009)
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