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Kurzrezension: Lily Archer “Der Schneewittchen-Club”

Cover ArcherLesealter 12+(Hanser-Verlag 2009, 299 Seiten)

Schon das Buchcover weist mögliche Leser darauf hin, für wen Lily Archers Jugendbuch wohl am ehesten geeignet ist … Wollt ihr raten? Genau: für Mädchen – und zwar ab einem Alter von 12 Jahren. Die Amerikanerin Lily Archer hat mit „Der Schneewittchen-Club“ ihr erstes (Jugend-)Buch geschrieben und zählt – 1963 geboren – wohl eher zu den spät berufenen Autorinnen …

Drei Mädchen: Molly, Alice und Reena lernen sich im Internat Putnam Mount McKinsey kennen. Ihre Namen beruhen wohl nicht auf Zufall, sondern sprechen Bände: Molly, die auch noch „Miller“ mit Nachnamen heißt, ist nicht gerade die hübscheste und schlankeste, vergräbt sich dafür aber leidenschaftlich gern hinter Büchern, insbesondere Lexika. Alice dagegen kommt aus einer Traumwelt berühmter Eltern: Ihr Vater ist ebenso ein bekannter Schriftsteller wie ihre verstorbene Mutter. Und Reena hat Eltern indischer Herkunft.

Doch warum alle drei aufs Internat gehen, hat einen tragischen Hintergrund: Ihre Väter haben sich neu verliebt und seit kurzem neue Ehefrauen: Mollys Vater, der Arzt ist, hat seine Sprechstundenhilfe geheiratet, Alices Vater eine berühmte, aber ziemlich hysterische Schauspielerin, und Reenas Vater hat sich in eine amerikanische Yoga-Lehrerin mit blonden Haaren verliebt, die auf dem Indien-Trip ist. Keines der drei Mädchen kommt mit der neuen Stiefmutter zurecht – eher im Gegenteil: Es kracht gewaltig zu Hause, und so wundert einen die Lösung der Familien, die Töchter ins Internat zu schicken, nicht.

Doch nach ihrer ersten Begegnung im Internat mögen sich die drei Mädchen nicht gerade – es dauert ein Weilchen, bis sie zueinander finden. Es sind die vergleichbaren Familiensituationen mit den verhassten Stiefmüttern, die sie schließlich zusammenführen. Reena, Alice und Molly gründen den Schneewittchen-Club, und der hat sich einem Ziel verschrieben: Sie wollen ihre Stiefmütter wieder aus dem Haus vertreiben …

Lily Archers Buch bietet genau das, was der Buchumschlag verspricht: „Der Schneewittchen-Club“ (Übersetzung: Sophie Zeitz) ist eine Geschichte für Mädchen, mit der man Jungen wohl kaum hinter dem Ofen hervorlocken kann. Das heißt nicht unbedingt, dass Lily Archers Buch schlecht ist, aber es hat eben eine ganz klare Zielgruppe – und diese zumindest kommt auch auf ihre Kosten.

Man darf als Leser(in) ein Weilchen den drei Mädchen durch ihren Alptraum mit den drei Stiefmütter folgen, was tragisch und komisch zugleich erzählt wird, bevor sie schließlich ins Internat abgeschoben werden und sich dort kennen lernen. Der Kniff, der verhindert, dass die Geschichte langweilig wird, ist dabei, dass die Erzählperspektive in jedem Kapitel wechselt. Immer abwechselnd berichtet eines der drei Mädchen aus seiner Sicht, was passiert. Das verhindert immerhin, dass „Der Schneewittchen-Club“ allzu sehr ins Kitschige abgleitet und langweilig wird. Man darf ab und zu mal mit den Dreien lachen (wobei es schon Jugendbücher gab, wo ich beherzter lachen musste), dann wieder mitfühlend weiterlesen, wenn sie sich – nicht unbedingt immer erfolgreich – in einen Jungen (oder einen Lehrer) vergucken oder sich mit der Zimmergenossin streiten.

Fazit:

3 von 5 Punkten. Fassen wir zusammen: „Der Schneewittchen-Club“ ist nicht unbedingt ein Buch, das mich als männlicher Leser wirklich gefesselt hat, denn das Buch erzählt eindeutig eine Geschichte für Mädchen. Aber ich will fair sein: Mädchen werden durch dieses Buch sicher gut unterhalten, was aber nichts daran ändert, dass der Schluss des Buches zu märchenhaft und rührselig ist. Auch sonst bietet Lily Archers Buch nicht gerade Tiefgang – die Autorin reitet schon etwas sehr auf den Klischees herum: hier die böse Stiefmutter, dort der schnuckelige Mitschüler, daneben der süße und tiefsinnige Lehrer, in den man sich verlieben muss.

„Der Schneewittchen-Club“ ist ein Buch für zwischendurch, das heiter und unbeschwert, aber leider auch ein wenig zu oberflächlich (wie eine Fernseh-Soap) vom Schrecken mit den Stiefmüttern erzählt. Mädchen mag’s gefallen, Jungen sicher nicht. Und da ich zu den erwachsenen Exemplaren der letzteren Gruppe gehöre, konnte ich dem Buch auch nicht allzu viel abgewinnen und kann deswegen nicht mehr als drei Punkte vergeben … Mädchen, da bin ich mir allerdings sicher, würden die Stiefmütter-Geschichte besser bewerten.

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(Ulf Cronenberg, 05.03.2009)

Kommentare (0)

  1. Alexandra

    Mollys Vater ist Besitzer von Herb’s Diner, anstatt Arzt …

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    1. Ulf Cronenberg

      Da magst du recht haben – ich kann das leider nicht überprüfen. Aber solche Fehler kommen (leider) immer wieder mal vor …

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  2. Isabelle

    Was soll „ich kann das leider nicht überprüfen“ denn heißen? Nehmen Sie das Buch (das sie angeblich gelesen haben!) noch mal in die Hand und sehen Sie nach!

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    1. Ulf Cronenberg

      Natürlich habe ich es gelesen – aber ich kann es nicht mehr zur Hand nehmen, weil ich das Buch nicht mehr habe. Manche Bücher verschenke ich oder gebe sie eben weiter … Ein bisschen unhöflich ist das aber schon, wie du das formulierst, Isabelle!

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