Jugendbuchtipps.de

Buchbesprechung: Mirjam Pressler “Nathan und seine Kinder”

Cover PresslerLesealter 14+(Beltz & Gelberg-Verlag 2009, 248 Seiten)

Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing (mit Links zu den entsprechenden Wikipedia-Artikeln), das 1779 das erste Mal veröffentlicht wurde, ist eines der bekanntesten Theaterstücke der deutschen Literatur und nach Goethes „Faust“ das am häufigsten gespielte Stück auf deutschen Theaterbühnen. Für Germanisten und auch für viele Oberstufenschüler zählt das Drama zur Standardlektüre. Doch einfach zu lesen ist es gerade für jüngere Leser nicht. Mirjam Pressler hat sich daran gemacht, aus der Theatervorlage einen Jugendroman zu schreiben und so das wichtige Werk der deutschen Aufklärung auch Jugendbuchlesern zugänglich zu machen. Ein ehrwürdiges Vorhaben …

Inhalt:

Nathan ist ein angesehener und wohlhabender jüdischer Kaufmann, der in Jerusalem, dem umkämpften Schmelztiegel von drei Religionen (Judentum, Christentum und Islam), zur Zeit der Kreuzzüge lebt. Das Leben in Jerusalem und den umliegenden Gebieten ist nicht gerade einfach. Immer wieder bekämpfen sich die Vertreter der verschiedenen Religionen erbittert, es gibt wohlhabende Leute wie Nathan, aber auch viele Heimatlose, Bettler und Krüppel.

Nathan, der mit seiner Tochter Recha und vielen Vertrauten und Bediensteten in einem großen Haus lebt, ist ein guter Mensch, der mit seinem Reichtum anderen zu helfen versucht. Doch auch der jüdische Kaufmann ist nicht davor gefeit, in die Intrigen und Kämpfe der Religionen zu geraten. Die Juden werden nicht nur von den Christen, die sie als Mörder Jesu ansehen, verachtet, sondern auch die Muslime in der Stadt begegnen ihnen mit großem Misstrauen.

Der Sultan Saladin, der Jerusalem für die Muslime eingenommen hat, ist – solange nicht seine Schiffe mit den Steuereinnahmen aus Ägypten kommen – bankrott, und so wendet er sich über einen gemeinsamen Bekannten an Nathan, um zu fragen, ob dieser ihm Geld leihen kann. Doch Saladin ist ein furchterregender und grausamer Herrscher, und Nathan und seine Gefolgsleute haben Angst, am Ende nicht unbeschadet aus der Sache herauszukommen.

Doch es kommt anders: Der Sultan fragt Nathan, der von vielen als Weiser bezeichnet wird, bei dessen erstem Besuch danach, welche der drei Religionen denn nun die wahre sei. Die Fangfrage beantwortet Nathan geschickt mit einer Gleichnis-Geschichte, die den Sultan besänftigt und die beiden freundschaftlich auseinander gehen lässt.

Bewertung:

Etwas ganz Besonderes hat sich Mirjam Pressler da vorgenommen: ein vom Schreibstil schon etwas in die Tage gekommenes Theaterstück in eine moderne Romanfassung zu bringen, die man auch jugendlichen Lesern vorlegen kann. Und nicht ohne Grund. Das Thema der verschiedenen Religionen, die sich heute, gut 200 Jahre später noch immer bekriegen, ist nach wie vor brandaktuell …

Um es gleich vorwegzunehmen: Mirjam Pressler ist die Modernisierung von Lessings Drama sehr gut gelungen. Geschickt erzählt die Autorin die wesentlichen Inhalte des Theaterstücks nach, nicht ohne dabei auch ein bisschen Freiheit walten zu lassen. Wie die Autorin im Nachwort selbst erläutert, hat sie z. B. Nathans Tochter Recha etwas mehr in den Vordergrund gerückt, dem Buch außerdem ein paar Figuren hinzugefügt, die nicht in Lessings Vorlage enthalten sind. Zudem wurden die geschichtlichen Hintergründe der damaligen Zeit etwas deutlicher herausgearbeitet, als dies Lessing getan hat.

Herausgekommen ist dabei ein leises, aber dennoch spannendes Buch, das auch jugendlichen Lesern das Gedankengut der philosophischen Aufklärung nahe bringt. Die Ringparabel, das zentrale Kernstück von Lessings Drama, und deren Aufklärungsgedanke werden geschickt in eine Geschichte gepackt.

Doch auch wenn man sich von der Überarbeitung von Lessings Vorlage löst (denn nicht alle Leser mögen die kennen), so lässt sich das Buch Mirjam Presslers auf vielen Ebenen loben: Da ist zum einen die Erzählweise. Jedes der Buchkapitel wird von einer der Romanfiguren aus ihrer Sicht erzählt – und auf diese Art und Weise erfährt man auch einiges zum Hintergrund der Personen und damit über die Geschichte der damaligen Zeit. Da kommt z. B. der Tempelritter zu Wort, der Recha am Anfang des Buches aus dem brennenden Haus rettet – ein junger Mann, der sich auf den Weg nach Jerusalem machte, weil er vor seinem Ziehvater fliehen wollte. Oder Saladins Schwester beschreibt, wie sie im Hintergrund die Fäden zu ziehen versucht.

Zum anderen ist aber auch der literarische Stil des Buches hervorzuheben. Sehr einfühlsam erzählt Mirjam Pressler die Geschichte um Nathan den Weisen, der übrigens selbst als Erzähler nicht zu Wort kommt. Zwar wird durchaus kein Hehl aus der Grausamkeit der damaligen Zeit gemacht (wenn z. B. alle gefangenen Tempelritter von Saladin eigenhändig mit einem Schwert ermordet werden), aber trotzdem bleibt die Grausamkeit erträglich, weil sie nicht in Details nacherzählt wird. Stattdessen erfährt man, was die Figuren, die dabei waren, beobachten und fühlen …

Fazit:

5 von 5 Punkten. „Nathan und seine Kinder“ ist eine rundum gelungene Modernisierung von Lessings „Nathan der Weise“, die man Jugendlichen schon in jüngeren Jahren (ab 13 bis 14 Jahren) zum Lesen geben kann als Lessings Original. Eindrücklich wird man dabei an das Gedankengut der Aufklärung und dessen Menschenfreundlichkeit, die sich nicht an Gefühlen wie Rache orientiert, herangeführt. Zugleich ist „Nathan und seine Kinder“ eine aufgelockerte Geschichtsstunde, denn man erfährt vieles über die Kreuzzüge und den Kampf der Religionen um Jerusalem (der ja bis heute fortdauert).

Das Tolle dabei ist, dass Mirjam Presslers Buch ganz ohne pädagogischen Zeigefinger auskommt. Man liest die den Roman, er bleibt als gut erzählte Geschichte im Vordergrund, und erfährt nebenbei vieles über Aufklärung, Kreuzzüge und den Kampf der Religionen. Genau so sollte das auch sein: Keine Wissensvermittlung mit der Brechstange, sondern behutsam, so dass der Lesespaß erhalten bleibt. Und das ist Mirjam Pressler wirklich gelungen!

blau.giflila.gifrot.gifgelb.gifgruen.gif

(Ulf Cronenberg, 02.04.2009)

Lektüretipp für Lehrer!

Wer seine Schüler schon früher als in einem Oberstufenkurs mit dem Thema „Aufklärung“ konfrontieren will, und zwar so, dass der Lesegenuss dennoch im Vordergrund steht, der kommt um „Nathan und seine Kinder“ nicht herum. Ob man damit Lesemuffel an Bücher heranführen kann? Das wage ich zu bezweifeln … Mirjam Presslers Buch ist er etwas für ruhigere und sensiblere, einfühlsame Schülerinnen und Schüler. Aber hat man die, so kann mit ihnen anhand des Buches über sehr vieles diskutieren: Geschichtliches wie Aktuelles, Fragen der Ethik wie der Politik. Und eine Zusammenarbeit mit dem / der Geschichtslehrer/in bietet sich geradezu an!


Entdecke mehr von Jugendbuchtipps.de

Subscribe to get the latest posts sent to your email.

Kommentare (14)

  1. ina

    Lieber Rezensent,
    habe mir jetzt auf Ihre Anregung das Buch bestellt, da bin ich mal gespannt.
    Als Theaterstück in modernem Gewand ist mir das Stück bereits vertraut.

    Antworten
  2. Pingback: Jugendbuchtipps.de» Blogarchiv » Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2010

  3. Milla

    Ein furchtbares Buch. Seite um Seite versucht die ‚Autorin‘ Spannung hineinzupressen, wo keine hingehört, was das Lesen auch nicht gerade erquickender macht. Aus unwichtigen Charakteren wird jedes noch so winzige, uninteressante Detail herausgequetscht, während die interessanteren Figuren und Handlungsstänge nur am Rande erwähnt werden. Der Anfang ist noch am erträglichsten, doch mit fortschreitender Seitenanzahl wächst das Verlangen, das Buch in eine verstaubte Ecke zu stellen und für die nächsten dreißig Jahre nicht ansehen zu müssen; vom Schluss ganz zu schweigen, denn beim Überfliegen der letzen Seiten verspürt der gepeinigte Leser den unbezähmbaren Drang, das Buch aus dem Fenster zu werfen und betet inbrünstig, die ‚Autorin‘ möge endlich zum Ende kommen. Sorry, Leute, aber dieser Roman war für eine normalerweise begeisterte Leserin von historischen sowie fantastischen Romanen wie mich eine gewaltige Enttäuschung. Ein Stern. Allerhöchstens.

    Antworten
  4. Konstantin

    Ich würde sagen, dass dieses Buch die Menschen von dem Lesen der Geschichte Lessings abschrecken würde. Das Original ist viel besser und auch nicht so lang.
    Mir scheint die Autorin auch nicht besonders erfinderisch zu sein. Die ganzen neuen Charaktere sind überflüssig, und durch sie wird die Geschichte lediglich größer und langweiliger.
    Was das Ende angeht, stimme ich Milla vollkommen zu. Da wird was erfunden, was man gar nicht braucht und was einen nur von Lessings Darbietung weiter entfernt.

    Antworten
  5. Katja

    Eine Bemerkung vorweg: Ich habe Lessings Drama vor vielen Jahren in der Schule gelesen und kann nicht mehr genau sagen, was der Inhalt ist. Das Buch von Mirjam Pressler habe ich also ziemlich unvoreingenommen gelesen (und doch erst 1 1/2 Jahre, nachdem ich es in Leipzig auf der Buchmesse bekommen habe, ich hatte dann doch eher einen langweiligen Text erwartet …). Und nun habe ich das Buch in 2 Tagen gelesen und fand es ziemlich großartig. Flüssig und abwechslungsreich geschrieben, interessant und vom Thema her aktueller denn je. Trauig, ja das auch, aber letztendlich irgendwie tröstlich. Und der Wechsel der Perspektiven und die zusätzlichen Figuren schaden der Story überhaupt nicht.
    Empfehlenswert, ich werde mir jetzt wohl mal „Shylocks Tochter“ von der Autorin besorgen, das beruht ja auch auf einem Klassiker, allerdings von Shakespeare!

    Antworten
  6. Lilian

    Ich fand das Buch (wir haben es in der Schule gelesen) nicht soooo schlimm … Es gib Besseres, aber gerade für eine Schullektüre ist echt eigentlich relativ interessant.
    Doch die Aufgaben (aufgepasst alle Lehrer!) sind TOTAL langweilig und blöd … Echt schlimm … 🙁 Aber zur Unterhaltung ist das Buch ganz ok, gerade für Leute, die geschichtsinteressiert sind … 🙂

    Antworten
  7. Charly

    Also ich muss sagen, ich bin an dieses Buch nicht unvoreingenommen herangegangen, weil mich der Klappentext wirklich nicht angesprochen hat und ich mich generell nicht so für Religion interessiere. Ich hätte dieses Buch nie gelesen, wenn wir – meine Klasse und ich – nicht dazu gezwungen worden wären, dieses Buch zu lesen, und wir sind alle derselben Meinung – ob Leseratte oder nicht: Dieses Buch gehört in den Müll und sollte nicht wieder gelesen werden. Ein Zeugnis dafür ist allein die Tatsache, dass die Hälfte der Klasse das Buch höchstens bis zur Hälfte gelesen hat und wir morgen eine Arbeit schreiben. Außerdem bin ich der Meinung, dass es alles andere als spannend ist und man sich wirklich quälen muss, dieses Buch zu lesen, denn man kommt einfach nicht in die Geschichte hinein.

    Antworten
  8. Aline

    Das Buch ist eine einzige Katastrophe! Ich hab noch nie so ein langweiliges Buch gelesen, und ich tu mich echt schwer und muss mich quälen. Blöd, dass es Prüfungslektüre ist. Ich hätte es meinem Mülleimer herzlich geschenkt.

    Antworten
  9. Rumeysa

    Bei mir landet es nach der Prüfung auch im Mülleimer. Ich könnte mir nicht vorstellen, noch mal so ein schlimmes Buch zu lesen. Warum ändert man überhaupt das Ende von einem Buch, wenn man es nur für Jugendliche umschreiben will?

    Antworten
  10. Ekrem

    Nun es ist schön, dass die Autorin versucht hat das Originalbuch „Nathan der Weise“ von Lessing umzuschreiben, so dass die „neue“ Generation es zumindest auch versteht. Leider, muss ich sagen, ist es ziemlich langweilig geschrieben. Die Autorin hat versucht, in verschiedenen Perspektiven zu schreiben, wovon ich ein bisschen enttäuscht bin, da man nicht wirklich Neues mitbekommt. Das Geschehen wiederholt sich einfach. Leider wurden auch wichtige Passagen vom Originalbuch weggelassen oder verändert, wie z. B dass die Ziehtochter von Nathan die Schwester des Tempelritters ist, was natürlich das Ereignis sehr verändert, da die beiden ja nicht zusammensein durften. Auch dass Nathan getötet wird, wurde mit in das Buch hineingenommen, was im Originalbuch nicht der Fall ist. Es werden viele Sachen leider zu ausführlich erklärt, so dass der Leser gar nicht mehr richtig zum Nachdenken kommt.
    Fazit: Jeder hat seine eigene Meinung, meine wäre es, das Buch eher nicht zu lesen, sondern wenn es geht, das Original zu lesen. Ob es als Prüfungslektüre geeignet ist? Nun da enthalte ich mich eher.
    Ekrem Erdogan

    Antworten
  11. Fabian

    Also, wir haben das Buch auch gelesen, und ich muss sagen, ich fand das Buch eigentlich nicht wirklich schlecht. Letztes Jahr haben wir „Der Besuch der alten Dame“ gelesen, und da fand ich „Nathan und seine Kinder“ um einiges Besser. Ein Kumpel von mir, der nicht so viel liest, fand es auch richtig gut. Nachdem ich mit dem Buch fertig war, fand ich es schon ein bisschen schade, dass es so kurz ist. Durch die Figuren, die hinzugefügt wurden, macht man sich Gedanken, die nicht bestätigt werden, aber auch nicht dementiert werden: z. B. Geschem = Sohn von Elijahu?
    Insgesamt fand ich das Buch nicht schlecht, aber ich habe auch nicht „Nathan der Weise“ gelesen.

    Antworten
  12. Clausi

    Also, ich muss der Mehrheit zustimmen. Ich hätte dieses Buch nie von selbst gelesen, aber es ist leider Klassenlektüre. Ich habe bei der Hälfte aufgehört, weil es langweilig ist und mich nicht interessierte. Ich habe zwar nur einen Ausschnitt des Originals gelesen, doch dieser hat gereicht, um festzustellen, dass das Original weitaus besser ist.
    Fazit: Meiner Meinung nach ein schreckliches Buch!

    Antworten
  13. Franzi

    Ich muss gerade dieses Buch in der Schule lesen, und ich kann euch sagen, ich hatte schon nach dem ersten Kapitel die Schnauze voll. Man versteht rein gar nicht, um was es in dem Buch eigentlich gehen soll. Und dazu kommen die keine Ahnung wie vielen Sichtweisen. Mal ganz ehrlich: Kann man das nicht auf zwei Sichtweisen begrenzen? Aber nein, das geht ja nicht, wäre zu einfach. Ich hasse dieses Buch, ich kann mir auch nicht erklären, wie dieses Buch es überhaupt auf den Markt geschafft hat.

    Antworten
  14. Christine

    Ich bin Deutschlehrerin und immer auf der Suche nach spannenden Lektüren für Schüler, die zu Hause kein Buch haben und/oder in ihrer Freizeit nicht lesen. Als ich von diesem Buch hörte, freute ich mich, weil die Ringparabel gerade in der heutigen Zeit Anlass für gute Diskussionen sein könnte. Auch die Ankündigung, dass das Buch für heutige Leser modernisiert wurde, fand ich vielversprechend. Doch wie die meisten Kommentatoren auf dieser Seite war ich enttäuscht und habe das Buch nicht einmal zu Ende gelesen. Die Autorin schreibt in einem altertümelnden Stil, der für viele Schüler eine große Hürde darstellt. Warum eine künstlich auf alt getrimmte Sprache nutzen, statt für heutige Leser verständlich zu schreiben? Echt schade.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert