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Buchbesprechung: David Wroblewski “Edgar Sawtelle"

Cover WroblewskiLesealter 16+(DVA 2009, 694 Seiten)

„Edgar Sawtelle“ ist eines der groß umworbenen Bücher dieses Herbsts – selten habe ich einen so großen Büchertisch in einem Buchladen gesehen, wie den im Würzburger Hugendubel, wo sich einzig David Wroblewskis Roman auf zahlreichen Stapeln türmte. Dass „Edgar Sawtelle“ keine Jugendbuch ist, soll nicht verschwiegen werden. Da es einen jugendlichen Helden hat, kann das Buch jedoch durchaus auch mal bei Jugendbuchtipps.de vorgestellt werden. Reife Leser setzt es jedenfalls voraus – und bei den knapp 700 Seiten auch welche mit großem Durchhaltevermögen.

Inhalt:

Edgar ist von Geburt an stumm. Den Ärzten ist das ein Rätsel, denn sie finden keine Ursache dafür, ebenso wenig jedoch auch eine Möglichkeit, Edgar das Sprechen beizubringen. So lernt er schon als kleiner Junge die Gebärdensprache, mit der er sich mit seinen Eltern verständigt.

Edgar wächst mit seinen Eltern, die eine Hundezucht mit den selbst von der Familie gezüchteten Sawtelle-Hunden betreiben, auf einer Farm auf. Die Sawtelle-Hunde werden, bevor sie ausgewachsen verkauft werden, umfangreich trainiert und sind bekannt für ihren wachen Geist und ihre besonderen Fähigkeiten. Eine Hündin namens Almondine kümmert sich von Geburt an rührend um Edgar – die beiden verbindet ein tiefes Band.

Als eines Tages Claude, der Bruder von Edgars Vater Gar, wieder auf der Farm auftaucht, kommt es zunehmend zu Konflikten – insbesondere zwischen Edgars Vater und Claude. Sie enden damit, dass Claude nach einem handgreiflichen Streit wieder die Farm verlässt. Einige Tage später findet Edgar seinen Vater bewegungslos auf dem Rücken liegend beim Hundezwinger. Wegen seiner Stummheit kann er keine Hilfe rufen und muss zusehen, wie sein Vater stirbt.

Der Tod von Gar wirbelt die Familie durcheinander. Mühsam versuchen Edgar und seine Mutter die Hundezucht aufrechtzuerhalten. Als Claude schließlich wieder auf der Bildfläche erscheint, um mitzuhelfen, fühlt sich Edgar überhaupt nicht mehr wohl auf der Farm, zumal er tief im Inneren den Verdacht hat, dass Claude etwas mit dem Tod seines Vater zu tun haben könnte. Als etwas Schlimmes passiert, flieht Edgar mit drei Hunden und schlägt sich durch die Wildnis.

Bewertung:

Es ist gar nicht so leicht, den Inhalt von „Edgar Sawtelle“ zusammenzufassen. Denn das Buch (Übersetzung: Barbara Heller und Rudolf Hermstein) ist mit seinen knapp 700 Seiten ein umfangreiches Familienepos, das viele ungewöhnliche Winkelzüge aufweist. Da werden die Gedanken und Empfindungen von Almondine, der Hündin, wiedergegeben, oder Edgar sieht seinen Vater als Geist, der ihm etwas mitteilen will.

Ein einfach zu erlesendes Buch ist David Wroblewskis Erstlingswerk – insbesondere für Jugendliche – sicher nicht. Das liegt auch daran, dass die Erzählperspektive immer wieder zu verschiedenen Personen springt. In dem Roman kommen also auch Erwachsene mit ihren Gedanken und Reflexionen über das Leben zu Wort, und die dürften für Jugendliche nicht immer leicht nachvollziehbar sein.

Warum lohnt es sich vielleicht trotzdem für Jugendliche, „Edgar Sawtelle“ zu lesen? Zum einen ist das Buch ein Blick in die Welt der Erwachsenenliteratur. David Wroblewski schreibt eindrücklich, lotet genau die Empfindungen von Menschen aus und vermag so einen ganzen Kosmos an seine Leser weiterzugeben. Zum anderen entführt einen das Buch in eine gänzlich andere und durchaus anregende Welt. Man erfährt sehr viel über Hundezucht und Stummheit, über menschliches Leid, darüber, wie Menschen mit Schicksalsschlägen umzugehen versuchen, wie sie einerseits oberflächlich stark, andererseits im Inneren aber auch verletzlich und schwach sind.

David Wroblewskis Roman kann man somit als psychologischen Entwicklungsroman ansehen: Man lernt in dem Buch einiges über Menschen, und das ist mitunter spannend zu lesen. Dass „Edgar Sawtelle“ außerdem leichte Krimielemente hat, stellenweise ein Abenteuerroman („Alabama Moon“ von Watt Key, das freilich eine deutlich jüngere Zielgruppe hat, dann nicht ganz unähnlich) ist, außerdem ein bisschen Mystik mitbringt (wenn Hunde etwas empfinden können oder Edgar Geister sieht), macht das Buch zusätzlich zu einem besonderen Buch.

Fazit:

5 von 5 Punkten. David Wroblewski hat mit „Edgar Sawtelle“ einen großen Roman geschrieben, von dem man fast erwarten kann, dass er verfilmt wird. Die Familiengeschichte über die Sawtelles ist jedenfalls etwas Besonderes. Man braucht ein wenig, um sich in das Buch einzulesen – doch dann kann man so richtig darin abtauchen.

„Edgar Sawtelle“ ist nicht nur ein dickes, sondern ein großes Buch: gut geschrieben, anregend und unterhaltsam. Zugleich ist es kein Buch, das man Jugendlichen bedingungslos empfehlen kann, sondern hier wird ein fortgeschrittener Leser vorausgesetzt, der sich gerne in dicken Schmökern vergräbt. Meiner Einschätzung nach dürften unter Jugendlichen Mädchen ab 16 Jahren eher als Jungen die Zielgruppe des Buches sein.

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(Ulf Cronenberg, 02.09.2009)


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