(S. Fischer-Verlag 2009, 252 Seiten)
Das kommt davon, wenn man den Klappentext des Buchumschlags nicht liest … Jedenfalls bin ich während des Lesens von David Gilmours „Unser allerbestes Jahr“ immer davon ausgegangen, dass das ein fiktiver Roman ist. Doch wie sich dann am Ende beim Lesen des Nachwortes herausstellte, ist David Gilmours Buch eher eine thematische Autobiografie, in der er beschreibt, wie er sich relativ intensiv über drei Jahre hinweg mit seinem erwachsen werdenden Sohn Jesse auseinandergesetzt hat. Letztendlich hat mich das jedoch eher für das Buch eingenommen … – aber dazu später mehr.
Inhalt:
Mit 16 Jahren hat Jesse keine Lust mehr auf die Schule zu gehen, die für ihn eine Qual ist und wo er zu nicht sonderlich guten Ergebnissen kommt. So bricht er die Schule – ohne einen Schulabschluss in der Tasche zu haben – im Einverständnis mit seinem Vater ab. Sein Vater trifft die Abmachung mit Jesse allerdings unter einer Bedingung: Er wird seinem Sohn bei sich wohnen lassen, so lange dieser pro Woche mit ihm gemeinsam mindestens drei Filme anschaut – und Drogen würden außerdem zum Abbruch der Vereinbarung führen.
Jesses Vater ist selbst ein wenig überrascht davon, was er Jesse da zugesteht, und alles andere als sicher, dass dieses Experiment am Ende zum gewünschten Ergebnis führt: dass Jesse zu sich selbst findet und dabei herausbekommt, was er im Leben will, um dann zielstrebig doch noch etwas anzugehen. Und so schauen die beiden jede Woche Film für Film gemeinsam an. Nicht alle gefallen Jesse so gut wie dem Vater, aber Jesse lernt dabei nichtsdestotrotz so einiges …
Doch natürlich ist nicht alles nur einfach. Jesse hat in den drei Jahren so einige Krisen, die vor allem etwas mit Beziehungen zu Mädchen zu tun haben – und nicht immer kann ihm sein Vater da weiterhelfen. Letztendlich lernt Jesse, dass er alles selbst durchstehen muss – auch wenn sein Vater versucht ihn, so gut es geht, bei allem zu begleiten …
Bewertung:
Ein typisches Jugendbuch ist „Unser allerbestes Leben“ (Übersetzung: Adelheid Zöfel) sicher nicht (es ist auch ganz normal als Erwachsenenbuch im Fischer-Verlag erschienen). Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass diese ganz besondere Vater-Sohn-Geschichte aus der Sicht eines erwachsenen Erzählers, des Vaters, beschrieben wird. Und dadurch befinden sich Reflexionsebenen und Blickwinkel in dem Buch, die eindeutig einem Erwachsenen zuzuschreiben sind. Aber dennoch: Für etwas reifere jugendliche Leser ist sicher auch „Unser allerbestes Jahr“ ein interessantes Buch, werden darin doch viele Themen und Probleme angesprochen, die zur Jugendzeit dazugehören und nicht immer einfach zu meistern sind.
Im Nachhinein war ich nach dem Lesen des Nachwortes schon erstaunt, dass dieses Vater-Sohn-Experiment wirklich stattgefunden hat, dass das also ein autobiografischer Bericht eines Vaters ist. Denn ich hätte nicht gedacht, dass sich jemand so offen und schonungslos traut, aus dem eigenen Leben zu berichten. Doch genau das hat ein paar Bedenken, die ich beim Lesen des Buches hatte, endgültig zerstreut und mich für das Buch eingenommen.
Sehr viel wird in dem Buch nämlich über Filme geschrieben: David Gilmour, der u. a. als Filmkritiker gearbeitet hat, erwähnt in dem Buch Hunderte von Filmen, philosophiert über die besten Szenen, kommentiert die schauspielerische Leistung u. v. m. Für einen Roman wäre das vielleicht doch etwas ermüdend gewesen, auch wenn die Filme immer auch etwas mit Jesse und der Beziehung zwischen ihm und seinem Vater zu tun haben. Als autobiografischer Text kann und muss man das jedoch anders bewerten.
Alles in allem ist „Unser allerbestes Jahr“ nämlich wirklich ein Kleinod, das aus der Sicht eines Vaters erzählt, wie dieser trotz Sorgen und Befürchtungen versucht, seinem Sohn Lebenswichtiges zu vermitteln – Lebenswichtiges, das man aus den Filmen, nicht jedoch aus der Schule herausziehen kann. Das alles ist nur möglich, weil Jesse eben nicht mehr zur Schule geht, weil der Vater gerade Auftragsflaute hat – und beide somit über den Rahmen des Filmeguckens hinaus viel Zeit miteinander verbringen können.
Für jugendliche Leser dürfte David Gilmours Buch vor allem auch deswegen interessant sein, weil sie darin etwas über die Sicht eines Vaters erfahren: wie dieser das Erwachsenwerden des eigenen Sohnes erlebt. Viel von Sorgen ist da die Rede, es gibt magische Momente, wo sich die beiden nahe sind, andere, wo sie eher nebeneinanderher leben. David Gilmour zeigt sich als einfühlsamer Mensch, der sich und das, was er tut, oft in Frage stellt und der am Ende merkt, dass nicht nur Jesse, sondern auch er in den drei Jahren sehr viel gelernt hat und ein anderer geworden ist. Erziehung ist eben doch nicht nur eine Einbahnstraße … Auch Erwachsene können daran wachsen.
Fazit:
5 von 5 Punkten. „Unser allerbestes Jahr“ (warum der Titel übrigens nicht „Unsere allerbesten Jahre“ heißt, verstehe ich nicht) ist unter den Büchern, die auch Jugendliche lesen können, mal was anderes. Die Zielgruppe des Buches sind zwar eher erwachsene Leser – aber dennoch sei dieses Buch auch Jugendlichen ab 16 Jahren empfohlen (insbesondere Jungen).
David Gilmours Buch ist eine Besonderheit, die einem vieles vor Augen hält: Wie wichtig Väter doch sein können, wie schwierig es ist, im Leben den richtigen Weg einzuschlagen, wie gering der Unterschied zwischen Scheitern und erfolgreichem Weitergehen ist. All das hält einem David Gilmour in seinem ungewöhnlich ehrlichen Buch vor Augen.
Dass ich nebenbei Lust bekommen habe, endlich mal wieder ins Kino zu gehen, mehrere meiner DVDs rauszukramen und/oder neue zu kaufen, ist eine weitere Folge des Buches, das zugleich auch eine liebevolle Hommage an das Kino ist.
(Ulf Cronenberg, 06.03.2009)
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Gibt es so etwas wie eine Filmliste zu diesem Buch? Das würde mich sehr interessieren! Vielen Dank und freundliche Grüße.
Hallo Lilo, Ich weiß zumindest nichts davon. Schon mal auf der Verlags-Webseite geguckt oder danach gegoogelt?
Viele Grüße, Ulf
Ich wollte auch unbedingt eine Liste. Hab gesucht, aber im Netz gibt es nix. Jetzt werde ich mir wohl selbst eine machen … 🙂 Großartiges Buch!
Hallo, im Anhang der englischen Ausgabe gibt es diese Liste, leider ist sie im deutschsprachigen Taschenbuch verschwunden, und leider habe ich das englische Original weiterverschenkt. Hoffe dieser Tip hilft!
RH
Ich habe eine Filmliste angelegt, weil ich auch erfolglos bei der Suche danach war …
12 Uhr mittags (1952)
52 Pick-Up (1986)
Absolute Power (1997)
Achteinhalb (Fellini, 1963)
Aguirre, der Zorn Gottes (Werner Herzog, 1972)
Alarmstufe: Rot (1992)
Alien (1979)
American Graffiti (1973)
Apocalypse Now
Beetlejuice (1988)
Berüchtigt (Hitchcock, 1946)
Blutgericht in Texas (1974)
Brennpunkt Brooklyn (1971)
Bullitt (1968)
Carlito’s Way
Casablanca (1942)
Charade (Stanley Donen, 1963)
China Town (Robert Towne, 1974)
Chungking Express (1994)
Citizen Kane (1941)
Das Gesetz bin ich (1974)
Das letzte Kommando (1973)
Das süße Leben (Federico Fellini, 1960)
Das weiße Band
Dead Zone – der Attentäter (1983)
Der Chef (1947)
Der dritte Mann (1949)
Der Einzelgänger (Michael Mann, 1981)
Der eiskalte Engel (1967)
Der Exorzist (William Friedkin, 1973)
Der große Gatsby (1974)
Der letzte Tango in Paris (1972)
Der Pate (1972)
Der Pate II (1974)
Der schwarze Falke (1956)
Der Stadtneurotiker (1977)
Der unsichtbare Dritte (Hitchcock, 1959)
Der weiße Hai (1975)
Die Faust im Nacken (1954)
Die Freunde von Eddy Coyle (1973)
Die heiße Spur (1975)
Die Katze kennt den Mörder (1977)
Die Nacht des Jägers (Charles Laughton, 1955)
Die Nacht des Leguan (John Huston, 1964)
Die Vögel (Hitchcock)
Die Waltons (1972-81)
Dirty Harry
Duell (1971)
Ein Herz und eine Krone (1951)
Eine andere Frau
Endstation Sehnsucht (1951)
Erbarmungslos (1992)
Fahrraddiebe (1948)
Frühstück bei Tiffany (1971)
Für eine Hand voll Dollar (1964)
Full Metal Jacket (1987)
Giganten (1956)
Glengarry Glen Ross (1992)
Haben und nicht haben (1944)
Hannah und ihre Schwestern (1986)
Herzflimmern (1971)
Hexenkessel (Scorsese, 1973)
Ich glaub ich steh im Wald (1982)
In 80 Tagen um die Welt (1956)
Internal Affairs – Trau ihm, er ist ein Cop (1990)
Ishtar (1987)
Ist das Leben nicht schön? (1946)
Jackie Brown (Tarantino, 1997)
James Bond – 007 jagt Dr. No (1962)
Jungle Fever (1991)
Leon – der Profi (1994)
Lolita (Adrian Lynnes, 1997)
Man nannte ihn Hombre (1967)
Manche mögen’s heiß (1959)
Manhattan (Woody Allen, 1979)
Meine liebe Rabenmutter (1981)
Miami Vice (1984-89)
Nikita (1990)
Onibaba – die Töterinnen (1964)
Out of sight (Steven Soderbergh, 1998)
Parasitenmörder (David Cronenberg, 1975)
Plan 9 aus dem Weltall (1959)
Plenty – eine demanzipierte Frau (1985)
Polizei greift ein (1953)
Pretty Woman (1990)
Psycho (Hitchcock, 1960)
Pulp Fiction (1994)
Quiz Show (Robert Redford, 1994)
Ran (1985)
Reservoir Dogs (Tarantino, 1992)
RoboCop
Rocky 3 – das Auge des Tigers (1982)
Rosemaries Baby (1968)
Scanners
Scarface (1983)
Schnappt Shorty (1995)
Sexy Beast (2002)
Shining (Kubrick, 1980)
Showgirls (1995)
Sie küssten und sie schlugen ihn (Francois Truffaut, 1959)
Sie nannten ihn Stick (1985)
Singing in the rain (1956)
Stardust Memories (1980)
The Hollywood factor (1994)
The Stepfather (1987)
Tootsie (1982)
Tote schlafen fest (1946)
True Romance (1993)
Vanya 42. Straße (1994)
Verbrechen und andere Kleinigkeiten (Woody Allen, 1989)
Volcano (1976)
Wer hat Angst vor Virginia Woolf? (1966)
Yeah! Yeah! Yeah! (1964)
Zwei Banditen (1969)
Wow, was für eine Arbeit, Petra! Super und danke!
Ulf
Danke für die Liste! Genau das ist für mich auch der Hauptnutzen des Buches … 🙂