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Kurzrezension: Martin Baltscheit “Jasmin Behringer. Ich und die Kanzlerin”

Cover BaltscheitLesealter 12+(Boje-Verlag 2009, 110 Seiten)

Hübsch sieht es aus, das schmale Bändchen mit dem Titel „Jasmin Behringer. Ich und die Kanzlerin“, das wie ein Tagebuch aufgemacht ist. Der schwarze Streifen auf dem weißen Untergrund ist übrigens ein Gummi, mit dem sich das Buch zusammenhalten lässt und den man auch als Lesezeichen benutzen kann. Praktisch.

Ein ehrwürdiges Vorhaben steht hinter dem Buch: Martin Baltscheit möchte damit Interesse an Geschichte und Demokratie wecken, wie er im Nachwort schreibt. Ob ihm das gelungen ist?

Jasmin sucht für die Schule einen Praktikumsplatz und weiß lange nicht, was sie machen soll, bis ihr die rettende Idee kommt, die Praktikumswoche im Bundeskanzleramt zu absolvieren. Das ist alles andere als leicht zu erreichen – doch das Mädchen hat einen einflussreichen Onkel, und mit dessen Hilfe kann sie wirklich im Amtssitz von Angela Merkel ihr Praktikum antreten.

Mit der Kanzlerin selbst (wie der Titel suggeriert) hat Jasmin dabei jedoch wenig zu tun. Sie lernt aber immerhin den Apparat des Bundeskanzleramts in seinen zahlreichen Facetten kennen. So darf sie dem Pressedienst zur Hand gehen, der jeden Morgen zu früher Stunde alle Nachrichten durchschaut und das Wichtigste in einer Mappe für die Bundeskanzlerin zusammenstellt. Sie arbeitet für Frau Schiller, eine Sekretärin der Bundeskanzlerin, und lernt vom Pförtner bis zum Koch viele Leute im Bundeskanzleramt kennen.

Und wie ist das Buch nun? Ein wenig wird man bei dem Buch an der Nase herumgeführt, finde ich. Nicht nur, dass Jasmin Angela Merkel gerade einmal sieht, als sie an ihr vorbeigeht (wo der Titel doch, wie gesagt, anderes vermuten lässt) – am Ende erfährt man auch erst im Nachwort, dass die Geschichte um Jasmin erfunden ist. Auch wenn Martin Baltscheit erklärt, dass alles über das Bundeskanzleramt ansonsten der Wirklichkeit entsprechen würde – ich bin mir nicht sicher, was ich von dieser Art der Annäherung an Politik und Demokratie halten soll.

Aufgelockert wird das Buch durch Tagträume von Jasmin: Da soll sie einen reichen Scheich empfangen, weil Angela Merkel keine Zeit hat … Oder am Ende des Buches begegnet sie in einem Kellergewölbe den früheren Kanzlern von Adenauer bis Kohl, mit denen Jasmin dann im Geiste über das Thema Mindestlohn diskutiert. Die Erkenntnis aus diesem erdachten Gespräch: dass die Politiker eigentlich alles argumentativ zu verkaufen wissen (den Standpunkt für, aber auch gegen den Mindestlohn), lässt nicht nur Jasmin, sondern auch den Leser etwas ratlos zurück. Wird da nicht ein bisschen der Politikverdrossenheit Vorschub geleistet? Es sollen ja nicht alle Politiker so sein …

So richtig begeistert hat mich Martin Baltscheits Annäherung an Politik und Geschichte in einem Jugendbuch nicht. Sicher, ein paar wichtige Themen werden angeschnitten und diskutiert, man bekommt einen (begrenzten) Einblick in die Arbeit des Bundeskanzleramts, und auch ist es Martin Baltscheit gelungen, so zu schreiben, dass man das Buch wirklich für ein wahre Begebenheit halten könnte. Doch gleichzeitig lässt sich aus meiner Sicht bemängeln, dass das Buch oberflächlich bleibt, Falsches verspricht und den Leser zu wenig fordert.

Fazit:

2-einhalb von 5 Punkten. Dem hehren Anspruch, den Martin Baltscheit im Nachwort formuliert, ist der Autor meiner Meinung nach nur begrenzt gerecht geworden. „Jasmin Behringer. Ich und die Kanzlerin“ ist ein schnell gelesener Appetithappen, bei dem man ganz gut unterhalten wird, der das Thema aber nur anreißt. Wer sich wirklich für deutsche Politik und Geschichte interessiert, wird mit diesem Buch kaum zufrieden gestellt werden können.

Vielleicht ist das Buch im Boje-Verlag damit zumindest eine anregende Vorspeise für bisher politikuninteressierte Jugendliche ab 12 Jahren, die sich für den Hauptgang dann aber nach anderem umsehen müssen. Würde das mit diesem Buch gelingen, so könnte man schon fast zufrieden sein …

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(Ulf Cronenberg, 07.07.2009)

Ein bisschen mehr über das Buch erfahrt ihr übrigens im Buch-Blog des Verfassers: http://meinpraktikumimkanzleramt.blogspot.com.

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