(Carlsen-Verlag 2009, 159 Seiten)
„Der große Nick erzählt“ – erinnert uns das nicht an etwas? Ja, genau: René Goscinny, der Erfinder der Asterix-Figur, hat die bekannten Kurzgeschichten über den kleinen Nick geschrieben, die von Jean-Jacques Sempé illustriert wurden. Und mit seinem Kurzgeschichten-Band „Überall Mädchen“ verneigt sich Jochen Till vor Goscinny, dessen Geschichten ihm so gut gefallen.
Auch Jochen Tills Geschichten sind übrigens durch viele Zeichnungen aufgelockert. Sie stammen aus der Feder von Zapf.
Inhalt:
Der große Nick ist 24 und lebt, weil es billiger und bequemer ist, noch bei seinen Eltern. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehört es, mit Mädchen zu knutschen – doch es ist immer gar nicht so einfach, ein Mädchen dazu zu bekommen. Und wenn es dann doch klappt, gibt es meist auch noch irgendwelche Komplikationen …
Ansonsten hat Nick zwei besonders gute Freunde: Uwe, der nichts arbeiten will und von Herrn Hartz unterhalten wird, sowie Adrian, der einen reichen Vater hat und von daher keine Geldsorgen. Mit den beiden ist es allerdings auch nicht immer ganz einfach. Denn Uwe hat nie Geld, lässt sich immer zu allem einladen und hat so seine Marotten. Dazu gehört, dass er, um ein bisschen Geld „dazuzuverdienen“, u. a. die leeren Bierflaschen aus dem Kino schmuggelt und dafür dann das Pfandgeld einstreicht. Bloß blöd, wenn dann beim Rausgehen aus dem Kino, eine Bierflasche aus dem Mantel fällt und das Mädchen an der Kasse schließlich den kräftigen Kinobesitzer ruft … Mit beiden Freunden geht es vor allem immer dann heiß her, wenn die Eintracht gegen Bayern spielt, denn Adrian ist Bayern- und Uwe Eintracht-Fan.
Und dann sind da noch Nicks Eltern. Nicht nur, dass sie ihn eines Abends beim Knutschen mit einem Mädchen erwischen – nein, auch der Einkauf von neuen Schuhen für Nick und Socken für seinen Vater an einem Einkaufssonntag gerät völlig außer Kontrolle …
Bewertung:
Heute schon gelacht? Wenn nein, dann besorgt euch Jochen Tills „Überall Mädchen“, denn beim Lesen der Kurzgeschichten schafft man es ganz sicher nicht, bierernst zu bleiben. Was der 24-jährige Nick nämlich in den 16 Geschichten erlebt, lässt einen immer wieder losprusten.
Es ist nicht nur die Figur Nicks, der so liebenswert daherparliert und seine Erfahrungen mit Mädchen sowie seinen Freunden zum Besten gibt, sondern noch viel mehr, was den Leser zum Lachen einlädt. Die Kurzgeschichten nehmen Alltägliches liebevoll auf die Schippe, karikieren Groß und Klein und machen dabei vor nichts halt.
Eine der besten Geschichten handelt davon, dass Nicks Mutter von Tante Birgit auf ein Wellness-Wochenende eingeladen wird. Nick und sein Vater sind alleine zu Hause, und die Ratschläge bzw. Drohungen von Nicks Mutter, bloß schön Ordnung zu halten und sich um den Haushalt zu kümmern, haben nicht lange Bestand. Nicht nur, dass es an dem Wochenende feuchtfröhlich hergeht und die Wohnung auf den Kopf gestellt wird – der Nachbar, der sich beschwert, weil er angesichts der Lärms nicht schlafen kann, stößt schließlich zum Karaoke auf dem Wohnzimmertisch dazu. Zu „Diep Pörpel“ wird Luftgitarre gespielt und außerdem gemeinsam zu „Äissie/Diessies Ti En Ti“ gegrölt.
Interessant wird es auch, wenn Nick sich als Alltagsphilosoph versucht und Gedanken darüber macht, was der Unterschied zwischen einer Frau und einem Mädchen ist. Das ist nicht unbedingt tiefschürfend, aber eben lustig. Und so könnte man noch von einigem mehr aus dem Buch erzählen – aber lest es lieber selbst …
Fazit:
5 von 5 Punkten. Jochen Tills Geschichten über den großen Nick reihen sich wunderbar in die in diesem Jahr erschienenen Bücher der Poetry Slam-Autoren Mischa-Sarim Vérollet (“Das Leben ist keine Waldorfschule”) und Jaromir Konecny (“Doktorspiele”) ein. Bei beiden Büchern gibt es ebenfalls viel zu lachen. Jochen Tills Geschichten gefallen mir jedoch noch einen Tick besser, und das liegt im Vergleich zu „Das Leben ist keine Waldorfschule“ vor allem daran, dass Jochen Tills Kurzgeschichten stilistisch und inhaltlich eher aus einem Guss sind und in Nick eine besonders liebenswerte Figur haben.
Der Preis für das witzigste Buch, das ich in den letzten Monaten gelesen habe, geht damit eindeutig an „Überall Mädchen“, und weil das Buch so gut ist, würde ich mir eine Fortsetzung wünschen. Jochen Till zaubert aus den kleinen Macken und Meisen der Menschen humorvolle Geschichten, die man einfach gernhaben muss. Und die Zeichnungen von Zapf passen wunderbar dazu.
(Ulf Cronenberg, 11.09.2009)
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